Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/840 18.01.2017 (Ausgegeben am 18.01.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter André Poggenburg (AfD) Kostenaufkommen für die zwangsweise Rückführung von Ausländern Kleine Anfrage - KA 7/425 Vorbemerkung des Fragestellenden: Unter der zwangsweisen Rückführung von Ausländern subsumiert die Fragestellung sämtliche Vollstreckungsmittel, die zur Durchsetzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber Ausländern zur Anwendung gebracht werden können. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport 1. Welche Kosten sind dem Land Sachsen-Anhalt in den Jahren 2013, 2014 und 2015 für die Durchführung von zwangsweisen Rückführungen entstanden? Bitte die Ist-Ausgaben angeben und nach Haushaltstitel sowie Jahr aufschlüsseln . Die erfragten Angaben sind in der Anlage 1 dargestellt. 2. Welche Kosten sind dem Land Sachsen-Anhalt in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2016 für die Durchführung von zwangsweisen Rückführungen entstanden bzw. welche Mittel sind in den Haushaltsplänen für die Jahre 2016 und 2017 diesbezüglich vorgesehen? Bitte nach Haushaltstiteln aufschlüsseln . Die erfragten Angaben sind in der Anlage 1 dargestellt. 3. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage KA 7/96 (Drucksache 7/217) sowie die Beantwortung der Kleinen Anfrage KA 6/8742 (Drucksache 6/4043) beziffern die Personen, die aus Sachsen-Anhalt in den Jahren 2013 bis einschließlich 2016 in ihre Herkunftsländer oder in einen Mitgliedstaat der EU zurückge- 2 führt bzw. überstellt wurden. Ist es der Landesregierung möglich, statistische Angaben zu Alter und Geschlecht der betroffenen Personen zu machen ? Wenn ja, bitte nach Geschlecht und, wenn möglich, nach den Alterskohorten 0 bis 13, 14 bis 49 sowie 50 und älter aufschlüsseln. Die erfragten Angaben können nachstehenden Aufstellungen entnommen werden. 2013 ges.: 338 2014 ges.: 628 m w m w 0 - 13 57 48 0 - 13 99 77 14 - 49 161 63 14 - 49 343 81 50 + 4 5 50 + 17 11 222 116 459 169 2015 ges.: 997 2016 ges.: 846 m w m w 0 - 13 218 62 0 - 13 129 86 14 - 49 591 94 14 - 49 454 139 50 + 31 1 50 + 27 11 840 157 610 236 4. In wie vielen Fällen konnte bei aus Sachsen-Anhalt zwangsweise rückgeführten Personen ein erneuter Aufenthalt dieser Personen in Sachsen-Anhalt oder in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt werden? In den sachsen-anhaltischen Ausländerbehörden wurde in den Jahren 2013 bis 2016 insgesamt in 194 Fällen ein erneuter Aufenthalt zwangsweise rückgeführter Personen festgestellt. 5. Wie lange haben sich die in Frage 3 benannten Personen durchschnittlich in Sachsen-Anhalt respektive in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten? Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer abgeschobener Personen wird statistisch nicht erfasst. Von den Ausländerbehörden beispielhaft angegebene Aufenthaltszeiträume bewegen sich im Einzelfall zwischen mindestens drei Monaten und höchstens 20 Jahren. 6. Wie viel Zeit verging dabei durchschnittlich zwischen Erlöschen des Aufenthaltstitels und der tatsächlichen Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme? Eine Statistik zur Zeitdauer zwischen dem Erlöschen eines Aufenthaltstitels und der tatsächlichen Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wird nicht geführt . Unabhängig davon erhalten eine Vielzahl von Ausreisepflichtigen, z. B. abgelehnte Asylbewerber und illegal eingereiste Ausländer, i. d. R. keinen Aufenthaltstitel im 3 Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), so dass in derartigen Fällen auch kein Aufenthaltstitel erlöschen kann. 7. In wie vielen Fällen und in welchem Umfang konnten die im Zuge der Durchführung einer Rückführung entstandenen Kosten bei dem jeweiligen Ausländer bzw. einem Kostenschuldner oder Beförderungsunternehmer im Sinne des § 66 AufenthG beigetrieben werden? Statistische Daten zu § 66 AufenthG liegen der Landesregierung nicht vor. 8. Wie gestaltet sich grundsätzlich das Prüfverfahren zur allfälligen Haftbarmachung von Ausländern bzw. Kostenschuldnern oder Beförderungsnehmern im Sinne des § 66 AufenthG? Die Vorschrift des § 66 AufenthG regelt, wer die in § 67 AufenthG näher beschriebenen Kosten der Abschiebung gemäß § 58 AufenthG zu tragen hat. Danach kommen nachfolgende Personen als Kostenschuldner in Betracht: der Ausländer (§ 66 Abs. 1 AufenthG), welchem auch durch eine Auflage aufgegeben werden kann, die voraussichtlichen Kosten anzusparen, der Verpflichtungsgeber (§ 66 Abs. 2 AufenthG), welcher sich auf der Grundlage des § 68 AufenthG der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung gegenüber zur Tragung der Ausreisekosten verpflichtet hat, der Beförderungsunternehmer in Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 AufenthG nach Maßgabe des § 67 Abs. 2 AufenthG für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Wer einen Ausländer, welchem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes nicht erlaubt war, als Arbeitnehmer beschäftigt hat, haftet gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorrangig vor dem Ausländer. Die Aufzählung der Kostenschuldner in § 66 AufenthG ist nicht abschließend . Letztlich ist eine normative Zurechnung vorzunehmen. So ist es beispielsweise auch möglich, den Arbeitgeber, der den Nutzen aus der Anwesenheit des illegal aufhältigen Ausländers gezogen hat, zu den Abschiebungskosten heranzuziehen. Der Verpflichtete ist nach § 66 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich zur Kostenerstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedarf. Die Rechtsprechung verlangt jedoch, dass die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens entscheidet, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten eingeräumt werden. Besonderheiten des Einzelfalles sind insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die individuelle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht erst im Vollstreckungsverfahren, sondern bereits bei der Geltendmachung der Kostenforderung zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 24. November 1998, AZ: 1 C 33.97). 4 Die Forderung wird durch die zuständige Ausländerbehörde im Rahmen eines Leistungsbescheides gegen den oder die Kostenschuldner geltend gemacht. 9. In wie vielen Fällen konnte eine angeordnete und bereits terminierte Rückführung nicht durchgeführt werden bzw. musste die Durchführung abgebrochen werden? a. Welche Gründe (bspw. Krankheit, Untertauchen des Ausländers, Klagen etc.) lagen dafür im Einzelnen vor? b. In wie vielen Fällen waren für Abbruch oder Verzug des Rückführungsvorgangs Widerstandshandlungen seitens des betroffenen Ausländers oder Widerstandshandlungen Dritter ursächlich? Bitte im Einzelnen nach Vorfall und allfälligem Tatverlauf, Anzahl der Beschuldigten, Straftatbestand aufschlüsseln. Die erfragten Angaben sind in der Anlage 2 dargestellt. 10. In welchem Umfang sind dem Land Sachsen-Anhalt respektive den die Rückführung durchführenden Bundesländern durch Abbrüche und Verzögerungen im Sinne der Frage 9 Mehrkosten entstanden und, falls dies der Fall ist, wurden diese dem Land Sachsen-Anhalt in Rechnung gestellt? Wenn dies der Fall ist, konnten Teile dieser Kosten durch Inregressnahme von Verursachern ausgeglichen werden? Sofern möglich, bitte pro Fall einzeln angeben. Aufgrund fehlender statistischer Erhebungen wäre hierzu eine Auswertung von über 7.600 Einzelfällen in den Ausländerbehörden des Landes notwendig, die in der Kürze der für die Beantwortung von Kleinen Anfragen vorgegebenen Zeit nicht realisierbar ist. 5 6 Nr. 3 bis 6: Im Haushalt der Landespolizei (Kapitel 0320 und 0321) sind, abgesehen von der Fahrzeugbeschaffungsmaßnahme 2016, ebenfalls keine Haushaltsmittel zweckgebunden für die zwangsweise Rückführung von Ausländern veranschlagt. Der Ist-Mittelabfluss wurde anhand der für den Bereich Rückführungen tatsächlich anfallenden Kosten (z.B. geleistete Mannstunden, entstandene Sachkosten ) ermittelt. Nr. 7 bis 11: Bis zum 30. November 2016 nahm der Landkreis Harz die Aufgaben der Zentralen Abschiebestelle (ZAbSt) nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO- Kom) eigenverantwortlich wahr. Seit dem 1. Dezember 2016 übernimmt das neu geschaffene Referat „Zentrales Rückkehrmanagement “ des Landesverwaltungsamtes die Tätigkeiten der zwangsweisen Rückführungen. Die Kosten zur Durchführung von zwangsweisen Rückführungen, die bislang in dem Erstattungstitel 633 75 für den Landkreis Harz geplant waren, sind ab dem Haushaltsjahr 2017 auf die Titel 533 75, 537 75 und 632 75 im Kapitel 0363 aufgeteilt. 7 Anlage 2 Jahr: 2013 2014 2015 2016 geplant: 1.097 2.194 3.573 3.605 freiwillige Ausreise nach Passbeschaffung und Buchung: 73 118 241 170 vollzogen: 338 628 997 846 nicht vollzogen: 686 1.448 2.335 2.589 Gründe für Nichtvollzug: abgängig / nicht angetroffen: 250 776 1.252 1.606 Asylantrag/Folgeantrag: 5 6 28 11 Bleiberechtsregelung: 4 Eheschließung mit deutschem Partner: 4 2 4 3 Eheschließung mit aufenthaltsberechtigtem Ausländer: 1 4 deutsches Kind / ausl. Kind mit Aufenthaltsberechtigung: 10 15 17 10 Rechtsmittel: 68 20 111 117 Strafverfolgung / keine Freigabe durch Staatsanwaltschaft: 5 3 19 69 Härtefallersuchen / Weisung übergeordneter Dienststelle: 47 34 65 24 krank: 98 86 126 78 Krankheit Familienangehöriger: 96 153 89 Mutterschutz: 7 3 5 3 Mutterschutz Familienangehöriger: 8 16 14 Schwangerschaft: 13 7 8 1 Schwangerschaft Familienangehöriger: 17 26 Kirchenasyl: 13 26 33 Renitenz: 21 30 38 56 Ablehnung*: 55 138 251 282 Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis: 8 1 Fristablauf (Dublin-Fälle): 43 14 9 Überbuchung: 34 verstorben: 1 sonstiges**: 95 151 135 180 * Ablehnung z.B. durch: Zielland, Transitflughafen / Durchbeförderung, Bundespolizei, Fluggesellschaft ** z. B. Stau, Flugausfall, Verspätungen, Verlust Pass oder Passersatzpapier, Streiks, Demonstrationen In den Fällen eines Abbruchs aufenthaltsbeendender Maßnahmen aufgrund des Verhaltens der Ausreisepflichtigen handelt es sich meist um verbale Äußerungen und passiven Widerstand, aufgrund dessen der jeweilige Flugkapitän die Beförderung ablehnte . In einem Fall wurden beispielsweise die Begleitbeamten der Polizei und der begleitende Arzt durch den Ausreisepflichtigen angegriffen und leicht verletzt. Strafantrag wurde gestellt. In einem Fall der Behinderung durch Dritte wurde durch die Polizei Strafanzeige wegen Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte erstattet. Im Detail sind die einzelnen Vorgänge nicht abbildbar.