Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/4040 05.03.2019 Hinweis: Die Drucksache steht vollständig digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt erfolgen oder die gedruckte Form abgefordert werden. (Ausgegeben am 05.03.2019) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) Politische Gesinnungsabfrage am Martin-Luther-Gymnasium Eisleben Kleine Anfrage - KA 7/2320 Vorbemerkung des Fragestellenden: Im vergangenen Dezember führte das Martin-Luther-Gymnasium Eisleben eine schulinterne Umfrage im Rahmen des Projekts „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ durch. Schüler der 8. Klassen waren aufgefordert, Stellung zu polarisierenden Aussagen (bspw. „Ich finde es 'eklig', wenn sich homosexuelle Paare in der Öffentlichkeit küssen“ oder „Meiner Meinung nach unterwandern Flüchtlinge unsere Gesellschaft“) zu beziehen und hierfür ihre privaten Handys zu verwenden. Nach Kenntnis des Fragestellers wurden die Erziehungsberechtigten im Vorfeld jedoch nicht über Zweck und Ablauf der Meinungsabfrage informiert. Inzwischen wird die Sorge laut, dass sich die erhobenen Daten für Rückschlüsse auf die politische Gesinnung der Schüler und ihrer Elternhäuser verwenden lassen. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Zu welchen konkreten Aussagen mussten die Schüler im Rahmen der Umfrage Stellung beziehen? Welche sonstigen Fragen wurden gestellt? Antwort: Die Schülerinnen und Schüler waren nicht verpflichtet, an der Umfrage teilzunehmen. Die Teilnahme war freiwillig. Die durch die Schülerinnen und Schüler zu bewertenden 2 Aussagen bzw. zu beantwortenden Fragen sind dem Sachsen-Anhalt-Monitor 2018 „Polarisierung und Zusammenhalt“, welchen die Landeszentrale für politische Bildung in Auftrag gegeben hatte, entnommen. Neben den Auskünften zur besuchten Klassenstufe und zum Geschlecht konnten die Schülerinnen und Schüler zu den folgenden Aussagen bzw. Fragen Stellung beziehen: Wie zufrieden bist Du mit Deiner derzeitigen Lebenssituation? Was würdest Du allgemein zu der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, also zu unserem ganzen politischen System und seinem Funktionieren sagen, so wie es in der Verfassung festgelegt ist? Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Der Kapitalismus richtet die Welt zugrunde .“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Am besten funktioniert eine Wirtschaft, wenn sie zentral geplant und gesteuert wird.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Den Juden geht es heute vor allem darum , ihre finanziellen Vorteile aus der deutschen Vergangenheit zu ziehen.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Durch radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Wir sollten in der Bundesrepublik Deutschland eine sozialistische Ordnung wie in der DDR errichten.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung übertrieben worden.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Nur ein Zusammenschluss aller Unterdrückten dieser Welt führt zu einer besseren Gesellschaft.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Wie in der Natur sollte sich auch in der Gesellschaft der Stärkere durchsetzen.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Wir sollten einen Führer haben, der in Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Die Lebensbedingungen werden durch Reformen nicht besser - wir brauchen eine Revolution.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Generell kann man sagen, es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Es ist ekelhaft, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen.“ Positioniere Dich zur folgenden Aussage: „Für eine Frau sollte es wichtiger sein, ihrem Mann bei seiner Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen.“ Den Schülerinnen und Schülern stand folgender Katalog möglicher Antworten zu den vorgenannten Fragen bzw. Aussagen zum Ankreuzen zur Verfügung: stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils/teils stimme eher nicht zu stimme überhaupt nicht zu weiß nicht 3 Darüber hinaus gab es keine weiteren Fragen und Aussagen, die Bestandteil der Umfrage waren. Frage 2: Wer zeichnet für Entwurf und Durchführung der Umfrage verantwortlich? Wem sind die erhobenen Daten zugänglich? Antwort: Die Fragen 2 und 3 sollen gemeinsam beantwortet werden. Frage 3: Welchen konkreten Zwecken soll die Erhebung der abgefragten Daten dienen? Antwort: Planung und Durchführung der Umfrage sind Ergebnis der Schulprogrammarbeit am Martin-Luther-Gymnasium Eisleben. Das Martin-Luther-Gymnasium ist Träger des Titels „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Es ist integraler Bestandteil der Schulprogrammarbeit, Projekte zu entwickeln und durchzuführen, die auf die Entwicklung von Toleranz und Demokratieverständnis der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sind. Im Oktober 2018 brachte die Schulprogrammarbeitsgruppe der Schule eine Beschlussvorlage zur Gestaltung eines Projekttages im Rahmen der Arbeit zum Thema „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ in die Gesamtkonferenz ein. Damit die an einer Schule tätigen Lehrkräfte gemeinsam die Aufgabe, Bildungs- und Erziehungsziele in möglichst hoher Qualität umzusetzen, bewältigen können, benötigen sie eine gemeinsame Handlungsgrundlage. Hierzu bietet sich ein gemeinsam erarbeitetes Schulprogramm an. Es beschreibt die einzelnen Schritte des Weges zur Erreichung gemeinschaftlicher Ziele und macht diese zugleich bewusst. Die Gesamtverantwortung für das Schulprogramm und der aus ihm entwickelten Maßnahmen liegt gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA beim Schulleiter, wobei die Entscheidung für das Schulprogramm gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SchulG LSA der Gesamtkonferenz obliegt. Die Umfrage basiert auf einer soliden Methodik der Demokratieerziehung. Sie bezieht links- und rechtsextreme sowie menschengruppenbezogene extremistische Aussagen ein und erfasst das Vorhandensein extremistischer, nicht-demokratischer Stereotype innerhalb der Schülerschaft. Wissenschaftliche und inhaltliche Grundlage der Umfrage sind die Veröffentlichungen des Forschungsprojektes LIREX „Links- und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie der Sachsen-Anhalt-Monitor 2018 des Zentrums für Sozialforschung Halle e. V. an der Martin‐Luther‐Universität Halle‐Wittenberg. Die zur Behandlung stehenden Aussagen sind diesen beiden Veröffentlichungen direkt entnommen und wurden nur vereinzelt im Wortlaut im Sinne des besseren Verständnisses für ein jugendliches Publikum angepasst. Die Ergebnisse sind nur den mit der Schulprogrammarbeit beschäftigten Mitgliedern der Steuergruppe und der Schulleitung bekannt. 4 Zweck der Umfrage ist es, Kontroversen aufzuzeigen und zu diskutieren sowie die Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, sich selbst zu reflektieren und sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen. Frage 4 Auf welche Weise wurde sichergestellt, dass sich die elektronisch erhobenen Daten nicht auf einzelne Schüler zurückführen lassen? Antwort: Die Teilnahme an der Umfrage konnte durch die Schülerinnen und Schüler auf drei Wegen realisiert werden: durch Einloggen in ein zu diesem Zweck eingerichtetes Online-Portal (survio.com) mittels des eigenen Mobiltelefons, durch Nutzung des Schulcomputerkabinetts oder durch Ankreuzen auf einer entsprechenden Papiervorlage. Zur Einhaltung des Datenschutzes wird auf die Datenschutzerklärung des Betreibers des Online-Portals verwiesen. Survio.com erklärt darin, dass er selbst keinen Zutritt zu den Nutzerdaten erlangt und auch zu keinem Zeitpunkt Daten speichert. Alle Daten der Umfrage sind mit ihrem Abschluss gelöscht bzw. vernichtet worden. Frage 5 Durch welche sonstigen Maßnahmen wurden Sicherheit und Anonymität der erhobenen Daten gewährleistet? Wann werden die erhobenen Daten gelöscht? Antwort: Die anonyme Umfrage erfasste lediglich eine Altersgruppenzugehörigkeit (5. Bis 7. Klasse, 8./9. Klasse, 10. Bis 12. Klasse) und das Geschlecht der Teilnehmenden. Darüber hinaus wurden keinerlei personenbezogene Daten erhoben. Eine Zurückführung auf einzelne Schülerinnen und Schüler ist nicht möglich. Zur Durchführung wurde ein Umfrage-Tool auf dem Portal des Dienstleisters Survio (www.survio.com) benutzt. Um daran teilzunehmen, wählten sich die Schülerinnen und Schüler über einen Link ein. Laut ihrer Datenschutzrichtlinie speichert Survio keinerlei Daten von Umfrageteilnehmern . Seit Beendigung des Vertragsverhältnisses im Dezember 2018 sind alle Daten und Ergebnisse der Umfrage aus dem Survio-Portal gelöscht. Die nach Altersgruppen und Geschlecht dargestellten Ergebnisse der Umfrage sind den Mitgliedern der Schulprogrammarbeitsgruppe verfügbar. Sie fließen in die Schulentwicklungsarbeit ein und werden am Ende des laufenden Schuljahres gelöscht . Frage 6 Warum wurden die Eltern nicht vorab über Absicht und Ablauf der Umfrage in Kenntnis gesetzt? 5 Antwort: Der Schülerrat der Schule sowie der Vorsitzende des Schulelternrates wurden vorab von der Durchführung der Umfrage in Kenntnis gesetzt. Eine Abstimmung oder Information mit den Eltern der jeweiligen Schülerinnen und Schüler ist im Rahmen der Schulprogrammarbeit nicht geboten. Die Umfrage stellt die Frage nach einem Vorhandensein nicht-demokratischer Einstellungen unter den Schülerinnen und Schülern des Martin-Luther-Gymnasiums Eisleben in den Mittelpunkt. Diese Einstellungen sind in ihrer Art und Entstehung beeinflusst von einer Vielzahl von Sozialisationsinstanzen, von denen das Elternhaus nur einen Aspekt repräsentiert. Eine Verknüpfung extremistischer Ansichten, Stereotype und Vorurteile von Jugendlichen mit der politischen Gesinnung ihrer Eltern ist schon aus diesem Grunde nicht herzustellen und ist zudem für das Anliegen irrelevant. Vielmehr geht es darum, dass die Teilnehmer die einzelnen Aussagen der Umfrage gerade nicht unter dem Eindruck der Vorabbesprechung in verschiedenen Sozialisationsbereichen , sondern aus ihrer persönlichen Perspektive heraus bewerten.