Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/721 09.12.2016 (Ausgegeben am 12.12.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Sarah Sauermann (AfD) Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften Kleine Anfrage - KA 7/345 Vorbemerkung des Fragestellenden: In der von mir gestellten Kleinen Anfrage KA 7/226 habe ich die Landesregierung nach einer abschließenden Bewertung zur letzten Gemeindegebietsreform gefragt. Als Antwort auf diese Frage schreibt die Landesregierung, Drs. 7/465, unter anderem , dass der Landtag von Sachsen-Anhalt ein unabhängiges Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften einholte und darauf basierend eine Neugliederung der kommunalen Strukturen veranlasste. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wer erstellte wann das Gutachten und wie erfolgte die Ausschreibung bzw. nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl? Inwieweit konnte sichergestellt werden, dass es sich um einen unabhängigen Auftragnehmer handelte? Mit Beschluss vom 26. Januar 2007 (LT-Drs. 5/15/478 B) hatte der Landtag die Landesregierung beauftragt, ein unabhängiges Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften einzuholen. Die Vergabe des Auftrages erfolgte im Wege eines formlosen Verhandlungsverfahrens . In diesem Verfahren waren fünf wissenschaftliche Institute zur Angebotsabgabe aufgefordert. Bis zum Ablauf der gesetzten Frist wurden vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), der Hochschule Harz sowie der WIBERA Wirtschaftsberatung AG Angebote abgegeben. 2 Der Gutachtenauftrag der Landesregierung wurde nach Auswertung der Angebote und der persönlichen Darstellung dem IWH erteilt. Das IWH erstellte daraufhin das Gutachten in Kooperation mit der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg, Lehrstuhl für öffentliches Recht. 2. Wie viele Mitarbeiter über welchen Zeitraum waren direkt an dem Gutachten beteiligt, wie viele Arbeitsstunden wurden aufgewendet und wie hoch waren die Kosten des Gutachtens? Eine Beantwortung von parlamentarischen Fragen durch die Landesregierung erstreckt sich nur auf die Bereiche, für die die Landesregierung unmittelbar oder mittelbar verantwortlich ist. Außerhalb ihres eigenen Verantwortungsbereiches liegt grundsätzlich das Verhalten von Dritten. Zu diesen Dritten zählt auch das IWH als eingetragener Verein, auch wenn sein institutioneller Haushalt zu je 50 % von Bund und Ländern finanziell getragen wird. Gegenüber dem IWH bestehen jedoch keine Kontroll- oder Aufsichtsbefugnisse der Landesregierung. Die Beantwortung der Frage 2 erfolgt daher ausschließlich auf der Grundlage der der Landesregierung vorliegenden Erkenntnisse. Dies vorausgeschickt, wird die Frage 2 wie folgt beantwortet: Das Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften wurde von sechs Autoren erstellt. Wie dem Abschlussbericht der Gutachter, datiert vom 19. Juni 2007, darüber hinaus zu entnehmen ist, basiert das Gutachten auf Erhebungen, an denen zahlreiche Personen und Organisationen beteiligt waren. So wurden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunaler Verwaltungen im Rahmen der Fallstudien interviewt. Unterstützt wurde die Erhebung durch Informationen und Auskünfte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Bereich der Kommunalen Spitzenverbände, der Kommunalaufsicht und der Verwaltungsgerichtsbarkeit . Nach dem vom IWH abgegebenen Angebot zur Erstellung des Gutachtens wurden für den Auftrag insgesamt 139 Personentage veranschlagt. Vertraglich vereinbart wurde eine Gesamtvergütung von 49.858 EUR. 3. Wie viele Bürgermeister und lokale politische Akteure waren bei dem Gutachten involviert und wie sah deren direkte Beteiligung aus? Der Landesregierung liegen hierzu keine konkreten Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 2 wird entsprechend verwiesen. 4. Welche Kennzahlen wurden in dem Gutachten erhoben und wie sind deren Ergebnisse? Das Gutachten beinhaltet auf der Basis einer interdisziplinären und empirisch gestützten Untersuchung einen detaillierten Vergleich zwischen den Modellen der Verwaltungsgemeinschaft, der Einheitsgemeinde und der Verbandsgemeinde . Dabei stand die Effizienz der gemeindlichen Aufgabenerfüllung im Mittelpunkt der Untersuchungen. Darüber hinaus wurde auch der Gesichtspunkt 3 der Leistungsfähigkeit der Gemeinden im Sinne der Qualität der Aufgabenerfüllung zur Beurteilung herangezogen. Wesentliches Ergebnis des Gutachtens war die Erkenntnis, dass jedes der drei Modelle spezifische Stärken und Schwächen aufweist, die durch die Gutachter anhand wesentlicher Maßstäbe für Effizienz und Effektivität ermittelt wurden. Nach Auffassung der Gutachter hängt eine Entscheidung für ein künftiges gemeindliches Modell von der Gewichtung mehrerer Kriterien durch die politischen Entscheidungsträger ab. Die Vergleichsergebnisse werden in dem Gutachten im Einzelnen dargestellt. Auf den Entwurf eines Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform wird ergänzend verwiesen (LT-Drs. 5/902, s.u.a. S. 37, 38). 5. Gab es weitere Gutachten oder interne Überprüfungen des Ministeriums zur Plausibilität der Ergebnisse des Gutachtens? Wenn ja, wer führte diese durch und welche Ergebnisse wurden in Bezug auf die erhobenen Kennzahlen erhoben? Wenn nein, warum wurden die Ergebnisse nicht überprüft? Die Landesregierung hatte aufgrund des Beschlusses des Landtages vom 26. Januar 2007 ausschließlich das Gutachten des IWH in Auftrag gegeben. Unabhängig davon wurde von den Gutachtern Dr. Wiegand und Dr. Grimberg, damals Dozenten an der Hochschule Harz, ein eigenes Gutachten „Ist die Einheitsgemeinde wirtschaftlicher als die Verwaltungsgemeinschaft oder die Verbandsgemeinde ?“ erstellt. Während das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zu dem Ergebnis gelangte, dass je nach Wertung der Einzelkriterien und Gewichtung entweder die Einheitsgemeinde oder die Verbandsgemeinde Vorteile habe, gelangten die Gutachter Dr. Wiegand und Dr. Grimberg zu dem Ergebnis, dass die Einheitsgemeinde die wirtschaftlichste Form der kommunalen Struktur sei. Ausgangspunkt dieses Gutachtens war die Betrachtung einer sog. Basis- Verwaltungsgemeinschaft in der Modellform des gemeinsamen Verwaltungsamtes und die Auswirkungen ihrer Umwandlung in eine Verbandsgemeinde und in eine Einheitsgemeinde. Beide Gutachten stimmen jedoch im Ergebnis überein, dass die Verwaltungsgemeinschaft in der bisherigen Struktur nicht die Anforderungen erfüllt, die die zukünftigen Rahmenbedingungen erfordern. In seiner Sitzung am 14. Juni 2007 führte der Landtag unter TOP 1 eine Aktuelle Debatte zum Thema „Konsequenzen der Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt“ durch. Am 4. Juli 2007 fand im Ausschuss für Inneres des Landtages eine Erörterung mit den Gutachtern des vom IWH in Kooperation mit der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, erstellten Gutachtens sowie mit den Gutachtern Dr. Wiegand und Dr. Grimberg statt. 6. Die Landesregierung argumentierte auf Grundlage des Gutachtens, dass Einrichtungen der Infrastruktur infolge des demografischen Wandels stärker konzentriert werden müssen, da sie in Zukunft in den kleineren Orten immer weniger ausgelastet sein würden. Hat das hier zitierte Gutachten auch andere Formen der Zusammenarbeit einbezogen und wie wurden diese bewertet? 4 Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Laut Antwort der Landesregierung gab es im Vorfeld der Gemeindegebietsreform keine detaillierten Prognosen über einzusparende Kosten. Dazu steht im Gegensatz die Aussage, dass die Durchführung der Gemeindegebietsreform auf Grundlage eines unabhängigen Gutachtens zur „Wirtschaftlichkeit“ basiert. Wie definiert die Landesregierung den Begriff „Wirtschaftlichkeit“ und auf welche wesentlichen Ergebnisse kommt das Gutachten? Das von der Landesregierung aufgrund des Landtagsbeschlusses vom 26. Januar 2007 in Auftrag gegebene Gutachten sollte auf der Grundlage von Daten der kommunalen Strukturen in Sachsen-Anhalt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Einheitsgemeinden, Verbandsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit der gemeindlichen Aufgabenerfüllung und Effektivität im Sinne der Qualität der Aufgabenerfüllung aufzeigen. Die Untersuchung sollte dabei u.a. die voraussichtliche demografische Entwicklung im Land und die Entwicklung der öffentlichen Finanzen berücksichtigen. Das Gutachten gelangt zu dem Fazit, dass sich das Modell der Verwaltungsgemeinschaft nicht bewährt hat und empfiehlt, die Verwaltungsgemeinschaften durch Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden zu ersetzen. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden im Entwurf der Landesregierung eines Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform (LT-Drs. 5/902) berücksichtigt. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte den Gesetzentwurf in mehreren Lesungen nach Durchführung eingehender Erörterungen in den Ausschüssen und Anhörungen in seiner Sitzung am 24. Januar 2008 beschlossen. Zu den wesentlichen Erkenntnissen des Gutachtens wird im Übrigen auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.