Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/786 04.01.2017 (Ausgegeben am 04.01.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Stefan Gebhardt (DIE LINKE) Gerlinger-Sammlung im Kunstmuseum Moritzburg Kleine Anfrage - KA 7/392 Antwort der Landesregierung erstellt von der Staatskanzlei und vom Ministerium für Kultur Vorbemerkung: Das „Kunstmuseum Moritzburg“ ist eine Einrichtung der seit 1. Januar 2014 nicht rechtsfähigen staatlichen Stiftung des öffentlichen Rechts „Stiftung Moritzburg Halle (Saale) - Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt“ unter treuhänderischen Verwaltung durch die „Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt“, nachfolgend Stiftung genannt. In Nachfolge eines damals bereits bestehenden befristeten Leihverhältnisses haben die zu diesem Zeitpunkt rechtsfähige „Stiftung Moritzburg - Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt“, vertreten durch den Vorstand (Entleiher), und der Sammler Herr Prof. Hermann Gerlinger (Verleiher) im März 2014 einen unbefristeten Leihvertag über die Kunstsammlung „Die Maler der Brücke“ geschlossen. Nach einer längeren Phase divergierender Auffassungen haben sich Entleiher und Verleiher mit Vereinbarung vom 10. November 2016 auf eine einvernehmliche Beendigung des Leihverhältnisses zum 30. April 2017 verständigt. 1. Welche Differenzen zwischen dem Kunstmuseum Moritzburg und dem Sammler Hermann Gerlinger über die Einbindung dessen Kunstwerke in das Gesamtkonzept des Museums sind der Landesregierung bekannt? Bei den der Landesregierung bekanntgewordenen Differenzen zwischen dem Verleiher und den jeweiligen Museumsleitungen ging es um organisatorische, künstlerisch-gestalterische und konservatorische Fragestellungen sowie zuletzt um eine verstärkte thematische Einbindung der Sammlung Hermann Gerlinger in 2 die Präsentation des Hauses und den inhaltlichen Kontext der Sonderausstellungen . Auch nach intensiv geführten Verhandlungen konnten die Vertragspartner hier jedoch keinen Konsens erreichen. 2. Sieht die Landesregierung noch Möglichkeiten, die Differenzen beizulegen und durch Einlenken den Verbleib der Gerlinger-Sammlung oder von Teilen dieser Sammlung zu ermöglichen? Unter den derzeit gegebenen Bedingungen sieht die Landesregierung keine Grundlage für eine Fortsetzung des Leihverhältnisses. Die Landesregierung ist aber weiterhin grundsätzlich zu konstruktiven Gesprächen und gegebenenfalls einer Vermittlung zwischen den Vertragspartnern bereit. 3. Hat Hermann Gerlinger Forderungen an das Kunstmuseum Moritzburg oder an das Land Forderungen gestellt, die über den geschlossenen Leihvertrag hinausgingen? Wenn ja, welche Forderungen hat Hermann Gerlinger in diesem Sinne gestellt? Welche dieser Forderungen konnten erfüllt werden? Welche Gründe bestanden, anderen Forderungen nicht zu folgen? Welche Kompromissangebote wurden in diesem Bereich unterbreitet und mit welchen Ergebnissen wurden sie verhandelt? Der Dauerleihvertrag wurde zwischen der „Stiftung Moritzburg - Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt“ und dem Sammler Herrn Prof. Hermann Gerlinger geschlossen. Das Land ist nicht Vertragspartner und war beziehungsweise ist hier nur über seine jeweiligen Mitglieder in den Stiftungsgremien involviert. Zudem umfassen die Fragen nach über den Dauerleihvertrag hinausgehenden Forderungen und Kompromissangeboten im Kern die bei Frage 1 genannten Differenzen und Verhandlungen, die letztendlich zur einvernehmlichen Beendigung der Zusammenarbeit geführt haben. In der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zur Beendigung des Dauerleihvertrages haben sich die Vertragspartner zum Inhalt des Vertrages und die insoweit geführten Verhandlungen ausdrücklich zum Stillschweigen gegenüber Dritten verpflichtet. 4. Welche Regelungen zu Sonderschauen sind im Leihvertrag mit Hermann Gerlinger vereinbart? Wie viele Sonderschauen fanden bisher statt und zu welchen Themen sowie zu welchen Zeitpunkten? Der Dauerleihvertrag sieht neben einer dauerhaften Präsentation einer Auswahl der Sammlung, wobei hier die Präsentation der Arbeiten auf Papier im konservatorischen Wechsel erfolgen sollen, alle zwei Jahre ab Fertigstellung des Umbaus des Museums eine Themenausstellung auf derselben Ausstellungsfläche vor. Hierzu ist jeweils ein Katalog mit dem Titel „Almanach der Brücke“ herauszugeben . Die vertraglich fixierten sogenannten Almanach-Ausstellungen fanden nach der Eröffnung des Erweiterungsbaus in den Jahren 2012, 2014 und 2016 statt. 3 Darüber hinaus wurde eine Auswahl der Sammlung seit dem Jahr 2001 bis einschließlich Januar 2017 in insgesamt 26 wechselnden Präsentationen (davon drei außer Haus) und einer separaten Sonderausstellung gezeigt. Die Themen und Zeiträume der Präsentationen sind der beigefügten Anlage zu entnehmen. 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum Vorgang um das verschwundene Selbstportrait von Karl Schmidt-Rottluff vor? Wurden nach der Anzeige gegen Unbekannt bei der Polizei Ermittlungen eingeleitet? Sollten Ermittlungen eingeleitet worden sein, welchen Stand haben sie erreicht? Sollten keine Ermittlungen eingeleitet worden sein, mit welcher Begründung wurde das unterlassen? Welche Schlussfolgerungen hat die Leitung des Kunstmuseums Moritzburg aus dem Vorgang gezogen? Bei dem nicht auffindbaren Selbstportrait mit dem Titel „tu l’as volue“ handelt es sich um eine kleinformatige Zeichnung (146 x 116 cm) mit Farbkreiden über Tusche. Bis der Verleiher um Rückgabe der Zeichnung bat, die nicht Bestandteil der eigentlichen Dauerleihgabe war, war die Stiftung aufgrund ihrer internen Aufzeichnungen davon ausgegangen, dass sich diese bereits wieder bei ihm in Würzburg befindet. Nachdem die daraufhin eingeleiteten umfassenden internen Unter-suchungen (körperliche Revision der Bestände, Befragungen aller beteiligten Personen etc.) erfolglos geblieben waren und der Verleiher anwaltlich hat erklären lassen, dass sich die Zeichnung nicht bei ihm befindet, hat die Stiftung entsprechend einer Regelung aus dem Dauerleihvertrag dem Leihgeber den Verlust der Zeichnung in Höhe des Versicherungswertes ersetzt. Da eine Straftat nicht ausgeschlossen werden kann, hat die Stiftung im November 2016 bei der Polizei eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Polizei hat mittlerweile im Rahmen einer öffentlichen Fahndung um Hinweise zum Sachverhalt gebeten (siehe unter anderem Mitteldeutsche Zeitung vom 5. Dezember 2016: „Kunstmuseum Moritzburg: Wer hat Zeichnung von Karl Schmidt-Rottluff gestohlen?“). Der aktuelle Stand der Ermittlungen ist der Landesregierung und der Stiftung nicht bekannt. Die Stiftung hat den Sachverhalt zum Anlass genommen, die ohnehin sehr hohen und internationalen Standards entsprechenden Sicherheitsanforderungen zu überprüfen und die in den sicherheitsrelevanten Bereichen des Museums beschäftigten Mitarbeiter nochmals zu sensibilisieren und zu belehren. Zudem wurde dieser Verantwortungsbereich intern neu strukturiert und wurden insofern auch personelle Konsequenzen gezogen. 6. Mit welchen Projekten wird das Kunstmuseum Moritzburg bzw. das Land in den Jahren 2017 und 2018 die durch den Abzug der Gerlinger-Sammlung entstehenden Freiräume nutzen? Werden dafür zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich und wenn ja, wie sollen sie aufgebracht werden? Die Präsentation aus der Sammlung Hermann Gerlinger belegte bislang ca. 65 % der Gesamtfläche im ersten Obergeschoss des Westflügels. An diese schließt 4 sich seit 2008 die Abteilung „moderne eins“ an, in der korrespondierende Werke aus der eigenen Sammlung des Kunstmuseums gezeigt werden. Nach dem Weggang der Sammlung Hermann Gerlinger im Frühjahr 2017 ist geplant, die gesamte Ebene aus der eigenen Sammlung mit einem neuen inhaltlichen und szenografischen Konzept zu bespielen. Inhaltlicher Schwerpunkt bleibt aber die Darstellung der Entwicklung der Kunst zwischen 1900 und 1945. Die Neueinrichtung der Sammlungspräsentation wird aus eigenen Mittel der Stiftung finanziert. Zusätzliche Landesmittel werden hierfür nicht bereitgestellt. 7. Kann die Zahl der Besucher, die ausdrücklich die Werke aus der Gerlinger- Sammlung im Kunstmuseum Moritzburg sehen wollten, benannt werden? Wenn ja, wie hoch war sie in den Jahren seit 2001? Bitte in Jahresscheiben bis 2015 angeben. Die Zahl der Besucher, die ausdrücklich die Werke aus der Sammlung Hermann Gerlinger sehen wollten, kann nicht benannt werden, da die dauerhafte Präsentation wie auch die Themenausstellungen Bestandteil der Dauerausstellung des Kunstmuseums und somit räumlich nicht separiert sind. Mit der Einführung des einheitlichen Kassensystems der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt wurden ab dem Jahr 2014 aber alle Besucher der Dauer- und Sonderausstellungen getrennt erfasst. Demnach hatte die Dauerausstellung im Jahr 2014: 27.830, im Jahr 2015: 29.363 und im Jahr 2016 mit Stand 30. November: 30.450 Besucher. Die Gesamtbesucherzahl des Kunstmuseums liegt aufgrund der Besucher, die ausschließlich eine der Sonderausstellungen besucht haben, deutlich höher (2014: 38.040, 2015: 47.496, bis 30. November 2016: 71.337). 5 Anlage Ausstellungen der Sammlung Hermann Gerlinger im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)* ab dem Jahr 2001 (* einschließlich der vorherigen Bezeichnungen des Kunstmuseums) Ausstellungstitel Zeitraum Anmerkungen Vor dem Erweiterungsbau des Museums: 2001 - 2005 1 DIE BRÜCKE 1905 – 1913 Die Sammlung Hermann Gerlinger in der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle 08.06.2001 – 05.08.2001 2 Maler der BRÜCKE Die Sammlung Hermann Gerlinger in der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle 20.10.2001 – 06.01.2002 3 „Die Brücke“. Aufbruch zu neuen Ufern Aus der Sammlung Hermann Gerlinger 06.07.2002 – 15.09.2002 4 Holzschnitte der Brücke-Künstler Aus der Sammlung Hermann Gerlinger 26.10.2002 – 26.01.2003 5 Das andere Ich. Portraits 1900-1950 mit Werken der Moritzburg und der Sammlung Gerlinger 06.04.2003 – 15.06.2003 6 Nur für Ihre Frauen. Schmuck von Karl Schmidt-Rottluff, Emil Nolde, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner 26.10.2003 – 11.1.2004 7 Im Mittelpunkt der Mensch Meisterwerke der Brücke-Maler aus der Sammlung Hermann Gerlinger 27.01. 2004 – 14.03.2004 8 Erich Heckel - Karl Schmidt-Rottluff Aquarelle 1919 – 1970 aus der Sammlung Hermann Gerlinger 19.09.2004 – 14.11.2004 6 9 Die Jahre der Brücke 1905 – 1913 Sammlung Hermann Gerlinger Eine Ausstellung anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Künstlergruppe "Brücke“ 04.06.2005 – 28.08.2005 Neuauflage des Sammlungskataloges in erweiterter Fassung Während des Erweiterungsbaus des Museums: 2005 - 2008 10 Gemeinsames Ziel und eigene Wege. Die „Brücke“ und ihr Nachwirken Kolloquium zu Ehren von Hermann Gerlinger anlässlich seines 75. Geburtstages 22.07.2006 Publikation 2009 als Almanach der Brücke, Bd. 1 Ausstellungen außer Haus 11 Die Maler der Brücke Die Sammlung Hermann Gerlinger Museum Georg Schäfer, Schweinfurt 23.10.2005 – 15.01.2006 12 Im Rhythmus der Natur. Landschaft in der Kunst der „Brücke“ Meisterwerke aus der Sammlung Hermann Gerlinger Städtische Galerie Ravensburg 28.10.2006 – 28.01.2007 13 Expressiv! Die Künstler der Brücke - Die Sammlung Hermann Gerlinger Albertina, Wien 01.06.2007 – 28.08.2007 Seit der Eröffnung des Erweiterungsbaus: 2008 – 2016 14 Brücke: Gemeinsamer Aufbruch – eigene Wege Aus der Sammlung Hermann Gerlinger in der Stiftung Moritzburg 02.08.2009 – 11.01.2010 verlängert bis 24.01.2010 1. Szenenwechsel mit Publikation des Almanachs der Brücke, Bd. 1 7 15 BRÜCKE in Halle. 1910 Vision - 2010 Wirklichkeit 21.02. 2010 – 27.06. 2010 verlängert bis 04.07.2010 2. Szenenwechsel anschließend Ausstellungspause wegen Brandschutzarbeiten 16 BRÜCKE sucht Freunde Die Künstlergruppe und ihre passiven Mitglieder 18.09.2010 – 23.01.2011 3. Szenenwechsel S Der Blick auf Fränzi und Marcella Zwei Modelle der Brücke-Künstler 06.02. 2011 – 01.05.2011 Separate Sonderausstellung in Kooperation mit dem Sprengel Museum Hannover 17 „Die Natur ist so schön“ Landschaften der »Brücke«-Maler aus der Sammlung Hermann Gerlinger 15.05. 2011 – 04.09.2011 4. Szenenwechsel 18 Die „Brücke“-Maler. Gemälde aus sechs Jahrzehnten Sammlung Hermann Gerlinger 25.09. 2011 – 22.01. 2012 5. Szenenwechsel I Wort wird Bild – Illustrationen der „Brücke“-Maler Mit Werken der Sammlung Hermann Gerlinger und Leihgaben 05.02.2012 – 03.06.2012 1. Almanach-Ausstellung mit Publikation des Almanachs der Brücke, Bd. 2 19 Ernst Ludwig Kirchner. Ein gezeichnetes Leben Sammlung Hermann Gerlinger 24.06.2012 – 23.09.2012 6. Szenenwechsel 20 Erich Heckel. Kraft der Linie, Zeichnungen und Aquarelle Sammlung Hermann Gerlinger 07.10.2012 – 13.1.2013 7. Szenenwechsel 21 Karl Schmidt-Rottluff. Starke Farben – Klare Formen Aquarelle und Zeichnungen Sammlung Hermann Gerlinger 10.02.2013 – 20.05.2013 8. Szenenwechsel 8 22 Im Kreis der BRÜCKE Nolde, Pechstein, Amiet, Mueller Sammlung Hermann Gerlinger 02.06.2013 – 29.09.2013 9. Szenenwechsel parallel zur Sonderausstellung “Emil Nolde. Farben heiß und heilig“ (21.04.2013 - 28.07.2013) 23 Unmittelbar und unverfälscht. Die Brücke-Maler und ihre Motive Ausstellung in der Sammlung Hermann Gerlinger 13.10.2013 – 31.12.2013 verlängert bis 31.08.2014 10. Szenenwechsel II Kriegszeit. Erich Heckel 1914–1918 Sammlung Hermann Gerlinger 14.9.2014 – 27.01.2015 2. Almanach-Ausstellung mit Publikation des Almanachs der Brücke, Bd. 3 24 Du und ich. Bildnisse und Selbstporträts der Brücke-Maler Sammlung Hermann Gerlinger 15.06.2015 – 10.05.2015 11. Szenenwechsel 25 Lebensraum Atelier Sammlung Hermann Gerlinger 31.05.2015 – 16.08.2015 12. Szenenwechsel 26 Kraft des Aufbruchs. Heckel | Kirchner | Mueller | Pechstein | Schmidt- Rottluff. Gemälde 1905–1964. Sammlung Hermann Gerlinger 30.08.2015 – 30.10.2016 begleitend zur Sonderausstellung „Magie des Augenblicks“ (12.03.2016 – 11.09.2016) Umstellung auf die Dauerpräsentation der Gemälde aus der Sammlung III Inspiration des Fremden. Die Brücke-Maler und die außereuropäische Kunst 12.11.2016 – 29.01.2017 3. Almanach-Ausstellung mit Publikation des Almanachs der Brücke, Bd. 4