Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/627 22.11.2016 (Ausgegeben am 24.11.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Tobias Rausch (AfD) Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen der Landesregierung für Hartz-IV- Empfänger und Leiharbeiter Kleine Anfrage - KA 7/320 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration Vorbemerkung: Die Gestaltung der Arbeitsmarktförderung mittels arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen liegt vorrangig in der Verantwortung des Bundes. Dessen aktive Arbeitsmarktpolitik konzentriert sich auf die Beeinflussung des Ausmaßes und die Struktur von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Die zugehörigen Maßnahmen zielen vorrangig darauf ab, Arbeitssuchende bei der Aufnahme einer neuen Beschäftigung zu unterstützen. Deren Beschäftigungsfähigkeit soll verbessert werden, um entweder eine (Re-)Integration in eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen oder wenigstens ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe durch geförderte Beschäftigung sicherzustellen. Der Schwerpunkt liegt auf Personengruppen, die ohne Hilfe keine oder nur erschwert eine Beschäftigung finden können. Das betrifft vor allem Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, jüngere oder ältere Arbeitslose, Alleinerziehende und Schwerbehinderte. Erfasst werden die Bereiche Beratung sowie Ausbildungs - und Arbeitsvermittlung, Qualifizierung, beschäftigungsbegleitende und -schaffende Maßnahmen sowie die Förderung der Selbstständigkeit. Die Umsetzung dieser Eingliederungsleistungen erfolgt durch die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter. Bund und Länder stehen regelmäßig in Kontakt, um die arbeitsmarktpolitischen Instrumente des Bundes weiterzuentwickeln. Das Land wiederum setzt mit eigenen Maßnahmen kohärenzbedingt dort an, wo die Leistungen des Bundes aufgrund regionaler Besonderheiten nicht ausreichend passgenau sind - somit an bestehende Lücken, die es zu schließen gilt. Hier geht es um ergänzende Programme, Maßnahmen und Instrumente, mit deren Hilfe strukturellen Problemen gerade des sachsen-anhaltischen Arbeitsmarkts entgegengewirkt, Benachteiligungen 2 im Beschäftigungssystem und im Erwerbsleben abgebaut und die Entwicklung attraktiver Beschäftigungsperspektiven unterstützt werden sollen. Weder die einzelne konkrete noch die Gesamtzahl der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sagt etwas über die Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Instrumente aus. Teilnehmerinnen und Teilnehmer solcher Maßnahmen aus dem SGB III benötigen unter Umständen nur kurzzeitige Unterstützung, um ihre Kenntnisse und Fertigkeiten an die Arbeitsmarkterfordernisse anzupassen. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die häufig langzeitarbeitslos sind, benötigen hingegen intensivere Förderungen und eine Vielzahl aufeinander aufbauender Maßnahmen, um an den Arbeitsmarkt herangeführt zu werden (längere Weiterbildungsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten , Förderungen von Arbeitsverhältnissen usw.). Am Ende bemisst sich der Erfolg all dessen an der Qualitätsarbeit der Jobcenter, die mit den vorhandenen Ressourcen und gegebenen Rahmenbedingungen, geprägt von Kundenstruktur und regionaler Arbeitsmarksituation, die erarbeiteten Chancen auch zur Verwirklichung bringen sollen. Bezogen auf die in der Anfrage verwendete Terminologie wird darauf hingewiesen, dass der umgangssprachlich verwendete Begriff „Hartz IV“ bei der Beantwortung als „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zu verstehen ist. 1. Welche konkreten Maßnahmen wurden/werden von der Landesregierung bzw. den zuständigen Ministerien ergriffen, um Erwerbslose im Hartz IV- Bezug für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu vermitteln? Um die berufliche Integration von bestimmten, am Arbeitsmarkt benachteiligten Personen zu unterstützen, wurde die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für die Vermeidung beruflicher und gesellschaftlicher Ausgrenzung sowie für die individuelle berufliche und soziale Wiedereingliederung von arbeitslosen Personen aufgelegt. Sie speist sich aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt nach der Richtlinie „Zielgruppenund Beschäftigungsförderung“ (MBl. LSA 2015, S. 407; 2016, S. 196). Die darauf bezogene Förderung wendet sich hauptsächlich an Arbeitslose, die Arbeitslosengeld II beziehen und umfasst folgende Förderprogramme: Aktive Eingliederung Zielgruppen der Förderung sind am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen, die mit Hilfe der Förderangebote nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) nicht mehr erreicht werden können. Sie haben einen besonderen Unterstützungsbedarf bei der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt oder in Ausbildung. Durch längerfristige individuelle, lösungsorientierte Begleitung soll eine Integration erreicht werden. Die Projekte beinhalten umfassende Angebote zur Aktivierung, persönlichen Stabilisierung und Qualifizierung sowie nachhaltigen beruflichen Eingliederung. Familien stärken - Perspektiven eröffnen Das Programm richtet sich an Familienbedarfsgemeinschaften aus dem Rechtskreis des SGB II mit mindestens einem Kind im Haushalt. Voraussetzung 3 für die Aufnahme in das Projekt ist, dass beide Partner arbeitslos und ein Partner jünger als 35 Jahre oder eine alleinerziehende Person arbeitslos und jünger als 35 Jahre ist. Es wird dabei ein umfassender Ansatz aktivierender Arbeitsmarkt - und Sozialpolitik verfolgt: o „Familien stärken“, insbesondere durch Analyse familiärer und individueller Problemlagen und Entwicklung von Lösungsansätzen gemeinsam mit den Familien, der Nutzung vorhandener Unterstützungsangebote, z. B. kommunaler , darunter der Familien- und Erziehungshilfe. Die Betreuung der Familie erstreckt sich bis in die Phase der beruflichen Erprobung in den Unternehmen . o „Perspektiven eröffnen“, insbesondere durch Unterstützung bei der Entwicklung (neuer) beruflicher Perspektiven. Es geht dabei um den Abbau von Vermittlungshemmnissen sowie die Schaffung von Voraussetzungen für die Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Dazu gehören die Einbeziehung von Arbeitsmarktakteuren (Jobcenter, Unternehmen) und die Schaffung von Möglichkeiten der beruflichen Erprobung und Beschäftigung. Der hier zum Einsatz kommende Familienintegrationscoach ist Moderator, Koordinator, Vermittler , Berater und Lotse in einem. STABIL (Selbstfindung - Training - Anleitung - Betreuung - Initiative - Lernen) Das Programm richtet sich an förderbedürftige junge Menschen unter 25 Jahren (in Einzelfällen bis zu 30 Jahren) ohne Berufsabschluss, die arbeitslos sind und bei denen bestehende Förderangebote nicht mehr greifen. STABIL basiert auf dem pädagogischen Modell des Lernens unter produktiven, betriebsnahen Bedingungen (Arbeitsort = Lernort). Die Zielstellung liegt in dem Erreichen der Bildungs - und Beschäftigungsfähigkeit, sodass die Jugendlichen schließlich in geeignete weiterführende Maßnahmen, in Ausbildung oder Beschäftigung integriert werden können. Gesellschaftliche Teilhabe: Jobperspektive 58+ Die Zielgruppe bilden langzeitarbeitslose Menschen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben. Sie müssen im Rechtskreis SGB II betreut werden, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beziehen sowie nur geringe Chancen auf Integration in reguläre Arbeit haben. Im Programm werden Zuschüsse für längerfristige , zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen (öffentlich geförderte Beschäftigungen) an ausgewählte Projekte der Landkreise und kreisfreien Städte gewährt. 2. Welche konkreten Maßnahmen wurden/werden von der Landesregierung bzw. den zuständigen Ministerien ergriffen, um Erwerbstätige in Hartz IV- Bezug (Aufstocker) in ausreichend entlohnte Arbeitsverhältnisse zu vermitteln , sodass ein weiterer Hartz IV-Bezug nicht mehr notwendig ist? Der ergänzende Bezug von Arbeitslosengeld II trotz Beschäftigung kann viele Ursachen haben. Befinden sich beispielsweise mehrere Kinder in der Bedarfsgemeinschaft , die in der Regel außer dem (nicht bedarfsdeckenden) Kindergeld kein eigenes Einkommen oder Vermögen zur eigenen Bedarfsdeckung beisteuern können, so verringert dies die Chance auf eine Bedarfsdeckung der Bedarfsgemeinschaft insgesamt bereits erheblich. Dies gilt selbst dann, wenn die 4 Eltern ein Erwerbseinkommen in durchschnittlicher Höhe erzielen. Bei einem alleinerziehenden Elternteil, dem naturgemäß höchstens ein (Erwerbs-)Einkommen zur Verfügung steht, verschärft sich diese Problematik nochmals deutlich . Auf Bedarfsgemeinschaften, in denen nur einer der Partner erwerbstätig ist, trifft Vergleichbares zu. Ebenfalls als Ursache des aufstockenden Leistungsbezugs kommt eine reduzierte Arbeitszeit in Betracht. Dafür kann es zwingende Gründe geben. Dazu gehören eine eingeschränkte gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Erfordernisse bei der Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen. Das alles sind Konstellationen , in denen die Ursache des Leistungsbezugs nicht im geringen Stundenlohn der erwerbstätigen Person, sondern in meist persönlichen Umständen zu sehen ist, auf die nur sehr begrenzt Einfluss genommen werden kann. Aufgrund dieser Vielzahl denkbarer Konstellationen ist die Suche nach einer passgenauen Lösung im Einzelfall daher sachgerecht den persönlichen Ansprechpartnerinnen und -partnern in den Jobcentern vorbehalten. Soweit eine Ursache für den ergänzenden Leistungsbezug im niedrigen Stundenlohn zu suchen ist, hängt dies häufig mit einer geringen Qualifikation der Erwerbstätigen zusammen. Im Bereich der Helfertätigkeiten ist es schwierig, einen über dem gesetzlichen Mindestlohn liegenden Stundensatz zu erzielen. Das Land fördert daher im Sinne der Leitlinie „Gute Arbeit“ u. a. die Qualifizierung durch die Landesprogramme „Weiterbildung DIREKT“ und „Weiterbildung BETRIEB“. Auch wenn sich diese Programme nicht explizit an SGB II-Aufstocker richten, bieten sie doch auch diesem Personenkreis eine ansprechende Perspektive, durch Qualifizierung zu einer besseren Entlohnung zu gelangen und auf diese Weise die eigene Hilfebedürftigkeit zu überwinden. 3. Welche konkreten Maßnahmen wurden/werden von der Landesregierung bzw. den zuständigen Ministerien ergriffen, um Leiharbeiter in den Vollzeitarbeitsmarkt zu vermitteln? Unter den Begriff „Leiharbeit" fällt die befristete Überlassung von Arbeitskräften. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen hier in einem Arbeitsverhältnis mit dem Verleihbetrieb. Dies schließt eine Vollzeittätigkeit nicht aus, diese dürfte sogar der Regelfall sein, sodass die Arbeitsüberlassung als Beschäftigungsform in Abgrenzung zum „Vollzeitarbeitsmarkt“ nicht greift. Grundsätzlich ist zur Arbeitnehmerüberlassung eine differenzierte Haltung angebracht . Einerseits bietet sie eine Chance, dass gute Arbeitskräfte von den Entleihbetrieben übernommen werden - eine Chance, die sich nicht selten realisiert und anders nicht bestehen würde. Andererseits besteht die Gefahr, dass diese Arbeitskräfte dauerhaft unter einem für den Entleiher gültigen Tarif prekär beschäftigt werden und dies dann gezielt sinnwidrig ausgenutzt wird, denn Rechtfertigung und Sinnhaftigkeit der Arbeitsüberlassung liegen im Abfangen temporärer Auftragsspitzen. Deshalb unterstützt die Landesregierung auch das Bestreben der Bundesregierung, im Wege einer gesetzlichen Neuregelung das Instrument der Leiharbeit wieder auf dessen Kernbereich zurückzuführen (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze - BT-Drucksache 18/9232). 5 4. Wie hoch sind die Gesamtausgaben der Landesregierung für die in den Fragen 1 bis 3 abgefragten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen? Wie hoch sind die Ausgaben, aufgeschlüsselt für die einzelnen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen? Für die Durchführung der in Fragen 1 und 2 erwähnten Förderprogramme sind im ESF OP 2014 - 2020 ESF- und Landesmittel in Höhe von insgesamt 225.882.200,00 Euro eingeplant. Die Beträge schlüsseln sich wie folgt auf die Förderbereiche der Richtlinie auf: Förderbereich der Richtlinie Plan ESF OP 2014 - 2020 A „Aktive Eingliederung“ 32.437.500,00 Euro B „Familien stärken-Perspektiven eröffnen“ 25.460.100,00 Euro C „STABIL“ 57.870.000,00 Euro D „Gesellschaftliche Teilhabe: Jobperspektive 58+“ 36.114.600,00 Euro Summe der Förderbereiche A-D 151.882.200,00 Euro Programme des Förderbereichs „Weiterbildung“: Förderbereich der Richtlinie Plan ESF OP 2014 - 2020 Weiterbildung DIREKT 31.000.000,00 Euro Weiterbildung BETRIEB 43.000.000,00 Euro Summe der Förderbereiche 74.000.000,00 Euro Die genannten Beträge beziehen sich auf sämtliche Projekte der Weiterbildungsprogramme , weil in der Planung keine Unterscheidung nach Zielgruppen vorgenommen wird. Darüber hinaus ist im Oktober 2017 der Start des Landesprogramms „Sozialer Arbeitsmarkt“ geplant. Im Haushaltsplanentwurf 2017/2018 sind Landesmittel in Höhe von 4 Mio. Euro für das HHJ 2017 und 11 Mio. Euro für das HHJ 2018 eingeplant. 5. Wie hoch sind in Sachsen-Anhalt die Vermittlungsquoten von erwerbslosen Hartz IV-Empfängern in den Arbeitsmarkt? Der Begriff „erwerbslos“ ist in der Anfrage nicht näher definiert. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs existiert nicht. Die Landesregierung fasst im Kontext der Fragestellung „erwerbslos“ als Unterfall von „erwerbsfähig“ und dies in Abgrenzung zu „erwerbstätig“ mit SGB II-Bezug (sog. „Aufstocker“) auf. Diese Einordnung entspricht dem Begriff des „Arbeitslosen“ nach § 16 Abs. 1 SGB III. Die darauf bezogene aktuelle Vermittlungsquote nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB III (arbeitslose SGB II-Leistungsberechtigte) beträgt nach den vorliegenden Angaben der Bundesagentur für Arbeit für den Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016: 21,22 %. Die Vermittlungsquote SGB II berechnet sich aus dem Anteil der Abgänge durch Vermittlung der Jobcenter an allen Abgängen Arbeitsloser in nicht geförderte Beschäftigung. Als solche Abgänge werden nur jene erfasst, deren Ver- 6 mittlung im unmittelbaren Zusammenhang mit einem durch das Jobcenter ausgehändigten Stellenangebot steht. Diese Vermittlungen betreffen jedoch nur einen Teil der bestehenden Unterstützungsleistungen der Jobcenter bei der Heranführung der Arbeitslosen an den ersten Arbeitsmarkt. Denn neben der klassischen Vermittlung nach Auswahl und Vorschlag tragen zunehmend die Selbstinformationseinrichtungen, die Beratungsdienstleistungen der Jobcenter, die Informationsplattform „Jobbörse“, Potenzialanalysen, die Einschaltung Dritter, die vielfältigen finanziellen Hilfen bei der Beschäftigungssuche (Vermittlungsbudget), Stabilisierungs- und Qualifizierungsangebote , kommunale Eingliederungsleistungen und schließlich auch der Vermittlungsgutschein zur Beschäftigungsaufnahme bei.