Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/556 11.11.2016 Hinweis: Die Anlage ist als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick im Netz den Acrobat Reader. (Ausgegeben am 15.11.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Ulrich Siegmund (AfD) Informationen über die Sicherheitsauflagen von Volksfesten in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/278 Vorbemerkung des Fragestellenden: Beim alljährlich stattfindenden Burgfest in der Hansestadt Tangermünde (Elbe) wurde seitens der Stadtverwaltung kolportiert, dass sich die notwendigen Kosten für Sicherheitsdienstleistungen bzgl. einer etwaigen Terrorabwehr im Jahr 2016 vervielfacht haben. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Auflagen für öffentliche Veranstaltungen seit 2011 bzgl. Sicherheit verändert? Aufgrund der Vielfältigkeit von denkbaren Veranstaltungen ist eine pauschale Darstellung einer möglichen Veränderung behördlicher Auflagen bei Veranstaltungen nicht möglich. Zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit sind immer intensive Vorabstimmungen mit den Veranstaltern erforderlich. Soweit der Veranstalter erforderliche Sicherheitsmaßnahmen zusichert, sind behördliche Entscheidungen bzw. Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten (Auflagen) zumeist entbehrlich. Grundlage behördlicher Entscheidung zu Veranstaltungen sind einzelfallbezogene Gefahrenprognosen. Diese berücksichtigen insbesondere Erfahrungen der Vorjahre oder von ähnlichen Veranstaltungen sowie das zu erwartende Besucher - und Verkehrsaufkommen. Die Sicherheitsauflagen werden je nach Art, 2 Ort, Zeit und den Gegebenheiten der jeweiligen angezeigten Veranstaltung, dem Veranstalter sowie der erwarteten Besucherzahl ausgerichtet und stets aktuell angepasst. Auch die Qualität eines von einem Veranstalter vorgelegten Sicherheitskonzeptes beeinflusst den Umfang von möglichen Auflagen. Zur Vermeidung von Gefahren gehören zu den allgemeinen Sicherheitsauflagen u. a. grundsätzliche Vorkehrungen bzw. Abstimmungen zwischen der Gemeinde bzw. Verbandsgemeinde, dem Landkreis und der Polizei hinsichtlich der Freihaltung von Rettungswegen, Straßensperrungen, Auszeichnung von Fluchtmöglichkeiten, der Abwehr von Brandmöglichkeiten, Einflussnahme auf das Parkverhalten, Einsatz von ausreichendem Sicherheitspersonal, der Einhaltung von Hygiene- und Gesundheitsvorschriften, Jugendschutzrecht, Immissionsschutzrecht , Verkehrsrecht sowie der gaststätten- und gewerberechtlichen Bestimmungen. In der jüngeren Vergangenheit wurde den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der eingesetzten Sicherheitskräfte mehr Beachtung eingeräumt, sodass bei größeren Veranstaltungen vermehrt Sicherheitsfirmen anstatt ehrenamtlicher Ordner bzw. Sicherheitskräfte zum Einsatz kamen. Besonderes Augenmerk lag hierbei auch auf der Festlegung der Aufgaben des Sicherheitsdienstes sowie der Anzahl geeigneter Sicherheitskräfte, die für jeden Veranstaltungsteilnehmer auch erkennbar und präsent sein sollen. Sicherheitskräfte haben im Bedarfsfall - im Rahmen der ihnen rechtlich zustehenden Befugnisse - auch Taschenkontrollen durchgeführt und Verbote über das Mitführen größerer Taschen und Rucksäcke durchgesetzt. Auch die vorherige Festlegung von Verantwortlichkeiten und Kommunikationswegen bei bestimmten Gefahrenlagen, die ein schnelles Eingreifen des Veranstalters ermöglichen, hat an Bedeutung gewonnen. Mit Veröffentlichung des Leitfadens für die kommunale Praxis - Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen - im Jahr 2012 und dessen strikter Anwendung wurde eine Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns bei der Durchführung von Großveranstaltungen erzielt. 2. Aus welchen Gründen wurde eine Veränderung notwendig? Insbesondere aufgrund des Unglücks anlässlich der Loveparade in Duisburg hat das Ministerium für Inneres und Sport im Rahmen eines Projekttages im Mai 2012 mit Fachleuten, Vertretern der Kommunen und der Landesverwaltung erörtert, wie durch eine sorgfältige organisatorische Koordinierung und Zusammenarbeit bereits im Vorfeld ein reibungsloser und unfallfreier Ablauf von Großveranstaltungen gewährleistet werden kann. Ein wesentliches Ergebnis dieses Projekttages ist der Leitfaden für die kommunale Praxis zu Sicherheitskonzepten für Großveranstaltungen, der seit 2012 zur Anwendung kommt. Danach wird für entsprechende Veranstaltungen regelmäßig die Aufstellung eines Sicherheitskonzeptes vom Veranstalter gefordert. Der Leitfaden berücksichtigt insbesondere auch die nationale Sicherheitslage, immer häufiger auftretende extreme Witterungserscheinungen sowie die steigende Gewaltbereitschaft von Veranstaltungsteilnehmern bei bestimmten Arten von Veranstaltungen. 3 3. Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Gefährdungslage öffentlicher Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt ein? Das Thema islamistischer Terroranschläge steht nach wie vor nicht nur im Fokus der Medien, sondern auch der Arbeit der Polizei und der Sicherheitsbehörden , bundesweit wie auch in Sachsen-Anhalt. Die Bundessicherheitsbehörden gehen seit geraumer Zeit davon aus, dass auch Deutschland im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Täter und Gruppierungen liegt. Dadurch besteht eine hohe abstrakte Gefährdung, die sich jederzeit auch in Form von Anschlägen konkretisieren kann. Die jüngsten Ereignisse fügen sich insoweit in die gegenwärtigen Gefährdungsbewertungen ein. Vor diesem Hintergrund ist auch für entsprechende öffentliche Veranstaltungen mit größerem Publikumsverkehr von einer abstrakten Gefährdung auszugehen . Hinsichtlich der Gefährdung durch den Islamismus ist Sachsen-Anhalt grundsätzlich wie alle anderen Bundesländer betroffen. Festzustellen ist allerdings, dass das hier zu verzeichnende islamistische Personenpotenzial erheblich geringer als insbesondere in den westlichen Bundesländern ausfällt. Die größte Gefahr dürfte aktuell von radikalisierten Einzelpersonen ausgehen, die sich von islamistischer Propaganda zu Aktionen berufen fühlen. Insofern kann nie von einer hundertprozentigen Sicherheit ausgegangen werden. 4. Welche Faktoren führten zu einer Veränderung der Sicherheitslage bezogen auf die vergangenen 3 bis 4 Jahre? Der islamistische Terrorismus stellt seit Jahren eine Bedrohung für viele Länder der Welt, Europas aber auch für Deutschland dar. Die abstrakte Gefährdung ist spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf einem hohen Niveau . Die Anschläge in Madrid (März 2004) und London (Juli 2005) vor über zehn Jahren und auch die sog. Kofferbomber (Regionalbahn von Aachen nach Hamm und Mönchengladbach nach Koblenz im Juli 2006) oder die sog. Sauerlandgruppe (Festnahme im September 2007) unterstreichen dies. Seit dem Jahr 2006 haben die deutschen Sicherheitsbehörden noch weitere islamistisch motivierte Anschläge, die vermutlich ein größeres Ausmaß gehabt hätten, verhindern können. Die Sicherheitslage in Deutschland und Europa lässt in den vergangenen drei bis vier Jahren Veränderungen nur insoweit erkennen, dass Qualität und Umfang der Bedrohungsszenarien punktuell neue Qualitäten erreicht haben. Durch angemessene Reaktionen der Sicherheitsbehörden kann die Lage insgesamt jedoch als stabil eingeschätzt werden. 5. Wie setzen sich konkret die Kosten des Burgfestes in Tangermünde für Sicherheit zusammen, wie hoch waren diese in den vergangenen Jahren inkl. 2016 (seit 2011)? Die Kostenentwicklung für das Burgfest in der Stadt Tangermünde ist in der Anlage dargestellt. Die Kosten für Wachschutz- und Sicherheitsleistungen enthalten auch den Einsatz der Feuerwehr zur Gestellung der Brandsicherheitswache während der Veranstaltung. Die Kostensteigerung im Jahr 2016 im Vergleich zu 4 2015 ist dem Umstand geschuldet, dass mehr Sicherheitspersonal eingesetzt wurde und ein größeres Feuerwerk als in den Vorjahren stattfand, welches seitens der Feuerwehr abgesichert werden musste. 6. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Gefährdungslage (falls vorhanden) zu reduzieren und somit die notwendigen Ausgaben für die Absicherung von Volksfesten zu begrenzen? Die Landesregierung kann die Gefährdungslage nicht reduzieren, da diese von Faktoren abhängig ist, die durch die Landesregierung nur mittelbar oder gar nicht zu beeinflussen ist. Sie kann lediglich auf die vorhandene Gefährdungslage mit entsprechenden Maßnahmen reagieren. So sind die Polizeibehörden und -einrichtungen bereits aufgrund der aktuellen Ereignisse u. a. in Bayern im Juli 2016 noch einmal eingehend für die nach wie vor angespannte abstrakte Gefährdungslage sensibilisiert und insbesondere beauftragt worden, mit Externen (z. B. Veranstaltern von Großveranstaltungen, Betreiber des ÖPNV und Einkaufszentren, Kommunen, Landkreisen, Justiz usw.) Kontakt herzustellen und sich hinsichtlich der Konsequenzen aus der Sicherheitslage abzustimmen bzw. hierzu zu beraten. Eine Vielzahl dieser Gespräche haben auch schon vor den tragischen Ereignissen Ende Juli 2016 stattgefunden. Darüber hinaus ist es gesetzlicher Auftrag der Polizei, aber auch der allgemeinen Sicherheitsbehörden, aktuelle Lageentwicklungen auszuwerten und die entsprechenden Handlungserfordernisse daraus abzuleiten. Hierzu stehen die zuständigen Landesbehörden im stetigen Kontakt untereinander, aber auch mit Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer bzw. des Bundes. Zudem sind die zuständigen örtlichen Sicherheitsbehörden bzw. das Landesverwaltungsamt gehalten, auf die Einhaltung des vom Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2012 herausgegebenen Leitfadens für die Planung und Durchführung von Großveranstaltungen durch den Veranstalter hinzuwirken. Bei entsprechender Lagebeurteilung werden die Veranstalter beispielsweise die Präsenz der Sicherheitsdienste erhöhen oder andere geeignete Maßnahmen wie z. B. die Durchsuchung von mitgebrachten Gegenständen vor dem Eintritt durchführen. Lageangepasst wird auch die Polizei erforderlichenfalls ihre Präsenz erhöhen. Die Landesregierung hat auf die geänderte Sicherheitslage bereits auf verschiedenen Ebenen reagiert. Neben der temporären Einführungen der Hilfsbzw . Wachpolizei gehört hierzu die spürbare personelle Aufstockung der Landespolizei insgesamt. Darüber hinaus ist eine kurzfristige deutliche Verbesserung der polizeilichen Schutzausstattung und Bewaffnung geplant bzw. bereits umgesetzt. Übersicht über die Kostenentwicklung für die Sicherheit des Burgfestes in der Stadt Tangermünde Die sicherheitsrelevanten Kosten für das Burgfest bestehen aus den Kosten für: 1. Wachschutz- und Sicherheitsdienstleistungen 2. Sanitätsdienstleistungen 3. Beschilderung gemäß verkehrsrechtlicher Anordnung 4. Kosten aus der Umsetzung des Sicherheitskonzeptes (ab 2012) 5. Prüfung der Trinkwasserqualität (ab 2013) Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Kosten 1 2.683,31 € 3.819,90 € 4.921,84 € 5.274,68 € 5.078,62 € 9.975,77 € 2 410,55 € 979,00 € 2.110,20 € 1.864,50 € 3.087,40 € 3.279,60 € 3 1.713,48 € 1.713,48 € 1.931,97 € 1.921,85 € 2.023,00 € 2.142,00 € 4 2.266,95 € 1.024,59 € 1.207,85 € 5 261,80 € 1.398,25 € 216,45 € 123,05 € Gesamt 4.807,34 € 8.779,33 € 9.225,81 € 11.483,87 € 10.405,47 € 16.728,27 €