Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/910 30.01.2017 (Ausgegeben am 31.01.2017) Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung Abgeordneter Dietmar Krause (CDU) Waschbär in Sachsen-Anhalt Kleine Anfrage - KA 7/463 Vorbemerkung des Fragestellenden: Der Waschbär (Procyon Iotor) ist eine gebietsfremde, invasive Art, die allerdings in Deutschland als etabliert gilt. In einigen Regionen Deutschlands wird sogar bereits von einer Plage ausgegangen, da der Waschbär als Neozoon keine natürlichen Feinde hat. Außer Fraßschäden in urbanen Gebieten, der Übertragung des Waschbärenbandwurms (Baylisascaris procyonis) bedroht er insbesondere die Vogelwelt. Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie 1. Wie groß ist die Population des Waschbären in Sachsen-Anhalt (sofern keine konkreten Zahlen vorliegen, bitte schätzen)? Wo liegen Hauptverbreitungsgebiete ? Wildtiere sind nicht zählbar. Die Größe der Population des Waschbären in Sachsen-Anhalt lässt sich daher nicht konkret beziffern. Auch mit einer Schätzung lassen sich keine hinreichend genauen Angaben zur Populationsgröße machen. Lediglich die Jagdstrecke in einem bestimmten Gebiet kann als Weiser für das Vorkommen des Waschbären sowie eine höhere bzw. geringere Individuendichte je 100 ha Jagdfläche herangezogen werden. Im Jagdjahr 2015 (1. April 2015 bis 31. März 2016) belief sich die Jahresstrecke beim Waschbären in Sachsen-Anhalt auf insgesamt 23.114 Tiere. Den höchsten Anteil hatte dabei der Landkreis Stendal (4.299 Tiere), gefolgt vom Landkreis Harz (2.665 Tiere) und dem Altmarkkreis Salzwedel (2.532 Tiere). Dieses könnte, bei vergleichbarer Jagdintensität, ein Indiz für die dortige vergleichswei- 2 se hohe Populationsdichte des Waschbären und somit die Hauptverbreitungsgebiete des Waschbären in Sachsen-Anhalt sein. 2. Wie wird die Bestandsentwicklung seit 2000 eingeschätzt? Ist mit einem weiteren Aufwuchs der Population bzw. einer weiteren Verbreitung zu rechnen (bitte ggf. schätzen)? Seit rund zweieinhalb Jahrzehnten ist anhand der jährlichen Jagdstrecken eine starke Aufwärtsentwicklung und Ausbreitung der Waschbärpopulation festzustellen . Dies entspricht einem in ganz Deutschland beobachtbaren Trend. Im Jagdjahr 1992 wurden in Sachsen-Anhalt 11 Waschbären erlegt. Im Jagdjahr 2000 lag die Jagdstrecke bei 247 Tieren. Im Jagdjahr 2011 waren es bereits rund 12.090 Tiere, wobei Waschbären in 73 Prozent aller rund 1.800 Jagdbezirke in Sachsen-Anhalt zur Strecke kamen. Mit der Jahresstrecke von 23.114 Waschbären im Jagdjahr 2015 hat sich die Strecke gegenüber dem Stand von 2011 nahezu verdoppelt und gegenüber dem Jahr 2000 auf das rund 94fache erhöht. Der Anstieg der Jagdstrecken lässt den Schluss zu, dass im gleichen Zeitraum ein rasanter Anstieg der Population des Waschbären in Sachsen-Anhalt stattgefunden hat. Genauere Angaben zur Bestandsentwicklung sind jedoch nicht möglich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in den nächsten Jahren aufgrund der hohen Vermehrungsrate des Waschbären ein weiterer Anstieg der Population vollzieht und der Waschbär auch Gebiete besiedelt, in denen er bislang noch nicht verbreitet war. Besonders in menschlichen Siedlungsräumen werden sich die Tiere vermutlich weiter ausbreiten. 3. Auf welchen Zahlen fußt die Einschätzung der Populationsentwicklung? Gibt es ein Monitoring? Die Einschätzung der Populationsentwicklung fußt auf der Jagdstatistik des Landes Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus beteiligt sich der Landesjagdverband Sachsen-Anhalt e. V. am Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD), das im Herbst des Jahres 2000 vom Deutschen Jagdverband ins Leben gerufen wurde. Ziel dieses langfristigen Projektes ist die bundesweite Erfassung ausgewählter Wildtierarten (darunter der Waschbär) mit wissenschaftlichen Methoden, um künftig über abgesichertes Datenmaterial zu verfügen. Nach dem jüngsten Jahresbericht 2014 (basierend auf den Daten des Jagdjahres 2013) bleiben Populationsschwerpunkt und damit gleichzeitig Bejagungsschwerpunkt das Land Hessen sowie die angrenzenden Landkreise Nordrhein- Westfalens, Niedersachsens und Thüringens, gefolgt von Sachsen-Anhalt und dem nördlichen Brandenburg. 4. Wie hat sich die Zahl der Waschbären in der Jagdstrecke in den letzten zehn Jahren entwickelt? Im Zeitraum von 2005 bis 2015 stieg die Jagdstrecke beim Waschbären von 2.166 auf 23.114 Tiere an. Die Jagdstreckenstatistik für das Jagdjahr 2016 (das 3 am 31. März 2017 endet) wird dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Anfang Juni 2017 von der oberen Jagdbehörde vorgelegt. 5. Welche Gefährdung geht von den Waschbären für einheimische Arten und den Menschen aus? Wie gefährlich ist hierbei die mögliche Übertragung des Waschbärenbandwurms? Der Waschbär zählt, obwohl Allesfresser, zur Gattung der Raubtiere. Er schädigt vor allem in Gewässernähe nachhaltig Gelege von seltenen und besonders geschützten, insbesondere boden- und koloniebrütenden Vogelarten. Bereits häufiger wurde beobachtet, dass er Greifvogelhorste, wie zum Beispiel des Roten Milans annektiert und diese nach dem Vertilgen der Gelege oder der Brut als Schlafplatz nutzt. Weiterhin wurde der Einfluss des Waschbären auf einen Brutbestand des Graureihers im Naturschutzgebiet „Auwald bei Plötzkau“, den Greifvogelbestand im Hakel, den Großtrappenbestand im Fiener Bruch, baumbrütende Mauersegler im Selketal und die Kormorankolonie im Elbe-Saale- Winkel nachgewiesen. In Thüringen vertreibt er nach Erkenntnissen von Ornithologen inzwischen jeden fünften Uhu von seinem Horst und gefährdet damit diese geschützte Art. Belegt ist auch, dass der Waschbär eine ernsthafte Bedrohung für die Europäische Sumpfschildkröte in ihren letzten Rückzugsgebieten darstellt. An diesen wenigen Beispielen ist erkennbar, dass der Waschbär für den Fortbestand anderer heimischer Tierarten einen erheblichen negativen Einfluss haben kann. Für eine direkte Gefährdung des Menschen durch den Waschbären gibt es nach Kenntnis der Landesregierung bisher keinen Beleg. Krankheiten sind beim Waschbär jedoch ein ernst zu nehmendes Thema. Neben Spulwürmern und Räudemilben können die Tiere auch Überträger des Staupevirus, der Aujeszkyschen Krankheit und des Canine Parvovirus sein. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage KA 6/7279 verwiesen (Drucksache 6/705). 6. Wie wird die Gefährdung der Arten, für die das Land besondere Verantwortung trägt, durch den Waschbären eingeschätzt? Siehe Antwort zu Frage 5. 7. Gibt es Daten/Erhebungen oder Schätzungen über Schäden, die durch Waschbären entstehen (bitte nach Schäden in und außerhalb von Siedlungsgebieten unterscheiden)? Wie hoch sind die Schäden (ggf. schätzen )? Entsprechende Daten/Erhebungen oder Schätzungen liegen der Landesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 3 der Kleinen Anfrage KA 6/7279 verwiesen (Drucksache 6/705). 4 8. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Bestand zu verkleinern? Gibt es Pläne zur Minderung des Bestands und wer soll diese umsetzen? Die Jägerinnen und Jägern versuchen mit Waffe und Falle der Ausbreitungstendenz des Waschbären in den Revieren so gut es geht entgegenzuwirken. Offenbar reicht aber - wie die Entwicklung der Jagdstrecken zeigt - der jagdliche Eingriff nicht aus, um den Bestand nachhaltig zu reduzieren bzw. den weiteren Anstieg der Population zu bremsen. Wegen der nächtlichen Lebensweise der Waschbären und des nicht überall möglichen Einsatzes von Schusswaffen ist eine Intensivierung der Bejagung von Waschbären nur mittels Fallen möglich. Die Fallenjagd hat sachgerecht und tierschutzgerecht zu erfolgen und ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Die Jägerschaften des Landes und der Landesjagdverband bieten seit Jahren Lehrgänge zur sachgemäßen Ausübung der Fallenjagd speziell auf Waschbären und andere Raubsäuger an. 9. Wie wird hierbei (8.) und insgesamt bei der Thematik Waschbärenpopulation die Landesforstverwaltung mit einbezogen? Die Landesforstverwaltung ist bei der vorliegenden Thematik nicht in besonderer Weise einbezogen. 10. Wie unterstützt die Landesregierung die Initiativen der Jäger zur Regulierung des Waschbärenbestands? Das Landesverwaltungsamt als obere Jagdbehörde unterstützt auf Antrag geeignete Projekte zur Regulierung des Waschbärenbestandes aus Mitteln der Jagdabgabe (§ 22 Abs. 2 des Landesjagdgesetzes für Sachsen-Anhalt). Dabei können zum Beispiel Zuwendungen für die Anschaffung von Fallen zur Intensivierung der Bejagung oder die Durchführung von Gruppenlehrgängen zur Fangjagd gewährt werden. Im Vordergrund steht dabei ein gezieltes Prädatorenmanagement zum lokalen Schutz von naturschutzfachlich wertvollen Gebieten /Arten. Die intensive Bejagung des Waschbären in Sachsen-Anhalt ist eine Daueraufgabe der Jägerschaft, die nach den vorhandenen Möglichkeiten wahrgenommen wird. Spezielle Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung bestehen dabei nicht. 11. Wie kann gerade in befriedeten Bezirken (Siedlungsbereich) die Waschbärenplage weiter eingedämmt werden? Aufgrund der äußerst scheuen und nachtaktiven Lebensweise des Waschbären kommt hierfür aus Sicht der Landesregierung nur eine intensive und tierschutzgerechte Fallenjagd durch Personen in Betracht, die die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Nach § 8 des Landesjagdgesetzes dürfen Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von befriedeten Bezirken (hierzu zählen u. a. Gebäude, Hofräume und Hausgärten ) unabhängig von jagdrechtlichen Beschränkungen Waschbären fangen, töten und für sich behalten. Sofern sich Waschbären in bebauten Gebieten zu 5 einer Plage entwickeln, können sich die Bürgerinnen und Bürger in diesen Fällen an die Ordnungsämter der Kommunen wenden. Diese können die Bürgerinnen und Bürger beraten oder im Rahmen der Gefahrenabwehr Gegenmaßnahmen einleiten. 12. Wie wird in Sachsen-Anhalt die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in Bezug auf den Waschbären umgesetzt? Für die Umsetzung der genannten EU-Verordnung in den Ländern bedarf es zunächst einer bundesrechtlichen Regelung. Ein entsprechender Gesetzentwurf befindet sich nach Informationen der Landesregierung derzeit in der Ressortabstimmung zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Bundeslandwirtschaftsministerium .