Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/724 09.12.2016 (Ausgegeben am 12.12.2016) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordnete Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sprachklassen und Sprachlehrkräfte Kleine Anfrage - KA 7/361 Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Bildung Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nach Artikel 53 Abs. 1 LVerf hat die Landesregierung jedem Mitglied des Landtages Auskunft zu erteilen. Sie ist nach Artikel 53 Abs. 2 LVerf verpflichtet, Fragen einzelner Mitglieder des Landtages oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Das parlamentarische Fragerecht erstreckt sich auf alle Gegenstände des Regierungshandelns. In diesem Rahmen hat die Landesregierung die verfassungsrechtliche Aufgabe, dem Parlament über ihren Verantwortungsbereich Rechenschaft und Auskunft zu geben. Eine Pflicht zur Beantwortung von Fragen, die nicht zum Verantwortungsbereich der Landesregierung gehören, ist Artikel 53 Abs. 1 und Abs. 2 LVerf dagegen nicht zu entnehmen. Mit der Kleinen Anfrage werden nicht nur Informationen und Daten zu Sprachklassen und Sprachlehrkräften in Sachsen-Anhalt, sondern für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt sowie die übrigen fünfzehn Bundesländer erbeten. Weder die Bundesrepublik Deutschland, noch die übrigen fünfzehn Bundesländer gehören zum Verantwortungsbereich der Landesregierung. Eine Antwortpflicht besteht nach dem verfassungsrechtlichen Fragerecht insoweit nicht. Daten und Informationen über die Sachlage in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt sowie zu den einzelnen Bundesländern können der öffentlich zugänglichen Studie des Mercator Institutes „Neu zugewanderte, Kinder, Jugendliche und junge 2 Erwachsene, Entwicklungen im Jahr 2015“ http://www.mercator-institutsprachfoerderung .de/fileadmin/Redaktion/PDF/Publikationen/MI_ZfL_Neu_zugewanderte _Kinder_Jugendliche_jungeErwachsene_final_screen.pdf entnommen werden, die eine Aktualisierung und Analyse von Daten und Fakten zur Gruppe der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren aus den Jahren 2015 und 2016 enthält. Grundlage der Analyse der Studie sind Sonderauswertungen des Statistischen Bundesamtes und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Belastbare Daten und Informationen zusammengefasst für die Bundesrepublik Deutschland sowie die übrigen fünfzehn Bundesländer liegen der Landesregierung über das öffentlich zugängliche Material hinaus nicht vor und werden auch von der Kultusministerkonferenz (KMK) nicht vorgehalten. Von einer Erhebung durch die KMK wurde vor dem Hintergrund der fehlenden Vergleichbarkeit der in den Ländern bestehenden Strukturen und Schulstatistiken abgesehen. Soweit Fragen zu Sprachklassen gestellt werden ist anzumerken, dass es in Sachsen -Anhalt nach alter Erlasslage, die in der Zeit vom 01.08.2012 bis zum 22.08.2016 in Kraft war, Sprachförderung in Sprachgruppen, Sprachklassen und in der Form des integrativen Unterrichts gab. Seit dem 23.08.2016 findet der Unterricht ausschließlich in Sprachfördergruppen oder integrativ statt. Die in Frage 3 erbetenen Auskünfte für die Schuljahre 2014/2015 und 2015/2016 werden vor diesem Hintergrund differenziert dargestellt nach Sprachgruppen, Sprachklassen und integrativer Unterrichtung. Für die Beantwortung der Frage 4 ist darauf hinzuweisen, dass eine Differenzierung nach Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und Schülerinnen und Schülern von Geflüchteten nicht vorgenommen wird. Schülerinnen und Schüler kommen aus ganz unterschiedlichen Migrationszusammenhängen an deutsche Schulen. Sie sind nicht verpflichtet darüber Auskunft zu geben, ob sie aus ihrem Heimatland geflüchtet sind. Für ihre Aufnahme und Beschulung ist es gleich, aus welchem Grund sie nach Sachsen-Anhalt migrieren. Sie unterfallen der Schulpflicht, wenn sie in Sachsen-Anhalt ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Handelt es sich um neu zugewanderte Kinder und Jugendliche ohne bzw. mit geringen Deutschkenntnissen und wurde für sie die Notwendigkeit der Sprachförderung festgestellt, organisieren die Schulen für sie eigenverantwortlich den entsprechenden Unterricht zur Förderung des Erlernens der deutschen Sprache. Möglich ist dabei die Bildung von Sprachfördergruppen oder der integrative Unterricht. Frage 1: Wann und wo wurden die ersten Sprachklassen in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt? Siehe Vorbemerkung. Frage 2: Seit wann bestehen die Sprachklassen in Sachsen-Anhalt? Das Thema Sprachförderung im Bildungsbereich hat durch die Entwicklung der Neuzuwanderungen in den vergangenen Jahren stetig an Relevanz gewonnen. Im Jahr 2001 wurden im RdErl. des MK vom 26.07.2001 „Beschulung von Kindern deutscher Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie ausländischer Bürgerinnen und 3 Bürger“ (SVBl. LSA S. 250) erstmals Regelungen über die Sprachförderung in separaten „Vorbereitungsgruppen oder Vorbereitungsklassen“ an den öffentlichen Schulen des Landes getroffen. Das Land hatte zu dieser Zeit noch eine vergleichsweise geringe Anzahl von zuwandernden Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter zu versorgen. Mit Inkrafttreten des RdErl. des MK vom 01.08.2012 „Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt“ (SVBl. LSA S. 226) wurde der kontinuierlich wachsenden Anzahl an neuzugewanderten Schülerinnen und Schülern (SuS) mit Migrationshintergrund an den Schulen Rechnung getragen. Beide Erlasse sahen in allen Schulformen die Möglichkeit der Bildung von Sprachfördergruppen bzw. -klassen nach Genehmigung durch die Schulbehörde vor. Frage 3: Wie viele Sprachklassen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland? Bitte listen Sie diese für Sachsen-Anhalt und für die übrigen fünfzehn Bundesländer für die Schuljahre 2014/2015 und 2015/2016 getrennt auf. Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung werden in der nachfolgenden Tabelle die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund (SuS Mihi) aufgelistet, die eine gesonderte Sprachförderung in Sprachklassen, Sprachgruppen oder integrativ gemäß RdErl. des MK vom 01.08.2012 „Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt“ (SVBl. LSA S. 226), erhalten haben. Die detaillierte Erfassung und Darstellung von Daten über die Anzahl von SuS mit Migrationshintergrund in Sprachklassen und –gruppen sowie derer, die eine integrative Beschulung erhalten, wurde erstmals im Oktober 2015, d. h. nach Ende des Schuljahres 2014/2015 erhoben. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Angabe der Daten für das Jahr 2015 mit Stand 31.10.2015. Schuljahr 2014/2015 - Land Sachsen-Anhalt Stand: Gesamtanzahl der SuS Mihi Anzahl der Sprachförder -klassen Anzahl der Sprachfördergruppen SuS Mihi mit integrativer Beschulung 31.10.2015 3717 53 239 1517 Zum darauf folgenden Jahr liegen aufgrund der Schulferien im Zeitraum vom 27.06.2016 bis 10.08.2016 nachfolgende Daten aus den Schulen zum Stand 30.10.2016 vor: Schuljahr 2015/2016 - Land Sachsen-Anhalt Stand: Gesamtanzahl der SuS Mihi Anzahl der Sprachklassen Anzahl der Sprachgruppen SuS Mihi mit integrativer Beschulung 30.10.2016 7972 178 346 2799 4 Frage 4: Wie viele Schülerinnen und Schüler werden in der Bundesrepublik Deutschland in den Sprachklassen unterrichtet? a. Wie viele von diesen Schülerinnen und Schülern haben Migrationshintergrund ? b. Wie viele von diesen Schülerinnen und Schülern sind Kinder von Geflüchteten ? Bitte listen Sie diese für Sachsen-Anhalt und für die übrigen fünfzehn Bundesländer für die Schuljahre 2014/2015 und 2015/2016 getrennt in absoluten Zahlen und prozentual auf. Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung werden in der nachfolgenden Tabelle ausschließlich Auskünfte für das Land Sachsen-Anhalt erteilt. Zur Begründung der aufgeführten statistischen Daten zu den hier benannten Auskunftszeiträumen wird auf Frage 3 verwiesen. Schuljahr 2014/2015 (Stand: 30.10.2015) - Land Sachsen-Anhalt Menge Anzahl der SuS Mihi Anteil der SuS Mihi Sprachförderklassen 53 799 21,5 % Sprachfördergruppen 239 1401 37,7 % Integrative Beschulung - 1517 40,8 % Gesamtanzahl SuS Mihi mit Sprachförderbedarf - 3717 100,0 % Schuljahr 2015/2016 (Stand: 30.10.2016) - Land Sachsen-Anhalt Menge Anzahl der SuS Mihi Anteil der SuS Mihi Sprachförderklassen 178 2839 35,6 % Sprachfördergruppen 346 2334 29,3 % Integrative Beschulung - 2799 35,1 % Gesamtanzahl SuS Mihi mit Sprachförderbedarf - 7972 100,0 % Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung die Wirkung der Sprachklassen, insbesondere unter pädagogischen und integrativen Aspekten? In Sachsen-Anhalt wird keine äußere Differenzierung zwischen den neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen und anderen vorgenommen. Eine Unterrichtung der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen ohne Anteile am Unterricht einer Regelklasse in separaten Sprachklassen erfolgt mithin nicht. In Sachsen-Anhalt werden die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an den allgemeinbildenden Schulen des Landes von Anfang an in den Regelunterricht aufgenommen. Das in Sachsen-Anhalt gewählte integrative Modell folgt damit dem Prinzip: Dazugehören von Anfang an! 5 Frage 6: Wie viele Lehrkräfte insbesondere für den Zweck der Sprachförderung gibt es in der Bundesrepublik Deutschland? Bitte listen Sie diese für Sachsen-Anhalt und für die übrigen fünfzehn Bundesländer für die Schuljahre 2014/2015 und 2015/2016 getrennt auf. Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung werden nachfolgernd ausschließlich Auskünfte für das Land Sachsen-Anhalt erteilt. Land Sachsen-Anhalt Schuljahr Stammlehrkräfte Sprachlehrkräfte Gesamt 2014/2015 442 - 442 2015/2016 645 238 883 Sprachlehrkräfte wurden erst zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 eingestellt. Im Schuljahr 2014/2015 und im Folgeschuljahr erteilten darüber hinaus 442 bzw. 645 Stammlehrkräfte Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund . Frage 7: Wie viele Sprachlehrkräfte wurden in Sachsen-Anhalt und in den übrigen fünfzehn Bundesländern seit dem Schuljahr 2014/2015 eingestellt? Unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung werden nachfolgernd ausschließlich Auskünfte für das Land Sachsen-Anhalt erteilt. Ab dem Schuljahr 2015/2016 wurden im Land Sachsen-Anhalt 295 Sprachlehrer eingestellt. Frage 8: Sind die Sprachlehrkräfte in den übrigen fünfzehn Bundesländern ebenfalls wie in Sachsen-Anhalt befristet eingestellt? Siehe Vorbemerkung. Frage 9: Welches Stundenkontingent stand im Schuljahr 2015/2016 durch Sprachlehrkräfte in Sachsen-Anhalt zur Verfügung? Im Schuljahr 2015/2016 betrug das zur Sprachförderung durch Sprachlehrkräfte verfügbare Arbeitsvermögen 2.097,80 Stunden an öffentlichen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Stand: Erhebungsstichtage zur Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2015/2016 Frage 10: Von den zugewiesenen Stunden insgesamt, wie viele Stunden leisteten die Sprachlehrkräfte a. im Sprachunterricht und b. im Regelunterricht? Bitte für Sachsen-Anhalt und für die Schuljahre 2014/2015 und 2016/2017 auflisten . 6 Mit Beginn des Schuljahres 2015/2016 wurden erstmals befristete Sprachlehrkräfte in den Schuldienst eingestellt. Für das Schuljahr 2014/2015 können damit keine Angaben zur Verfügung gestellt werden. Alle genannten Aussagen beziehen sich ausschließlich auf öffentliche Schulen. Die für Sprachunterricht und Regelunterricht eingesetzten Stunden durch befristete Sprachlehrkräfte im Schuljahr 2016/2017 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen . Schuljahr Einsatz im … Sprachunterricht Regelunterricht 2016/2017 3.646,30 1.024,28 Stand: Erhebungsstichtage zur Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2016/2017 Bei der Erfassung werden auch die für die integrative Beschulung der Schülerinnen und Schüler im Regelunterricht ausgewiesenen Stunden gezählt. Hier wurde dann das entsprechende Unterrichtsfach angegeben und kann somit nicht als Sprachförderung eindeutig bestimmt werden. An den berufsbildenden Schulen können gemäß § 6 Abs. 4 BVJ-VO gesonderte Klassen zur Sprachförderung eingerichtet werden. Der durch Sprachlehrkräfte abgedeckte Unterricht wird hier entweder als Sprachförderunterricht oder unter der jeweiligen Bezeichnung des Faches ausgewiesen.