Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/4029 28.02.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung.. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 01.03.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Katja Bahlmann (DIE LINKE) Abwanderung aus Ostdeutschland gestoppt - nur in Sachsen-Anhalt nicht Kleine Anfrage - KA 7/2326 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der Mitteldeutschen Zeitung vom 31. Januar 2019 war mit dem Titel „Die neuen Länder drehen den langjährigen Trend um und erzielen einen Wanderungsüberschuss . Für die Entwicklung gibt es etliche Gründe“ zu lesen, dass das Bundesamt für Bevölkerungswanderung (BiB) nach Berechnungen festgestellt hat, dass die fünf ostdeutschen Länder inkl. Berlin im Jahr 2017 einen Wanderungsgewinn verzeichnen konnten und den bisherigen Abwanderungstrend nach 30 Jahren umkehren konnten. Leider gehören Sachsen-Anhalt und Thüringen nicht zu den Gewinnern bei der West-Ost-Wanderung. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr 1. Welche Gründe sieht die Landesregierung darin, dass Sachsen-Anhalt nicht zu den Gewinnern in der West-Ost-Wanderungsbewegung zählt? 2. Welche Gründe sieht die Landesregierung darin, dass vor allem junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren weiterhin aus dem Osten abwandern ? Antwort zu 1. und 2. Nach Jahrzehnten der kontinuierlichen Abwanderung zahlreicher Menschen aus den ostdeutschen in die westdeutschen Bundesländer zeichnet sich mit den Ergebnissen aktueller Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungs- 2 forschung in Wiesbaden ein völlig neuer Trend ab. Erstmals wandern deutlich mehr Menschen von West nach Ost als umgekehrt. Dieser Trend erfasst nach bisherigen Erfahrungen zuerst die Metropolregionen und erst mit Verzögerung auch die stärker ländlich geprägten Gebiete der neuen Länder. Da Sachsen mit Dresden und Leipzig über zwei attraktive Metropolen verfügt, ist die Entwicklung günstiger als in den Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt. Ähnliches gilt für das Land Brandenburg, das seit vielen Jahren von der starken Anziehungskraft der Bundeshauptstadt Berlin profitiert, weil viele Berliner das preiswerte Umland Berlins als Wohnsitz suchen. Für Mecklenburg-Vorpommern kann vermutet werden, dass die außergewöhnlich hohe landschaftliche Attraktivität entlang der Ostseeküste für eine gewisse Zuwanderung sorgt. Für Sachsen-Anhalt kann festgestellt werden, dass die beiden Großstädte Magdeburg und Halle seit Jahren zu den sogenannten „Schwarmstädten“ zählen , die zahlreiche junge Menschen zum Studium oder zur Ausbildung in ihre Stadtmauern ziehen. Dennoch reicht diese Anziehungskraft noch nicht aus, um die immer noch vorhandenen Wanderungsverluste der ländlichen Räume Sachsen-Anhalts auszugleichen. Insgesamt verzeichnet jedoch auch Sachsen-Anhalt seit 2014 einen positiven Wanderungssaldo. Ausschlaggebend dafür ist die Zuwanderung aus dem Ausland . Die Wanderungszahlen mit den alten und einigen neuen Bundesländern, verbessern sich stetig. Der übergeordnete Trend der Wanderungsströme lässt erwarten, dass auch Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren stärker profitieren wird, da der Arbeitsmarkt immer aufnahmefähiger wird und Wohnungen sowie Wohneigentum ausreichend und insgesamt preiswert zur Verfügung stehen . 3. Mit viel Steuergeld werden junge Menschen an den Hochschulen des Landes ausgebildet? Seit Jahren suchen in kaum einem anderen Bundesland so viele Absolventen den Berufseinstieg außerhalb der Landesgrenzen . Mit welchen Maßnahmen gedenkt die Landesregierung, die Bleibequote der Absolventen im Bundesland zu steigern? Das Land Sachsen-Anhalt gab an Grundmitteln (laufende Ausgaben) für die Hochschulen und die beiden Standorte der Universitätsmedizin im Jahr 2017 insgesamt 567 Millionen Euro aus und 531 Millionen Euro im Jahr 2016. Pro Studierenden wurden 7.700 Euro im Jahr 2016 aufgewendet. (Quelle Bildungsfinanzbericht 2018). Bei den Grundmitteln (ohne Investitionsausgaben) handelt es sich um den Teil der Hochschulausgaben, den das Land aus eigenen Mitteln den Hochschulen für laufende Zwecke zur Verfügung stellt. 3 Hochschulausgaben Ist 2018 und Ansatz 2019 Hochschule Ist 2018 Ansatz 2019 0604 ‐ MLU 150.523.284 155.778.000 0606 ‐ Burg Giebichenstei 15.128.284 15.519.700 0611 ‐ OvG MD 94.096.102 97.012.700 0615 ‐ HS MD‐SDL 28.900.073 29.618.200 0616 ‐ Anhalt 37.525.952 38.459.700 0617 ‐ Harz 16.467.600 16.857.500 0618 ‐ Merseburg 20.499.341 20.989.100 Gesamt 363.140.636 374.234.900 Med. Fakultät 0605 Halle 70.574.016 69.913.500 0608 MD 62.317.288 61.745.600 Gesamt 132.891.304 131.659.100 HS+ Med. Fak 496.031.940 505.894.000 HS‐Pakt (Bund) 36.327.134 34.576.300 Die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat in den letzten Jahren verschiedenste Maßnahmen ergriffen, um die Bleibequote von Absolventen zu steigern. Grundsätzlich sind die zur Anwendung gebrachten Maßnahmen zur mittelbaren Verhinderung von Abwanderung bzw. der Generierung von Zuwanderung und zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu sehen. Die Demografiestrategie der Landesregierung benennt dazu in ihrem Handlungskonzept „Nachhaltige Bevölkerungspolitik 2017“ zahlreiche Maßnahmen und Projekte. Im Bereich Bildung wurden folgende Maßnahmen eingeleitet: Einführung eines onlinebasierten Bewerbungsverfahrens, kontinuierliche Überprüfung der Ausschreibungsmodalitäten (Öffnung der zugelassenen Qualifikationen, Formulierung der Bedarfe usw.), kontinuierliche Bewertung und Optimierung des Bewerbungs- und Auswahlprozesses , Einrichtung einer Servicestelle Lehrkräfteeinstellungen im Ministerium für Bildung zur Verbesserung der Kommunikation mit den Bewerberinnen und Bewerbern , Ermittlung des mittel- und längerfristigen Bedarfs durch eine Expertengruppe, Projekte mit Kommunen (als Schulträger). Im Bereich Gesundheit haben die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt und die weiteren Verantwortlichen im Gesundheitswesen bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen gegen Ärztemangel insbesondere auf dem Land eingeleitet, dazu gehören: die Einführung von Stipendien für angehende Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, 4 die Förderung von praktischen Studienzeiten in Landarztpraxen, die Gründung der „Allianz Allgemeinmedizin“ und die Einrichtung der „Klasse Allgemeinmedizin“ an der halleschen Martin- Luther-Universität. Im Bereich Hochschulen verfolgt das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung die Strategie der engen Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft. Im Umfeld der Hochschulen sind durch Ausgründungen renommierte Wissenschaftseinrichtungen mit attraktiven Arbeitsplätzen für hochqualifizierte Mitarbeitende entstanden. Die Landesregierung fördert mit der Landesgraduiertenförderung die Ausbildung exzellenter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler mit dem Ziel der Promotion mit 1,7 Mio. Euro jährlich . Dies bietet den Graduierten die Chance auf eine wissenschaftliche Karriere im Land. In der Novelle des Hochschulgesetzes ist beabsichtigt, Hochschulen unternehmerische Tätigkeiten zu erleichtern. Eine wichtige Maßnahme der Landesregierung, die Bleibequote der Medizinabsolvent -innen künftig zu erhöhen, ist die Einführung einer Landarztquote. Dazu hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Anhörung freigegeben. Er sieht vor, dass 5 Prozent der Medizinstudienplätze (= etwa 20 Studienplätze) für Bewerber reserviert werden, die sich verpflichten, nach ihrer Ausbildung im ländlichen Raum zu arbeiten. Möglich wurde dies dadurch, dass die Wissenschaftsministerien in der Stiftung für Hochschulzulassung beschlossen haben, diese Landarztquote in die Verordnung über die Zentrale Vergabe von Studienplätzen , und zwar in die Vorabquote für den besonderen öffentlichen Bedarf (analog zu den Sanitätsoffizieren der Bundeswehr), aufzunehmen. Im Rahmen des Landesprogrammes für ein geschlechtergerechtes Sachsen- Anhalt werden im Projekt „Women are Future“ Frauen aus Sachsen-Anhalt, die ein unternehmerisches oder sozial engagiertes Vorbild für die Region darstellen , ausgezeichnet. Auch Unternehmen, die dazu beitragen, junge Frauen bei der beruflichen Verwirklichung zu fördern, die Arbeitsplätze in der Region sichern und es Frauen gezielt ermöglichen in der Region zu bleiben, sollen durch diese Maßnahme Anerkennung erfahren. Die Landesregierung ist bestrebt , bei der Fortführung des Programms Maßnahmen zur Stärkung der sozialen Gerechtigkeit weiter voranzubringen. 4. Welche Strategien verfolgt das Land Sachsen-Anhalt, um ebenso wie Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einen positiven Saldo beim Zuzug von Menschen aus West nach Ost zu erreichen? 5. Welche Maßnahmen will die Landesregierung zukünftig ergreifen, um einen höheren Anteil der jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren im Land zu halten und damit der Abwanderung entgegenzuwirken? Antwort zu 4. und 5. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Strategie der Landesregierung ist festzustellen , dass der eingeschlagene Entwicklungspfad der neuen Länder insge- 5 samt und Sachsen-Anhalts im Besonderen Früchte trägt. Im Jahr 2017 wurde ein Gesamtwanderungsgewinn von 1.919 Personen verzeichnet. Die Statistik zeigt, dass sich der Wanderungsverlust bei der deutschen Bevölkerung von 5.848 Personen auf 3.307 Personen reduziert hat. Daraus lässt sich schließen, dass die Strategien und Maßnahmen wirken. Das Handlungskonzept „Nachhaltige Bevölkerungspolitik in Sachsen-Anhalt 2017“, das im Jahre 2017 durch die Landesregierung beschlossen wurde, zeigt die Maßnahmen zur Gestaltung des demografischen Wandels in den verschiedenen Politikbereichen auf. Einige Maßnahmen werden hier beispielhaft genannt: Strategien zur Stärkung des Technologie- und Wissenstransfers Durch die gezielte Ansprache und Akquirierung unternehmerisch begabter Studienanfänger /Innen aus ganz Deutschland und dem Ausland und ein entsprechendes Lehrangebot werden Studierende auch zu UnternehmerInnen herangebildet , die im Anschluss an ihr Studium in Wissenschaft und Wirtschaft neue Impulse setzen können. Beispielgebend ist das Projekt „Bootcamp für gründungswillige Start-ups“. Auf der Grundlage einer Vereinbarung zur Kooperation mit der Deutsch-Amerikanischen-Handelskammer (GACC) vom 07.06.2018 können ab 2020 bis zu sechs Start-ups, die von beiden Universitäten des Landes vorgeschlagen werden, an einem Start-ups-Trainingsprogramm in den USA teilnehmen. MINT-Strategie zur Gewinnung von mehr Studienanfänger/innen Im Rahmen der Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Hochschulbildung wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die den Anteil von Studienanfängern in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) steigern sollen. Einige Hochschulen und Unternehmen haben mit ausgewählten Schulen des Landes Junior-Ingenieur-Akademien gegründet, um frühzeitig das Interesse für naturwissenschaftliche Fächer zu fördern. Internationalisierungsstrategien der Hochschulen Um internationale Studierende zu gewinnen, entwickeln die akademischen Auslandsämter der Hochschulen Kooperationen mit regionalen Akteuren aus Wirtschaft und Politik. “Service Learning“ im Rahmen der Third Mission Hochschulen nehmen zunehmend weitere gesellschaftlich relevante Funktionen jenseits „klassischer" Forschung und Lehre wahr, die mit dem Begriff „Third Mission" beschrieben werden. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat mit Unterstützung der Freiwilligen-Agentur Halle das Projekt „Students meet Society“ entwickelt. Dabei erhalten gemeinnützige Organisationen Unterstützung bei der Realisierung von anspruchsvollen Projekten und können das Fachwissen, aber auch die interkulturellen Perspektiven der Studierenden gut nutzen. 6 Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt Mit dem 5. ÄndG zum KiFöG (Inkrafttreten zum 01.01.2019) hat Sachsen- Anhalt weitere Verbesserungen in der Kinderbetreuung geschaffen. Dazu gehören : Erhöhung des Landesanteils an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung. Entlastung der Eltern/Mehrkindermäßigung. Die Rolle der Gemeinden bei den Verhandlungen der Leistungs-, Entgeltund Qualitätsentwicklungsvereinbarung (LEV) wird gestärkt. Entlastung von Erzieherinnen und Erziehern. Ausfallzeiten für Fortbildung, Krankheit und Urlaub werden stärker berücksichtigt . Die staatlich geprüften Fachkräfte für Kindertageseinrichtungen („Kitaler“) werden im Gesetz als pädagogische Fachkräfte anerkannt. Förderung von Kitas mit besonderem Bedarf. Kindertageseinrichtungen in Vierteln mit besonderem Entwicklungsbedarf werden speziell gefördert. Dafür stellt das Land die Mittel für die Beschäftigung von 100 zusätzlichen pädagogischen Fachkräften (in VZÄ) zur Verfügung . Stärkung der Elternvertretungen. Staffelung der Betreuungsverträge. Landesinitiative Fachkraft im Fokus Die Landesinitiative Fachkraft im Fokus ist die zentrale Beratungs- und Netzwerkstruktur für die klein- und mittelständische Wirtschaft, die Unternehmen und Fachkräfte für demografisch bedingte Strukturveränderungen sensibilisiert. Lotsen gehen landesweit auf Unternehmen und Fachkräfte zu und beraten proaktiv zu betrieblichen und persönlichen Handlungspotenzialen. Ein wichtiges Instrument der Landesinitiative ist die Stellen- und Fachkräftebörse des Landes mit dem Schwerpunkt Beschäftigungsmöglichkeiten. Das WelcomeCenter fungiert dabei als erste Informations- und Beratungsstelle für Zuzugs- und Rückkehrinteressierte mit ihren Familien. Gesundheit und Pflege Im Zuge der Reform der Pflegeberufe (neue generalistische Ausbildung zur Pflegefachfrau/Pflegefachmann) soll die Zahl der Ausbildungsplätze in Sachsen -Anhalt um mehr als ein Viertel auf 4.500 erhöht werden. Landwirtschaft Im Bereich Landwirtschaft wurde ein Junglandwirteprogramm aufgelegt, aus dem erste Maßnahmen umgesetzt wurden. So werden junge Landwirtinnen und Landwirte unter 40 Jahren unter anderem finanziell bei der Gründung eines Landwirtschaftsbetriebes unterstützt. Innerhalb von 24 Monaten nach der Betriebsgründung kann ein Antrag auf Existenzgründungsbeihilfe gestellt werden, wenn Leistungen für ökologische Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz erbracht werden.