Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/434 05.10.2016 (Ausgegeben am 05.10.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Bernhard Daldrup (CDU) Umsetzung und Entnahmen von Bibern Kleine Anfrage - KA 7/195 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Bestand des Elbebibers (Castor fiber albicus) hat sich in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren erhöht. Die zunehmende Ausbreitung und der Anstieg der Population des Bibers führt jedoch zu immer mehr Konflikten. So beschädigen Biber u. a. Hochwasserschutzanlagen, Verkehrswege, Fischteichanlagen oder auch land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen . Dazu kommen die steigenden Kosten durch Biberschäden und für das Konfliktmanagement . Eine steigende Zahl von Tieren soll demnach umgesetzt werden, allerdings wird von Schwierigkeiten hierbei berichtet. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Bezogen auf den Landkreis Wittenberg, wie viele Einzeltiere wurden in den vergangenen zehn Jahren an wie viele und welche Orte umgesetzt? Bitte nach Jahresscheiben auflisten inkl. 2016. Nach Angaben des Landkreises Wittenberg wurden folgende Umsiedlungen des Bibers von 2007 bis 2016 durchgeführt: 2 Jahr Anzahl Umsiedlungen Entnahmeort Umsiedlungsort 2007 1 Nudersdorf Rischebach Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt , Landesreferenzstelle Biberschutz, Schaugehege 2008 4 Krähebach (Grüntalmühle), Wiesigker Graben Verwaltung des Bezoekadres - Niederlande (Wiederansiedlungsprojekt in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium in Magdeburg) 2009 0 2010 0 2011 2 Oranienbaumer Park Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue im Bundesland Niedersachsen (Biberschaugehege) 5 Mühlanger (Biberfamilie ) Wiederansiedlungsprojekt in Dänemark Nordseeland 2012 0 2013 1 Bietegast freies Revier in Mühlanger 2014 2 Seegrehna, Hohenroda freies Revier in Mühlanger bei der Elbe 2015 0 2016 0 Gesamt : 15 2. Bezogen auf den Landkreis Wittenberg, welche Pläne existieren für die Umsetzung von Bibern in der Zukunft bzw. wie viele Einzeltiere sollen in den kommenden Jahren an welche Orte umgesetzt werden? Im Landkreis Wittenberg existieren keine Pläne für zukünftige Umsiedlungen von Bibern. 3. Vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass die Population des Bibers in Wittenberg/in Sachsen-Anhalt mittlerweile so groß ist, dass eine Bestandsregulierung infrage kommt, da ein entsprechender Erhaltungszustand gewährleistet ist? Wenn nein, bitte erklären, warum eine Bestandsregulierung abgelehnt wird und ab welcher Größe der Population eine Bestandsregulierung infrage kommt. Der Landkreis Wittenberg ist flächendeckend vom Biber besiedelt und der Biberbestand wird als stabil eingeschätzt. Eine Bestandsregulierung der Population des Bibers im Landkreis Wittenberg wird nicht in Betracht gezogen. Aufgrund der flächendeckenden Besiedlung erfolgt bereits eine artinterne Regulierung des Bestands auf der Grundlage intrinsischer Mechanismen. Diese sind gekennzeichnet durch intra-spezifische Konflikte infolge hoher Bestandsdichte, reduzierte Reproduktionsraten sowie eine räumliche und zeitliche Dynamik des Bestands infolge unzureichender Winternahrung. 3 Die Populationsentwicklung des Bibers in Deutschland, insbesondere auch in Sachsen-Anhalt, ist das Resultat gezielter Schutzmaßnahmen. Die Art hat mittlerweile große Teile ihres ehemaligen Verbreitungsgebietes wieder besiedelt. Eine Regulierung des Bestands wird nicht in Betracht gezogen, da sie in mehrfacher Hinsicht nicht zielführend wäre. Der Biber gestaltet seinen Lebensraum entsprechend seiner Bedürfnisse, dadurch kann es insbesondere an kleinen Fließgewässern zu Konflikten mit menschlichen Nutzungsinteressen kommen. Es gibt verschiedene, in der Praxis erprobte Möglichkeiten derartige Konflikte zu vermeiden bzw. deren Auswirkungen zu minimieren. Diese Maßnahmen werden in allen Landkreisen bei konfliktbehafteten Biberansiedlungen erfolgreich angewendet. Wenn die Anwendung solcher konfliktminimierenden Maßnahmen nachweislich nicht möglich ist, dann können im fachlich begründeten Einzelfall über eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung weiterführende Entscheidungen getroffen werden. Solche Maßnahmen dienen immer der konkreten Schadensabwehr, nicht der Bestandsregulierung. Die Erfahrungen aus dem langjährig praktizierten Fang von Bibern im Rahmen von Wiederansiedlungsprojekten in Sachsen-Anhalt zeigen, dass die frei gewordenen Reviere innerhalb kürzester Zeit wiederbesiedelt werden. Im Sinne der Konfliktminimierung müsste daher eine vollständige Entnahme aller Tiere einer Ansiedlung erfolgen. Dies wäre einerseits mit einem Aufwand verbunden, der personell und finanziell die Kosten des eigentlichen Konfliktes deutlich übersteigen kann. Andererseits wäre selbst ein solches Eingreifen nicht von dauerhaftem Erfolg. Ohne die Beseitigung der eigentlichen Konfliktsituation, z. B. durch Flächenentflechtung, würde die Entnahme von Bibern zu einer Daueraufgabe werden. Zudem wäre zu erwarten, dass durch eine wiederkehrende Entnahme von Bibern die artinternen Regulationsmechanismen außer Kraft gesetzt werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Biberpopulation auf eine Regulierung mit einer Erhöhung der Reproduktionsrate und einer verstärkten bzw. beschleunigten Wiederbesiedlung eigentlich geeigneter, aber infolge des menschlichen Eingriffs unbesetzter Reviere reagiert. Die Landkreise, in denen die meisten Bibervorkommen existieren, bestätigen diese Effekte aus der Praxis heraus. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Bestandsregulierungen (sowohl Entnahmen als auch Umsiedlungen) als nicht zielführend angesehen werden und als Maßnahme der nachhaltigen Konfliktlösung für die Zukunft ungeeignet sind. Prioritär wird eher die Erforderlichkeit von Entflechtungen räumlicher Überschneidungen von Nutzungsinteressen und Biberlebensräumen (z. B. Gewässerrandstreifen ) gesehen. 4. Plant die Landesregierung, von Artikel 16 FFH-Richtlinie Gebrauch zu machen und entsprechend „zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum“ von den Art. 12 bis 14 sowie Art. 15a und b abzu- 4 weichen und den Fang oder das Töten von Bibern in Ausnahmefällen zu genehmigen? Wenn nein, warum nicht? Ausnahmefälle erfolgen in Bezug auf eine konkrete Schadensabwehr im Einzelfall und sind grundsätzlich nicht planbar (Ausnahme siehe Antwort auf Frage 6 bzgl. Landkreis Anhalt-Bitterfeld 2016). In solchen Fällen wurden und können entsprechend begründete Genehmigungen erteilt werden. Ausschlaggebend nach Artikel 16 Abs. 1 FFH-RL i. V. m. § 45 Bundesnaturschutzgesetz ist die Anwendung des geringsten Mittels. Bisher waren konfliktminimierende Maßnahmen und die überschaubare Anzahl von Ausnahmegenehmigungen (siehe Antwort zur Frage 6) ausreichend für die Konfliktbewältigung . Für eine generelle Regelung, mit den Folgen des Artikels 16 Abs. 2 und 3 der FFH-Richtlinie, besteht keine Begründung und Veranlassung. 5. Vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass bestimmte Fachgesetze wie z. B. das Landeswaldgesetz oder das Wasserhaushaltsgesetz höherrangig zu werten sind als das Naturschutzgesetz gelten oder umgekehrt ? Landesgesetze stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander und stehen sachbezogen über bestimmte Regelungen miteinander in Beziehung. Die Artenschutzregelungen sind direkt geltendes Recht des Bundesnaturschutzgesetzes und nur mit den dort definierten Regelungen umsetzbar. 6. Wie viele Biber wurden seit 2010 jährlich in Sachsen-Anhalt umgesetzt und wie viele wurden tatsächlich entnommen? Bitte in Jahresscheiben und nach Landkreisen getrennt auflisten. Umsetzung von Bibern Landkreis/ kreisfreie Stadt 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anhalt- Bitterfeld 11 * 3* 0 0 0 3 (1 Familie mit 2 ad. und 1 juv.) bislang 0 (geplant 1 Familie)** Bördekreis 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Burgenlandkreis 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Dessau 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Halle 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Harzkreis 0 0 1 1 0 0 bislang 0 Jerichower Land 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Magdeburg 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Mansfeld- Südharz 0 0 0 0 0 0 bislang 0 5 Salzwedel 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Stendal 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Saalekreis 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Salzlandkreis 0 0 0 0 0 0 bislang 0 Wittenberg 0 7 (davon 5*) 0 1 2 0 bislang 0 Summe LK jahresweise 11 10 1 2 2 3 bislang 0 Summe 2010- 2016 29 *für Wiederansiedlungsprojekt in Dänemark **Im Rahmen eines Deichbauprojektes wird im Herbst 2016 die Umsiedlung einer Biberfamilie erforderlich . Die dargestellte Entnahme von Bibern aus der Natur erfolgte nicht aus Gründen der Bestandsregulierung. Durch den Landkreis Jerichower Land wurden während des Hochwassers 2013 aus Gründen der Gefahrenabwehr Genehmigungen für Abschüsse von Bibern erteilt und in Folge dessen insgesamt 7 Biber getötet. 7. Zum Runderlass des MLU aus 2015 „Umgang mit Bibern und Konfliktminimierung “. a) Plant die Landesregierung diesen Erlass zu überarbeiten? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? b) Gibt es Planungen, den Fang und die Tötung von Bibern entsprechend der in Brandenburg geltenden Biber-Verordnung (Brandenburgische Biberverordnung - BbgBiberV) über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Biber auch in Sachsen-Anhalt zu übernehmen ? Wenn nein, warum nicht? zu a) Vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie werden derzeit „Handlungsempfehlungen für den Umgang mit dem Biber in Sachsen-Anhalt“ erarbeitet. Diese richten sich primär an die Vollzugsbehörden und sind zudem als ergänzende fachliche Erläuterungen zum Runderlass des MLU „Umgang mit Bibern zur Konfliktminimierung“ zu sehen. Sie beinhalten: - die Benennung der Grundsätze des Bibermanagements, - die Benennung der Akteure im Bibermanagement und deren Aufgaben, - Handlungsempfehlungen für die Umsetzung des Bibermanagements. Eine Veröffentlichung ist bis Ende 2016 vorgesehen. zu b) Eine Übernahme für Sachsen-Anhalt ist nicht vorgesehen. Die Brandenburgische Biberverordnung (BbgBiberV) ist mit erheblichen rechtlichen Problemen behaftet. Das VG Frankfurt (Oder) und OVG Berlin-Brandenburg hat dem NABU Brandenburg mit den Beschlüssen Az. VG 5 L 289.14 bzw. 6 OVG 11 S 3.15 darin Recht gegeben, dass artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen , die in weiten Teilen des Oderbruchs das Fangen und das Töten von Bibern sowie die Zerstörung ihrer Bauten ermöglicht haben, vorerst nicht vollzogen werden dürfen, da keine Regelungen zum Umgang mit den jeweiligen konkreten Einzelfällen seitens der zuständigen Behörde getroffen wurden, u. a. hinsichtlich Alternativbewertungen.