Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/4003 25.02.2019 (Ausgegeben am 26.02.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Doreen Hildebrandt (DIE LINKE) Sicherheitsabstand beim Überholen Kleine Anfrage - KA 7/2287 Vorbemerkung des Fragestellenden: Aus Mangel an einfacher, sicherer und Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA)- konformer Radverkehrsinfrastruktur wird der Radverkehr in Sachsen-Anhalt - innerorts wie außerorts - häufig auf der Fahrbahn geführt. Die gemeinsame Nutzung des Verkehrsraums stellt erhöhte Anforderungen an die gegenseitige Rücksichtnahme und Akzeptanz im Straßenverkehr. Dazu gehört, dass Auto- und Lkw-Fahrer beim Überholen von Radfahrern einen ausreichenden Seitenabstand einhalten müssen. Ein im November 2018 erschienenes Gutachten des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft plädiert für einen Sicherheitsabstand beim Überholen von mindestens 1,5 bis 2 Meter. In Städten wie Köln, Bonn und Duisburg tragen die Fahrzeuge der örtlichen Polizeidirektionen seit 2018 gut sichtbare Aufkleber auf der Heckscheibe, die auf den Mindestabstand beim Überholen hinweisen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Hält die Landesregierung eine feste Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs „Ausreichender Seitenabstand“ in § 5 Abs. 4 Satz 2 der StVO beim Überholen/Vorbeifahren von/an Radfahrern für sinnvoll? Bitte begründen. Falls ja, welche Bemühungen zu radfahrfreundlichen Änderung der StVO unternimmt die Landesregierung? Eine feste Definition des unbestimmten Rechtsbegriffs „ausreichender Seitenabstand “ wird von der Landesregierung nicht für sinnvoll erachtet. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist einzelfallabhängig und in jedem Fall von verschiedenen Faktoren abhängig (z. B. Rad fahrende Kinder, Schwanken der Rad Fahrenden, Gepäckstücke auf dem Fahrrad, unterschiedliche Ab- 2 standerfordernisse z. B. zwischen Pkw und Fahrrad oder Lkw und Fahrrad). Die Rechtsprechung trägt zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs bei. 2. Können gut sichtbare Aufkleber zum Sicherheitsabstand auf Polizeifahrzeugen aus Sicht der Landesregierung dazu beitragen, das gemeinsame Ziel „Vision Zero“ zu erreichen und den Landtagsbeschluss „Keine Verkehrstoten mehr in Sachsen-Anhalt“ (LT-Drs. 7/2844) umzusetzen? Bitte begründen. „Vision Zero“ zielt auf eine Reduzierung der bei Verkehrsunfällen Getöteten ab. In der polizeilichen Unfallerfassung werden Verkehrsunfälle mit Rad Fahrenden , die ggf. auf einen ungenügenden seitlichen Abstand beim Überholen zurückzuführen sind, unter der Unfallursache 22 („Sonstige Fehler beim Überholen “) abgebildet. In Auswertung der vorläufigen polizeilichen Unfallstatistik für das Jahr 2018 ist kein getöteter Rad Fahrender in dieser Kategorie zu verzeichnen. Inwieweit eine derartige Aktion zur Umsetzung der „Vision Zero“ beitragen könnte, kann daher nicht bewertet werden. 3. Wird eine solche Maßnahme in der Landesregierung bereits diskutiert? Falls ja, in welchem Verfahrensstand befinden sich die Überlegungen? Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ist im Jahr 2018 an das Ministerium für Inneres und Sport herangetreten und hat um Prüfung einer Beteiligung der Landespolizei an einer derartigen Aufkleber-Aktion gebeten. Die betreffenden aktuellen Projektunterlagen wurden dem Ministerium für Inneres und Sport vom ADFC am 3. Februar 2019 übermittelt und werden dort gegenwärtig geprüft. 4. Beabsichtigt die Landesregierung, Empfehlungen an die Kommunen zur Umsetzung ähnlicher Maßnahmen an kommunalen Fahrzeugen (bspw. Ordnungsamt) zu geben? Bitte begründen. Ob ggf. eine Empfehlung an die Kommunen gegeben werden sollte, wird in Abhängigkeit des Ergebnisses der unter Frage 3. genannten laufenden Prüfung entschieden. 5. Beabsichtigt die Landesregierung das Thema Sicherheitsabstand beim Überholen/Vorbeifahren von/an Radfahrern mit weiteren öffentlichkeitswirksamen Kampagnen und beispielsweise auch im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) zu thematisieren? Bitte begründen. Der Landesradverkehrsplan befindet sich derzeit in der Neuaufstellung. Unter dem Handlungsfeld „Verkehrssicherheit, Mobilitäts- und Verkehrserziehung“ sind auch Maßnahmen für mehr Rücksichtnahme und ein Miteinander vorgesehen . Verkehrsteilnehmer insgesamt sollen für mögliche Gefahren im Radverkehr und mit Rad Fahrenden durch Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen 3 sensibilisiert werden. Hierzu gehört auch das Thema Sicherheitsabstand beim Überholen/Vor-beifahren von/an Rad Fahrenden. Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) befindet sich derzeit in der Vorbereitungsphase. Eine erste Auftaktveranstaltung zur Information der Kommunen hat im Dezember 2018 stattgefunden . Wie in der ADrs. 7/LEV/62 ausgeführt, wurde die Zielsetzung der AGFK Sachsen-Anhalt wie folgt definiert: „Zweck der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Sachsen-Anhalt ist die systematische Förderung des Radverkehrs, um den Radverkehrsanteil im Alltags- und Freizeitverkehr zur Förderung des Umweltschutzes und der Gesundheit zu erhöhen, die Verkehrssicherheit für Rad Fahrende zu verbessern und den Fahrradtourismus als einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Sachsen-Anhalt zu stärken.“ Dem Beispiel anderer Arbeitsgemeinschaften folgend wird auch die Initiierung und Durchführung gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen und Kampagnen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Rad Fahrende zu den Aufgabenschwerpunkten der AGFK Sachsen-Anhalt gehören. Die Gründung der AGFK und die Einrichtung der Geschäftsstelle sollen bis Ende 2019 abgeschlossen sein.