Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/445 07.10.2016 (Ausgegeben am 07.10.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ralf Geisthardt (CDU) Medikamentenversorgung von Krebspatienten Kleine Anfrage - KA 7/204 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der „Welt am Sonntag“ vom 21. August 2016, Seite 36 wurde berichtet, dass die Krankenkassen aus Einspargründen vom Prinzip der Vertrauensapotheken zugunsten des billigsten Anbieters abgehen. Dadurch kommt es zu Lieferengpässen, nicht rechtzeitig gelieferten Medikamenten oder gar zur Unterbrechung der Behandlung krebskranker Patienten. Ausdrücklich genannt sind die AOK, DAK, Knappschaft und diverse BKK. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Vorbemerkung: Die Abgabe von Arzneimitteln über die Apotheken ist in § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geregelt. Absatz 5 Satz 3 erlaubt den Krankenkassen die Versorgung mit bestimmten Präparaten in der Onkologie durch Verträge mit Apotheken sicher zu stellen; dabei können Abschläge auf die ansonsten geltenden Preise vereinbart werden. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 25. November 2015 entschieden, dass die Krankenkassen aufgrund dieser Vorschrift berechtigt sind, zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven exklusive Verträge mit einzelnen Apotheken zu schließen. Solche nach einer Ausschreibung vergebenen Versorgungsverträge über Zytostatikazubereitungen (Chemotherapie-Infusionen), die zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten und Patientinnen direkt an die ärztliche Praxis geliefert werden, schließen alle anderen Apotheken von der Versorgungsberechtigung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Denn die Krankenkassen können Abschläge auf die ansonsten geltenden Preise nur realisieren, wenn sie im Gegenzug die Abnahme bestimmter Mengen zusagen können. Deshalb gehört eine 2 zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen zu den Essentialia eines entsprechenden Vertrages. 1. Hat die Landesregierung Kenntnis von der o. g. Veränderung der Medikamentenversorgung für Krebspatienten in Sachsen-Anhalt? Der Landesregierung liegt derzeit keine Kenntnis von der o. g. Veränderung der Medikamentenversorgung für Krebspatienten in Sachsen-Anhalt vor. Die landesunmittelbare Krankenkasse, die AOK Sachsen-Anhalt - Die Gesundheitskasse (AOK) hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie keine Ausschreibung von Zytostatikazubereitungen vorgenommen habe und diese derzeit auch nicht plane. Die bundesunmittelbare Krankenkasse, Knappschaft Bahn See hat mitgeteilt, dass sie bislang in Sachsen-Anhalt noch keine Ausschreibung von Zytostatikazubereitungen vorgenommen habe. Dennoch würde sich im Falle einer Ausschreibung keine Veränderung in der Versorgung von schwer- und schwerstkranken Patienten und Patientinnen ergeben. Die IKK gesund plus teilt mit, dass sie u. a. mit einer anderen bundesunmittelbaren Krankenkasse an einer bundesweiten Ausschreibung von Zytostatikazubereitungen beteiligt sei. Diese Ausschreibung folge nach einem Prinzip, dass sich seit 2010 bewährt habe. Im Rahmen der Ausschreibung würden Standards, wie verpflichtende maximale Lieferzeiten, Ad-Hoc-Lieferungen, die Verpflichtung zur Abstimmung zwischen Apotheke und Onkologen sowie die Ausgabe eines Informationsblattes für die Patientinnen und Patienten zur Aufklärung über mögliche Risiken und Nebenwirkungen vertraglich festgelegt werden. 2. Wenn nicht, wird die Landesregierung im Wege des allgemeinen Auftrages , Schaden vom Volk abzuwenden, die Kassen befragen? § 71 Abs. 4 SGB V regelt die Vorlagepflicht der gesetzlichen Krankenkassen von Vereinbarungen über die Vergütung von bestimmten Leistungen gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde. Die Vorlagepflicht von Verträgen über die Arzneimittelversorgung beinhaltet die Rechtsvorschrift jedoch nicht. Damit sind die Verträge gemäß § 129 SGB V nicht gegenüber der Aufsichtsbehörde vorlagepflichtig. Die aufsichtsrechtlich unterstehenden Institutionen haben jedoch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde alle Unterlagen vorzulegen und alle Auskünfte zu erteilen (§ 88 Abs. 2 SGB IV). Das Ministerium für Arbeit , Soziales und Integration nimmt gemäß § 90 Absatz 2 SGB IV nur die Aufsicht über die landesunmittelbare Krankenkasse, die AOK, wahr. Die Landesregierung hat daher auch nur gegenüber der AOK einen Auskunftsanspruch . Wie in der Antwort zu Frage 1 dargestellt, ist die Befragung bereits erfolgt. Die übrigen dort genannten Kassen haben auf freiwilliger Basis geantwortet. 3 3. Wenn sich die im Artikel beschriebenen Probleme auch in Sachsen-Anhalt auftun, was gedenkt die Landesregierung konkret zu tun, um krebskranken Patienten eine optimale Versorgung zu ermöglichen? Ob die beschriebenen Befürchtungen eintreten, bleibt abzuwarten. Soweit sich die gesetzlichen Krankenkassen an die geltende Rechtslage halten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine angemessene Versorgung der Patientinnen und Patienten erfolgt. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hat dennoch auf der letzten Gesundheitsministerkonferenz einen Beschluss unterstützt, mit dem das Bundesgesundheitsministerium gebeten wird zu prüfen, ob solche Exklusivverträge die bewährte , flächendeckende, qualitativ hochwertige und zugleich flexible, zeit- und ortsnahe Versorgung mit individuellen Zytostatikazubereitungen gefährden. Außerdem soll geprüft werden, ob zur Begrenzung der erheblichen Ausgabensteigerungen bei parenteralen Zubereitungen andere Instrumente als Exklusivverträge nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V gesetzlich geregelt werden müssen. Ziel muss sein, dass eine qualitätsgerechte und patientennahe ambulante Versorgung der Versicherten mit individuell hergestellten sterilen Arzneimitteln in der Fläche erhalten bleibt.