STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VFRBR/\UCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FUR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 1 0 1 01 097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Volkmar Zschocke, Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/10148 Thema: Forschung zu Antibiotika-Resistanzen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2015 gemeinsam mit den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART 2020" erarbeitet. Sie wurde im Mai 2015 vom Bundeskabinett verabschiedet ." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Studien hat die Staatsregierung im Forschungsbereich der Human- und Veterinärmedizin zu Antibiotika-Resistanzen in Auftrag gegeben und welche landespolitischen Maßnahmen wurden bisher daraus abgeleitet? 2012/2013 wurde im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (SMS) eine Prävalenzerhebung zum Vorkommen Carbapenemase-bildender Bakterien in sächsischen Kliniken durchgeführt. Insgesamt nahmen 1.037 Patienten in 53 sächsischen Kliniken an der Studie teil. Bei 0,3% der Patienten wurden Carbapenemase-Bildner, bei 0,9% Carbapenem-resistente Bakterien ohne Carbapenemasen und bei 16,0% ESBL (Extended-Spectrum-ß-Lactamase)-Bildner nachgewiesen. Bereits 2012 wurde in die ,,Verordnung des Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz über die Erweiterung der Meldepflicht für übertragbare Krankheiten und Krankheitserreger nach dem lnfektionsschutzgesetz , vom 3. Juni 2002, rechtsbereinigt mit Stand 16. Dezember 2012" wegen der MRE-Entwicklung die Labormeldepflicht für Acinetobacter, Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa mit eingeschränkter Carbapenem-Empfindlichkeit bzw. bei gleichzeitigem Vorliegen von Resis- Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 21-0141 .51-17/374 Qresden, j-. August 2017 Hausanschrlft: Sächsisches Staatsministerium fOr Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 10 01097 Dresden www sms.sachsen.de STAATSM1N1STER1UM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ tenzen gegen die bakteriziden Antibiotikagruppen aufgenommen. Auf Bundesebene wurden die entsprechenden Meldepflichten erst am 01 .05.2016 in der lfSG- Meldepflicht-Anpassungsverordnung umgesetzt. Derzeit bis Ende 2018 wird im Auftrag des SMS die Studie "Prävalenzstudie zum Vorkommen multiresistenter Bakterien in Sachsen" durchgeführt. Neben den multiresistenten gramnegativen Stäbchen (MRGN, dazu zählen auch die Carbapenemase-Bildner und die ESBL-Bildner) wird hier auch auf weitere multiresistente Erreger (MRE) wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycinresistente Enterokokken) untersucht. Die Studienteilnehmer kommen sowohl aus Krankenhäusern und Alten- und Altenpflegeheimen als auch aus niedergelassenen Praxen. Somit wird hier auch erstmalig für Sachsen der ambulante Bereich bzgl. MRE- Verbreitung abgebildet. Des Weiteren soll das Projekt auch Risikofaktoren aufzeigen, die eine MRE-Besiedlung begünstigen, woraus ggf. angepasste Screening- Empfehlungen resultieren sollen. Ein wichtiges Projekt ist außerdem die möglichst flächendeckende Erhebung von Resistenzdaten bei ausgewählten Erregern in Sachsen. Vom SMS wurde in diesem Zusammenhang die Anbindung von 15 sächsischen mikrobiologischen Laboratorien an ARS (Antibiotika-Resistenz-Surveillance in Deutschland) des Robert Koch Instituts (RKI) finanziert (Zur-Verfügung-Stellung der benötigten Software, ihrer Schnittstelle zum Labor-Informations-System, zeitlich befristet des entsprechenden Supports). Die Daten sollen durch das RKI an die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheitsund Veterinärwesen (LUA) Sachsen rückübermittelt werden. Nach Auswertung der Resistenzdaten für Sachsen durch die LUA sollen diese den Ärzten als Entscheidungshilfe zum rationalen Einsatz von Antibiotika zugänglich gemacht werden. Erste Daten wurden durch das RKI zur Verfügung gestellt, die nun ausgewertet werden. Da mit jeder Antibiotikagabe ein Selektionsdruck auf die Bakterien ausgeübt wird, der die Resistenzbildung fördert, ist der Antibiotikaeinsatz ein wichtiger Ansatzpunkt zur Vermeidung von Resistenzentstehung, der optimiert werden muss. Für den Bereich Humanmedizin wurde daher ein Projekt zur Surveillance von Daten zum Antibiotikaverbrauch in Krankenhäusern des Freistaates Sachsen durchgeführt. Das Projekt "Diagnosegerechter Einsatz von Antibiotika im ambulanten Bereich in Sachsen", das ebenfalls durch das SMS gefördert wurde, wurde u.a. deshalb ins Leben gerufen, weil 80% der in Deutschland in der Humanmedizin eingesetzten Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet werden. ln diesem Projekt wurden durch das Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) der Technischen Universität Dresden in Zusammenarbeit mit der AOK PLUS Sachsen und Thüringen und der AG Surveillance und Antibiotika-Strategie des MRE-Netzwerkes Sachsen GKV- Routinedaten der Jahre 2005- 2014 analysiert und die Verordnungshäufigkeit von verschiedenen Antibiotikagruppen bei infektiologischen Diagnosen (u. a. akute Infektionen der oberen Luftwege, akute Bronchitis, akute Tonsillitis, Otitis media, Scharlach, Erysipel und Pneumonie) abgeschätzt. Ziel der Studie war, regionale, facharztgruppen- oder diagnose-assoziierte Auffälligkeiten zu identifizieren, die ggf. Ansatzpunkte für Verbesserungen wären. Eine Kontaktaufnahme mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und dem Sächsischen Hausärzteverband ist erfolgt, um ggf. weiterführende Interventionen zu entwickeln. Seite 2 von 5 Freistaat SACHSEN STAATSM IN ISTERI UM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUT7 Außerdem wurde über insgesamt drei Jahre das Projekt "Untersuchungen zur wirksamen Desinfektion von bedeutenden gegen Antibiotika multiresistenten Erregern in der Human- und Veterinärmedizin" umgesetzt. Frage 2: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Antibiotika und den Entwicklungstendenzen von Resistenzen für Sachsen seit der Einführung des Tierarzneimittelregisters zur Erfassung von Abgabemengen von Antibiotika in Deutschland (TAR) gewonnen? Dazu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. 2011 wurde in Deutschland erstmals die Verpflichtung für pharmazeutische Unternehmer und Großhändler eingeführt, jährlich die Abgabemengen zu bestimmten Tierarzneimitteln regional aufgegliedert an das zentrale Tierarzneimittelregister zur Erfassung von Abgabemengen von Antibiotika in Deutschland zu melden. Die Meldung erfolgt aufgeschlüsselt nach den ersten zwei Ziffern der Postleitzahl, unter der die belieferten Tierärzte gemeldet sind, also eine Zuordnung der abgegebenen Mengen zu Postleitzonen (erste Ziffer: 0-9) und Postleitzahlenbereichen (ersten beiden Ziffern: 01-99). Eine eindeutige Zuordnung zu den Ländern oder Kreisen oder Tierärzten ist nicht möglich. Damit können auch keine Zusammenhänge auf Ebene der Bundesländer hergestellt werden. Frage 3: Welche MRSA Keime sind in Sachsen bei Mensch und Tier nachgewiesen durch eine sogenannte Wirtsadaption? ln Sachsen besteht neben der bundesweiten Labormeldepflicht für MRSA-Nachweise aus Blut oder Liquor (2016: Anzahl 257) auch eine Labormeldepflicht für den Nachweis PVL-positiver (CA-)MRSA (2016: Anzahl64). Die Hauptnachweise von MRSA betreffen jedoch Proben asymptomatischer Träger, die im Rahmen des risikoadaptierten Aufnahmescreenings im Krankenhaus im Nasenvorhof gefunden werden oder MRSA von infizierten oder besiedelten Wunden. Diese Nachweise unterliegen nicht der gesetzlichen Meldepflicht über die Gesundheitsämter an die LUA, sondern sind nach § 23 Abs. 4 lfSG in den Einrichtungen selbst zu erfassen. Sollte eine Typisierung erfolgen, dann sind die Ergebnisse dem jeweiligen Fall in der Einrichtung zugeordnet. Insgesamt ist aus den für die Humanmedizin in Deutschland veröffentlichten Daten in den letzten Jahren sowohl ein Rückgang der MRSA-Rate bei den Staphylococcus aureus-lsolaten als auch ein Rückgang der Infektionen mit MRSA zu beobachten. Es ist wahrscheinlich, dass dies u. a. auf die lfSG-Änderung 2011 , Kurse zum rationalen Antibiotika-Einsatz, Antibiotic Stewardship in den Kliniken, die novellierte KRINKO- Empfehlung MRSA und nicht zuletzt auf die bundesweite Arbeit der MRE-Netzwerke (Surveillance, rationaler Antibiotika-Einsatz, Hygienemaßnahmen, Kommunikation) seit dem Beschluss der 79. Gesundheitsministerkonferenz im Jahre 2006 zurückzuführen ist. Es ist bekannt, dass MRSA des klonalen Komplexes CC398 unter den an Tierbestände angepassten "LA-MRSA" (livestock-associated MRSA) die wichtigste Rolle spielen, dies vor allem in Schweinemastbetrieben. Ihre Ausbreitung im Krankenhaus (Mensch -7 Mensch, Mensch -7 Umgebung -7 Mensch) erfolgt im Unterschied zu den "HA- MRSA" (hospital-associated MRSA) bisher nur selten. Gemäß einer niederländischen Studie weisen LA-MRSA CC398 im Vergleich zu klassischen Krankenhaus-assoziierten Seite 3 von 5 Freistaat SACHSEN STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIAL ES UND VERBRAUCHERSCHUTZ (HA-)MRSA-Kionen eine 5,9fach geringere Transmissionswahrscheinlichkeit in Krankenhäusern auf. Für Deutschland insgesamt gesehen lag der Anteil von LA-MRSA CC398 an allen untersuchten MRSA aus nosokomialen Infektionen bei 2,4%. ln einer Stichprobe von MRSA-Isolaten aus Blutkulturen aus dem gesamten Bundesgebiet betrug der Anteil von LA-MRSA 1,7%. Diesbezügliche Daten für Sachsen sind uns nicht bekannt. Frage 4: Welche konkreten Schritte zur Eindämmung von behandlungsassoziierten Infektionen und Antibiotika-Resistanzen im human- und Veterinärmedizinischen Bereich wurden seit 2015 in Sachsen umgesetzt? Die AG Hygienemaßnahmen/Kommunikation des MRE-Netzwerkes des Freistaates Sachsen hat eine Vielzahl von Informationsmaterialien zu MRE für Patienten und Angehörige , Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, ambulante und stationäre Pflegedienste sowie den Rettungsdienst/Krankentransport erstellt und auf der Website des MRE-Netzwerkes publiziert (http://www.mre-netzwerk.sachsen.de; http://www.gesunde.sachsen.de/24497.html). Seit 2015 wurden zur Eindämmung von behandlungsassoziierten Infektionen u. a. Dokumente für das Personal und Patienten von Rehakliniken sowie Hygieneempfehlungen für Krankenfahrten entwickelt: • Patienten mit MRSA in Rehabilitationseinrichtungen • Informationsblatt für Patienten mit 3MRGN in Rehabilitationseinrichtungen • Informationsblatt für Patienten mit 4MRGN in Rehabilitationseinrichtungen • Personal-Informationsblatt zum Umgang mit Patienten mit MRSA in Rehabilitationskliniken • Personal-Informationsblatt zum Umgang mit Patienten mit MRGN in Rehabilitationskliniken (insbesondere 4MRGN) • Hygiene-Empfehlungen für Krankenfahrten nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) • Protokoll zur MRSA-Dekolonisierung • Informationsblatt für Patienten zur MRSA-Dekolonisierung Die übrigen Dokumente zur Eindämmung von behandlungsassoziierten Infektionen stammen bereits aus den Jahren davor. Durch Fortbildungen zu Hygienemaßnahmen bei MRE sowie zum Antibiotika-Einsatz z. B. in regionalen MRE-Netzwerken und bei der Sächsischen Landesärztekammer wurden die diesbezüglichen Informationen an die anzusprechenden Akteure im Gesundheitswesen verbreitet. Siehe auch die Antworten zu den Fragen 1 und 5. Frage 5: Unterstützt Sachsen Selbstverpflichtungen zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatz auf Bundes- oder Landesebene? Wenn ja, mit welchem Ergebnis ? Wenn nicht, bitte begründen. Sachsen unterstützt die Selbstverpflichtung zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes auf Bundes- oder Landesebene. Seite 4 von 5 Freistaat SACHSEN STAATSM IN ISTERI UM FÜR SOZIALES UND VF RBRAUCI l ERSCHUTZ Es ist angedacht, die in Sachsen erhobenen Daten zum Auftreten von Resistenzen mit denen zum Antibiotika-Verbrauch zu korrelieren. Lokale bzw. reg ionale Empfehlungen zur Antibiotika-Therapie sollen erstellt und Strategien für einen rationalen Einsatz von Antibiotika entwickelt werden. Dazu gehört ein Fortbildungsprogramm zum rationalen Antibiotika-Einsatz, das in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung seit 2013 erfolgreich durchgeführt wird . Es richtet sich v.a. an niedergelassene Ärzte als Hauptverordner von Antibiotika. Auf Landesebene wurden ein Faltblatt für Patienten ("Therapie mit Antibiotika - und was Sie darüber wissen sollten") und ein Poster zum Aushang in Arztpraxen ("Wieso bekomme ICH keine Antibiotika?") entwickelt. Zur Information von interessierten Laien wurde auch das "MRE-Lexikon" herausgegeben, das die wichtigsten Begriffe und Sachverhalte auf dem Gebiet der Resistenzen I multiresistenten Erreger verständlich erklärt. Mit freundlichen Grüßen Seite 5 von 5 Freistaat SACHSEN 2017-08-09T07:49:13+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes