Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/844 18.01.2017 (Ausgegeben am 18.01.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Jan Wenzel Schmidt (AfD) Islamistische Gefährder in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/445 Vorbemerkung des Fragestellenden: Laut Bundesministerium des Inneren handelt es sich laut bundeseinheitlich abgestimmter polizeilicher Definition bei einem Gefährder um „eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung , begehen wird.“ In diesem Zusammenhang werden Personen als relevant bezeichnet, „wenn sie innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnimmt und objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt, oder es sich um eine Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders, eines Beschuldigten oder eines Verdächtigen einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer solchen im Sinne des § 100a StPO, handelt.“ Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der parlamentarische Informationsanspruch ist grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Bei der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage sind teilweise schutzwürdige Daten betroffen, welche nicht ohne weiteres veröffentlicht werden können. Die Preisgabe detaillierter Informationen zu Erkenntnissen über Gefährder oder relevante Personen mit islamistischem Hintergrund 2 könnte Rückschlüsse auf sensible Verfahrensweisen und Taktiken der Sicherheitsbehörden ermöglichen. Das Bekanntwerden dieser Informationen ließe somit befürchten , dass die wirksame Bekämpfung von islamistischen Bestrebungen beeinträchtigt würde und hierdurch dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt Nachteile zugefügt würden. Ein Teil der Antwort der Landesregierung muss insoweit als Verschlusssache eingestuft werden. Hierbei wird der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt gefolgt, nach der bei der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Parlament unter Geheimhaltungsaspekten wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen mit einbezogen werden können (vgl. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013, Az.: LVG 14/12; Urteil vom 25. Januar 2016, Az.: LVG 6/15). Hierzu zählt auch die Geheimschutzordnung des Landtages. Die Einstufung als Verschlusssache ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen geeignet, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter staatlicher Geheimhaltungsinteressen der Landesregierung zu befriedigen (vgl. Artikel 53 Absatz 3 und 4 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt). 1. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung über Gefährder mit islamistischem Hintergrund in und aus Sachsen-Anhalt? Bitte die Anzahl angeben und nach Alter, Herkunft, Geschlecht, religiösem Hintergrund, Staatsbürgerschaft sowie Aufenthaltsstatus aufschlüsseln. 2. Nahmen islamistische Gefährder aus Sachsen-Anhalt an Kampfhandlungen im Ausland teil? Bitte Zeitraum, Kampfgebiet und Kampfverband angeben . 3. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung über relevante Personen mit islamistischem Hintergrund in und aus Sachsen-Anhalt? Bitte die Anzahl angeben und nach Alter, Herkunft, Geschlecht, religiösem Hintergrund , Staatsbürgerschaft sowie Aufenthaltsstatus aufschlüsseln. 4. Fanden in der Vergangenheit Gefährdungsansprachen von Gefährdern oder relevanten Personen mit islamistischem Hintergrund statt? 5. Wie viele Gefährder oder relevante Personen mit islamistischem Hintergrund wurden in der Vergangenheit abgeschoben oder ausgewiesen? Auf welcher Grundlage wurden diese Maßnahmen vollzogen oder unterlassen ? Stehen Abschiebungen von Gefährdern oder relevanten Personen mit islamistischem Hintergrund aus? Die Fragen 1 bis 5 werden im Zusammenhang beantwortet: Die Mitteilung der der Landesregierung zu den Fragen 1 bis 5 vorliegenden Informationen ist in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil der Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich. Zur Begründung wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung zu dieser Kleinen Anfrage verwiesen. 3 Der als Verschlusssache eingestufte Teil der Antwort der Landesregierung steht den Abgeordneten des Landtages deshalb in der Geheimschutzstelle des Landtages von Sachsen-Anhalt zur Einsichtnahme zur Verfügung. 6. Existieren Netzwerke oder netzwerkartige Strukturen mit islamistischem Hintergrund in Sachsen-Anhalt? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Existenz von Netzwerken oder netzwerkartigen Strukturen mit islamistischem Hintergrund in Sachsen -Anhalt vor. 7. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung in Bezug auf islamistische Einstellungen bei Asylbewerbern in Sachsen-Anhalt? Gibt es Hinweise auf gezielte Zuwanderung von Islamisten nach Deutschland? Die erste Teilfrage legt die Landesregierung dahingehend aus, dass der Anfragesteller eine Auskunft begehrt, ob der Landesregierung Erkenntnisse vorliegen , dass in Sachsen-Anhalt wohnhafte Asylsuchende dem religiös motivierten Extremismus in der Ausprägung des Islamismus zuzuordnen sind. Dahingehende Erkenntnisse liegen der Landesregierung in einzelnen Fällen vor. Die zweite Teilfrage legt die Landesregierung dahingehend aus, dass der Anfragesteller eine Auskunft begehrt, ob der Landesregierung Erkenntnisse vorliegen , dass Islamisten aus einer islamistischen Motivation gezielt in Deutschland eingereist sind. Solche Erkenntnisse liegen der Landesregierung in Bezug auf das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt nicht vor. In Bezug auf das übrige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wird auf die Zuständigkeit des jeweiligen Bundeslandes sowie auf die der betreffenden Bundesbehörden verwiesen. 8. Welche Organisationen oder Einzelpersonen mit islamistischem Hintergrund waren bisher öffentlich in Sachsen-Anhalt aktiv? Welche Veranstaltungen wurden bisher durchgeführt? Bitte Datum, Ort, Art der Veranstaltung sowie Kurzzusammenfassung angeben. Der Landesregierung liegen Erkenntnisse vor, wonach im Rahmen der sogenannten bundesweiten „LIES!“ Aktionen bereits seit 2014 auch in Sachsen- Anhalt vereinzelte Verteilaktionen von Materialien zum Islam stattgefunden haben . Im Rahmen dieser Aktionen wurden Korane der „LIES! Verlagsgesellschaft “ verteilt. Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 15. November 2016 wurde ein Vereinsverbot gegen die „LIES! Stiftung“ und deren Umfirmierung in „Die wahre Religion“ (DWR) mit einer Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Inneren vom 25. Oktober 2016 ausgesprochen. Die im Vorfeld der Verbotsverfügung durchgeführten Verteilaktionen in Sachsen -Anhalt erfolgten ausschließlich in Halle (Saale). An folgenden Tagen konnten beschriebene Verteilaktionen verifiziert werden: 13. September 2014, 29. November 2014, 10. Mai 2015, 27. Januar 2016, 6. Februar 2016, 5. März 4 2016, 9. April 2016, 22. April 2016, 29. April 2016, 14. Mai 2016, 20. Mai 2016, 10. Juni 2016, 19. August 2016, 24. September 2016 und 12. November 2016. Die Verteilaktionen in Halle (Saale) verliefen ohne Zwischenfälle und hatten nahezu keine öffentliche Resonanz. Unter Nutzung von mobilen Ständen wurden hier ausschließlich Korane der „LIES! Verlagsgesellschaft“ verteilt. Eine aktive Ansprache der Bevölkerung hat nur in Einzelfällen stattgefunden. Eine Anmeldung der Stände erfolgte nicht. Die hierzu erhobenen Erkenntnisse basieren daher zum großen Teil aus anlassbezogenen Recherchen im Internet, insbesondere bei Facebook. Der ausstehende Teil der Antwort der Landesregierung auf diese Frage ist als Verschlusssache eingestuft worden. Sie kann bei der Geheimschutzstelle des Landtages nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Landtages eingesehen werden. 9. Welche Organisationen oder Einzelpersonen mit islamitischem Hintergrund in Sachsen-Anhalt werden derzeit vom Verfassungsschutz beobachtet ? Bitte Beobachtung begründen. Derzeit sammelt die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt Informationen zu den in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten islamistischen Personenzusammenschlüssen. Grund für die jeweilige Informationssammlung ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt (Verf- SchG-LSA). Lfd. Nr. Bezeichnung des Personenzusammenschlusses 1 „Salafistische Bestrebungen“ 2 „Islamischer Staat“ (IS) 3 „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) 4 „Muslimbruderschaft“ (MB) 5 „Tablighi Jama’at“ (TJ) 6 „Nordkaukasische Separatistenbewegung“ (NKSB) Zu Personen, welche nicht in oder für einen dieser Personenzusammenschlüsse handeln und deshalb gemäß § 5 Absatz 1 Satz 3 VerfSchG-LSA als „Einzelpersonen “ anzusehen sind, sammelt die Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt derzeit keine Informationen. 10. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um Islamismus und religiös motivierten Straftaten vorzubeugen? Die Landesregierung begegnet dem religiös motivierten Extremismus insbesondere in der Ausprägung des Islamismus mit umfangreichen Maßnahmen in 5 Öffentlichkeit und Verwaltung. So sensibilisiert sie seit der vergangenen Legislaturperiode im Rahmen ihrer Präventionsarbeit Bürgerinnen und Bürger sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insbesondere in Kommunen, Polizei und Justiz zu den ideologisch-religiösen Hintergründen des Islamismus. Ziel dieser Maßnahmen ist zum einen die Vermittlung von Wissen über die Unterschiede zwischen islamischer Religion und islamistischem Extremismus sowie über die in Erscheinung tretenden unterschiedlichen islamistischen Gruppierungen in Deutschland. Zum anderen sollen konkrete Handlungsempfehlungen zum Erkennen von Radikalsierungstendenzen gegeben werden. So wurden allein im Jahr 2016 insgesamt zehn Vorträge und zwei Workshops zur Sensibilisierung von Verwaltungen und Kommunen speziell zum Thema Islamismus ge- bzw. abgehalten sowie eine eigene Publikation veröffentlicht. In weiteren sieben Vorträgen zum Schwerpunkt „Extremismus“ war das Thema Islamismus enthalten. Zudem enthalten die Verfassungsschutzberichte des Landes Sachsen-Anhalt bereits seit dem Jahr 2008 Ausführungen zu islamistischen Personenzusammenschlüssen (z. B. „Nordkaukasische Separatistenbewegung“) und seit dem Jahr 2012 auch Ausführungen über „Salafistische Bestrebungen“ in Sachsen- Anhalt. Über diese Informations- und Sensibilisierungsmaßnahmen hinaus hat die Landesregierung das Thema Islamismusprävention in das Landesprogramm „Demokratie , Vielfalt und Weltoffenheit“ aufgenommen, um interministeriell und auf allen Ebenen der Landes- und Kommunalbehörden in Sachsen-Anhalt gleichermaßen einen wirkungsvollen Ansatz zum Vorbeugen von Islamismus und religiös motivierten Straftaten verfolgen zu können. Des Weiteren wurde eine Konzeption der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt zum Erkennen islamistischer Terroristen erarbeitet und bereits im Jahr 2010 in Kraft gesetzt. Ziel hierbei ist die frühestmögliche Aufdeckung islamistischer Strukturen sowie das Erkennen und Verhindern von Vorbereitungshandlungen terroristischer Anschläge, um so einer Gefährdung der Bevölkerung vorzubeugen . Die Konzeption regelt den Ablauf der Hinweisbearbeitung und sieht zudem einen engen Austausch mit den Ausländerbehörden des Landes und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor. Auch hier werden Verdachtsmomente im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten der Polizei übermittelt , die im Rahmen der Bearbeitung von Asylverfahren bzw. der Betreuung von Flüchtlingen festgestellt werden. Darüber hinaus wird ein permanenter Austausch in das bundesweit agierende Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) gewährleistet. Hierzu sind jeweils ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt und der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt als ständige Verbindungsbeamte in das GTAZ entsandt worden. Das Land Sachsen-Anhalt beteiligt sich zudem im Rahmen des GTAZ an verschiedenen präventiven Arbeits- und Projektgruppen .