Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/649 24.11.2016 (Ausgegeben am 24.11.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aktuelle Entwicklungen bezüglich der finanziellen Absicherung von Tagebausanierungen und Folgeschäden aus der Braunkohleförderung in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/332 Vorbemerkung des Fragestellenden: Das ZDF-Magazin Frontal 21 thematisierte in seinem Beitrag „Milliardenloch Braunkohle ? - Neue Risiken für den Steuerzahler“ am 6. September 2016 die finanziellen Risiken für die Beseitigung von Bergbauschäden aus der Braunkohleförderung. Im Focus des Berichts steht der tschechische Energiekonzern „Energetický a průmyslový holding, a.s.“ (EPH), der seit 2012 alleiniger Gesellschafter der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) mit Sitz in Zeitz ist. Auch das ARD-Magazin Kontraste wies in seiner Sendung am 6. Oktober 2016 auf die Gefahr der Haftung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hin, wenn Bergbauunternehmen in Insolvenz gehen sollten. Bereits in der Vergangenheit wurden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehrere Kleine Anfragen (Drs. 6/4833; Drs. 6/4827; Drs. 6/4574 sowie Drs. 6/4428) gestellt, welche die Problematik der finanziellen Absicherung von Tagebausanierungen und Folgeschäden aus der Braunkohleförderung in Sachsen-Anhalt thematisieren. Mit den Antworten auf diese Kleinen Anfragen wurde deutlich, dass es erhebliche Risiken gibt, weil bis jetzt weder ausreichend Rückstellungen gebildet noch Sicherheitsleistungen festgesetzt wurden. Auch verdeutlichen eine zwischenzeitlich (Juni 2016) publizierte Studie der Wissenschaftsinstitute „Forum Ökologisch- Soziale Marktwirtschaft“ (FÖS) und „Institute for Advanced Sustainability Studies“ (IASS) sowie die Begleitumstände der Übernahme der Braunkohletagebaue/ -kraftwerke in der Lausitz durch die MIBRAG-Mutter EPH die große Relevanz des Themas. 2 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Frage 1: Laut Antwort aus der Drs. 6/4827 (Frage 2) sollte durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) der Prüfprozess zur Festsetzung und Erhebung einer Sicherheitsleistung gemäß § 56 Abs. 2 BBergG gegenüber der MIBRAG im 1. Halbjahr 2016 abgeschlossen sein. Zu welchen Ergebnissen kam das LAGB und wird dementsprechend eine Sicherheitsleistung festgesetzt? Wenn ja, in welcher Höhe und auf Basis welcher Kriterien wurde die Sicherheitsleistung berechnet und in welcher Art wird die MIBRAG die Sicherheitsleistung erbringen? Wenn die Ergebnisse noch nicht vorliegen sollten, wie wird das begründet und wann werden belastbare Ergebnisse vorliegen? Der Prüfprozess dauert an, weil aufgrund des grenzüberschreitenden Tagebaus Profen eine Abstimmung mit Sachsen angestrebt wird. Mit belastbaren Ergebnissen wird nach heutiger Einschätzung im Frühjahr 2017 gerechnet. Frage 2: Inwieweit und aufgrund welcher Mechanismen kann man davon ausgehen, dass Sicherheitsleistungen insolvenzfest sind und sie eine nicht-staatliche Übernahme für Tagebausanierungen und Folgeschäden aus der Braunkohleförderung gewährleisten? Auf Grundlage der Hausverfügung des LAGB vom 19. August 2013 zur „Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gem. § 56 Abs. 2 BBergG“ werden vom LAGB nur insolvenzfeste Sicherheitsleistungen zugelassen, um im Sicherungsfall zu gewährleisten, dass für etwaige Ersatzmaßnahmen keine öffentlichen Gelder herangezogen werden müssen. Dies sind: Hinterlegung von Bargeld bzw. Überweisung auf ein Verwahrkonto des Landes, selbstschuldnerische Bankbürgschaften, Konzernbürgschaften und (harte) Patronatserklärungen. Da Rückstellungen nicht insolvenzfest sind, werden sie vom LAGB seit Inkrafttreten der o. g. Verfügung nicht mehr als Sicherheitsleistung akzeptiert. Die o. g. Verfügung ist auf der Internetseite des LAGB abrufbar. Frage 3: Laut einer Greenpeace-Analyse vom Mai 2016 hat die MIBRAG nur 12,6 % der vermuteten Sanierungskosten - erheblich weniger als Vattenfall oder RWE - in die Jahresbilanz als Rückstellung eingestellt. Ferner hat die MIBRAG im Jahr 2010 die damals vorhandenen bilanziellen Rückstellungen mehr als halbiert. Wie wird dieses Bilanzprozedere bewertet? Welche Risiken erwachsen daraus aus Sicht der Landesregierung? Welche rechtlichen und politischen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Finanzierungsvorsorge zur Tagebausanierung und zur Beseitigung von Folgeschäden aus der Braunkohleförderung auf ein tragfähiges Fundament zu stellen? 3 Die MIBRAG hat mitgeteilt, dass Rückstellungen nur in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages angesetzt werden dürfen. Das Geschäftsjahr 2010 war das erste, auf das Regelungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes Anwendung fanden. Dementsprechend sind Rückstellungen mit einer Laufzeit von über einem Jahr mit einem „entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre“ abzuzinsen (§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB). Der Zinssatz wird von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben. Dieser handelsrechtlich vorgeschriebene Schritt der Abzinsung war seinerzeit auch für die Rekultivierungsrückstellungen der MIBRAG zu vollziehen, sodass sich die Rückstellungen deutlich verringert haben. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, bilanzielle Rückstellungen zu bewerten, da hierfür keine gesetzlichen Voraussetzungen bestehen. Die Landesregierung prüft derzeit hingegen, ob mittels Festsetzung einer Sicherheitsleistung gem. § 56 Abs. 2 BBergG eine ausreichende Finanzierungsvorsorge realisiert werden kann. Frage 4: Gibt es ein Konzept über den zeitlichen, finanziellen und arbeitsmäßigen Umfang für eine nachsorgearme Bergbaufolgelandschaft und für die Wiedernutzbarmachung der Tagebaue? Wenn ja, wer hat das Konzept erstellt und was sind seine wesentlichen inhaltlichen Grundzüge und Eckpunkte? Die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft wird auf Basis des durch die MIBRAG aufgestellten und durch das damalige Bergamt Halle zugelassenen Rahmenbetriebsplanes für den Braunkohlentagebau Profen vom 29. August 1994 sowie entsprechend der landesplanerischen Zielstellungen des Regionalen Teilgebietsentwicklungsprogramms für den Planungsraum Profen vom 9. Januar 1996 des Landes Sachsen-Anhalt erfolgen. Neben der Herstellung landwirtschaftlicher Nutzflächen und Aufforstungen sowie weiteren flankierenden Maßnahmen (Anlage von Biotopen, Sukzessionsflächen und Wildäckern, Wegebau, Regulierung der Vorflutverhältnisse, u. ä.) sehen die Planungen die Anlage der beiden Restseen Schwerzau und Domsen vor. Während der Restsee Schwerzau als Erholungs- und Badegewässer vorgesehen ist, wird für den Restsee Domsen eine Nutzung als großer ringsum bewaldeter Landschaftssee mit Biotopfunktion für Tier- und Pflanzenarten der Stillgewässerbereiche angestrebt. Frage 5: Wird die Option in Erwägung gezogen, einen Teil der Rückstellungen der Bergbautreibenden in einen landeseigenen Fonds zur Bestreitung der sogenannten Ewigkeitskosten, die sich aus Schäden nach der Rekultivierung ergeben, zu überführen? Wenn nein, bitte begründen, warum die Landesregierung davon ausgeht, dass nicht-staatliche finanzielle Mittel für die Beseitigung von Folgeschäden aus der Braunkohleförderung hinreichend gesichert sind? Die Landesregierung zieht nicht in Erwägung, einen Teil der Rückstellungen in einen landeseigenen Fonds zu überführen. Nach dem Kenntnisstand der Bergbehörde werden keine Ewigkeitslasten anfallen.