Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Li ndena u-Platz I 01067 Dresden Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1 040E-KLR-2451 /1 7 Dresden, íZ.seqtember 2017 Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10419 Thema: Forderung des Bundesjustizministers Heiko Maas nach mehr Staatsanwälten und Richtern Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,þl.@. ln der Ausgabe Nr. 25 der WirtschaftsWoche vom 16.06.2017 unter der Überschrift "Mehr Härte wagen!" und der Unterzeile: "Deutschland brauch keinen 'schlagen Staat', sondern mehr Staatsanwälte und Richter ." vertritt der seit 2013 im Amt befindliche Bundesminister der Justiz und für VerbraucherschuE Heiko Maas erkennbar die Auffassung, dass Hausanschr¡n: in der Bundesrepublik Deutschland ein eklatanter Manget an Richtern ;ïÏ:ìij*staatsminrsterrum STAÀTSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 | 01 097 Dresden und Staatsanwälten herrscht, wörtlich: "Der Richtermangel in den Ländern kann zur Gefahr für die innere Sicherheit werden." Weiter bekundet der Bundesjustizminister in diesem Beitrag unter Bezug auf die föderale Zuständigkeit der Länder für die Justiz: "Wenn die Länder die Justizhoheit behalten wollen, müssen sie ihre Gerichte und Staatsanwaltschaften personell, finanziell und technisch ordentlich ausstatten und attraktive Arbeitsbedingu ngen bieten."" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-1500 Telefax +49 351 564-1509 staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Hospitalstraße 7 01 097 Dresden Br¡efpost über Deutsche Post 01 095 Dresden www.justiz,sachsen.de/smj Verkehrsverb¡ndung: Zu erreichen m¡t Shaßenbahnl¡nien 3,6,7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang i¡ber Einfah rt Hospitalstraße 7 Zugang für eleklronisch s¡gniêrtê sow¡o firr verschltrsselte ôlektron¡sche Dokumentê nur ilber das El€ktron¡sche Gerichts- und VeMaltungspostfach; nåhore lnformalionen unt€r w.agvp.de Seite 1 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ÐNq'¿rlÈ\årltrffi\ry Frage 1: Sieht die Staatsreg¡erung analog dem Bundesjustizminister e¡nen derzeit bereits bestehenden und im Zusammenhang mit dem in den 2020-er Jahren beginnenden hohen Eintrittanteil von Richtern und Staatsanwälten in den Ruhestand sich noch verstärkenden Mangel an Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Richterinnen und Richtern und wenn ja, was konkret wird durch die Staatsreg¡erung unternommen , um diesen Mangelzu beseitigen bzw. zu minimieren? Die Anforderungen an die sächsische Justiz haben sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Neben dem Anstieg der Zahl gerichtlicher Verfahren infolge des Zustroms von Asylsuchenden sehen sich auch die Staatsanwaltschaften mit einem stark wachsenden Geschäftsanfall und zunehmend hoch komplexen Ermittlungsverfahren konfrontiert. Darüber hinaus steht die sächsische Justiz vor enormen Herausforderungen, die sich aus der extrem unausgewogenen Altersstruktur im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich ergeben. Ein großer Teil der in den Nachwendejahren neu eingestellten - damals etwa 30-jährigen - Richter und Staatsanwälte wird innerhalb eines Korridors von nur wenigen Jahren in den Ruhestand eintreten. Allein zwischen 2026 und 2030 werden mit ca. 470 Bediensteten rund ein Drittel aller Richter und Staatsanwälte im Freistaat Sachsen aus dem aktiven Dienst ausscheiden. ln den letzten Jahren wurde bereits auf diese veränderten Bedingungen reagiert und es wurde - insbesondere auch durch den Sächsischen Landtag innerhalb der Doppelhaushalte 201512016 und 201712018 - die Personalausstattung der sächsischen Justiz gestärkt. Verankert im Doppelhaushalt 201512016 wurden insgesamt 56 Stellen durch die Umwandlung von Stellen anderer Laufbahnen innerhalb der Justiz befristet geschaffen. lm aktuellen Doppelhaushalt stehen verteilt auf die beiden Jahre 2017 und 2018 - im Zusammenhang mit einer Reduzierung des der Justiz auferlegten Stellenabbaus - zusätzlich weitere insgesamt 64 Stellen für die Einstellung junger Proberichter und Versetzungsbewerber zur Verfügung. Gegenwärtig sind bereits 155 Proberichter - dies entspricht gut 10 o/o aller Richter und Staatsanwälte im Freistaat Sachsen - an sächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften tätig. Seite 2 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN il\r#tlÈtvJÊ\u\=iY Daruber hinaus wurden zw Entzetrung der Altersstruktur im Rahmen der Dienstrechtsreform zeitlich befristete Sonderregelungen für den Ruhestandseintritt der unter Richtern und Staatsanwälten besonders stark vertretenen Jahrgänge 1958 bis 1964 getroffen (g 5 Abs. 2, Abs. 3 SåchsRiG). Richter und Staatsanwälte der Jahrgånge 1958 bis 1961 haben die Möglichkeit, bis zu dreieinhalb Jahre vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus dem aktiven Dienst auszuscheiden, wobei ein moderat ansteigender Versorgungsabschlag vorgesehen ist. Richter und Staatsanwälte der Jahrgänge 1962 bis 1964 dagegen können den Eintritt in den Ruhestand bis zu drei Jahre hinausschieben, wobei ein nicht ruhegehaltsfähiger Zuschlag gewährt wird. Flankierend zu den Maßnahmen im Rahmen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes stellt die Einführung der Amtsanwaltslaufbahn ein weiteres lnstrument dar, um den Generationenumbau im höheren Justizdienst punktuell zu unterstützen. Der absehbare Personalverlust bei den Gerichten infolge des Ruhestandseintritts der am stärksten vertretenen Jahrgänge wird voraussichtlich zu einem erheblichen Personalwechsel von den Staatsanwaltschaften zu den Gerichten führen. Mit den oben genannten Maßnahmen wurden frühzeitig erste Weichen insbesondere für die Gewinnung der für den Generationenumbau unvezichtbaren qualifizierten jungen Richter und Staatsanwälte gestellt und damit ein wichtiger Beitrag ftir eine auch weiterhin funktionsfähige Justiz im Freistaat Sachsen geleistet. Frage 2: Wie bewertet die Staatsregierung die von Bundesjustizminister Heiko llllaas in besagtem Beitrag auch in Bezug genommenen Berechnungen des Deutschen Richterbundes , wonach in der Bundesrepublik ca. 2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen und welche Berechnungen hat die Staatsregierung ihrerseits diesbezüglich für Sachsen angestellt? Wie in allen anderen Bundesländern wird auch im Freistaat Sachsen der Personalbedarf für die Gerichte und Staatsanwaltschaften nach dem bundeseinheitlich verwendeten System zur Personalbedarfsberechnung (PEBBSY) ermittelt. Der Personalbedarf nach PEBBSY entspricht der notwendigen Personalausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften , mit der dem Justizgewährungsanspruch angemessen Rechnung getragen Seite 3 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN E-\qt¡lÈVrlrl\qhJ\ry wird. lm Freistaat Sachsen kann daran gemessen der aktuelle Personalbedarf an Richtern und Staatsanwälten dank der schon getroffenen Maßnahmen gegenwärtig weitgehend , aber nicht vollständig gedeckt werden; dies gilt insbesondere in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wegen der dezeit außerordentlich hohen Eingänge in Asylsachen während der letzten zwei Jahre. Vor dem Hintergrund der insoweit bereits erfolgten Verstärkung und der perspektivisch wieder zurückgehenden Neueingänge ist allerdings auch bei den Venrvaltungsgerichten langfristig mit einer Entspannung zu rechnen. lm Übrigen wird von der Beantwortung der Frage ,,Wie bewertet die Staatsregierung die von Bundesjustizminister Heiko Maas in besagtem Beitrag auch in Bezug genommenen Berechnungen des Deutschen Richterbundes, wonach in der Bundesrepublik ca. 2.000 Richter und Staatsanwälte fehlen" abgesehen. Die Staatsregierung ist dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher lediglich in Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Letzteres ist hier der Fall, soweit ein Mangel an Richtern und Staatsanwälten in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt angesprochen wird. Die personelle Situation anderer Länder liegt ebenso wenig wie die des Bundes im Verantwortungsbereich der Staatsregierung. Die Staatsregierung hat auch keine Erkenntnisse dazu, ob und wenn ja wie viele Richter und Staatsanwälte deutschlandweit fehlen und auf welcher Grundlage die Berechnung des Deutschen Richterbundes erfolgt ist. Sie ist in Angelegenheiten, die nicht in ihre Verantwortlichkeit fallen, auch nicht verpflichtet, die angefragten lnformationen in Erfahrung zu bringen. Frage 3: Hat die Staatsregierung ihrerseits Erkenntnisse, dass die vom Bundesjustizminister getroffene Aussage auch für den Freistaat Sachsen zutrifft, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht ausreichend personell, finanziell und technisch ausgestattet sind, über unzureichend attraktive Arbeitsþedingungen verfügen und unter Zeitdruck stehen, worunter die Qualität der Arbeit leidet? Eine angemessene personelle, finanzielle und technische Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist ein besonderes Anliegen der Staatsregierung. Sie bildet die Grundlage für eine leistungsfähige und effiziente Justiz im Freistaat Sachsen. Die säch- Seite 4 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN tq!-\çil w sischen Gerichte und Staatsanwaltschaften verfügen derzeit über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel. Die aufgrund der Asylkrise gestiegenen Kosten bei den Verwaltungsgerichten konnten durch Mittelumschichtungen innerhalb des Einzelplans 06 abgedeckt werden. Alle Arbeitsplätze sind bereits mit moderner lnformationstechnik ausgestattet. Während die sächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften demnach technisch und finanziell angemessen ausgestattet sind, kann eine bedarfsgerechte Besetzung ganz überwiegend, aber noch nicht in allen Bereichen gewährleistet werden. Es sind jedoch große Anstrengungen unternommen worden, dem enormen Anstieg der Verfahrenseingänge insbesondere bei den sächsischen Staatsanwaltschaften und Verwaltungsgerichten durch eine entsprechende Personalausstattung Rechnung zu tragen. Die weitere personelle Stärkung der sächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften ist für die innere Sicherheit in Sachsen und für das Vertrauen der Bevölkerung in einen funktionierenden Rechtsstaat eine zentrale Herausforderung, kann jedoch nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Freistaates Sachsen erfolgen. Auch die Anforderungen, die an die Justizbediensteten gestellt werden, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt und werden sich mit der Einführung der elektronischen Akte auch noch weiter verändern. Um die hohe Qualität der Arbeit der Justiz in den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu sichern, wurden bereits vielfältige Maßnahmen zut Verbesserung und Optimierung der Arbeitsbedingungen ergriffen. Das im Jahr 2010 eingeführte dienststellenspezifische, systematische Gesundheitsmanagement in der sächsischen Justiz leistet einen wichtigen Beitrag dazu, in Gerichten und Staatsanwaltschaften tragbare Lösungen für die Bewältigung des Arbeitsalltags zu finden und mit einer neuen Achtsamkeit für die Gesundheit der Mitarbeiter Arbeitsabläufe weiter zu entwickeln. Neue Arbeitsformen, flexible Arbeitszeitmodelle und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tragen ebenfalls zur Attraktivität des Justizdienstes im Freistaat Sachsen bei. Dementsprechend herrscht bislang noch kein Mangel an qualifizierten Bewerbern für den sächsischen Justizdienst. Seite 5 von 7 5TAÀTSMINISTERIUM ÐER JUSTIZ Freistaat SACHSEN il\Yt#È\ürlld\údËv Frage 4: Erachtet die Staatsreg¡erung die Wertung des Bundesjustizministers als auch für Sachsen zutreffend, dass "Erledigungszahlen we¡tgehend über die berufliche Karr ¡ere entscheiden" - geme¡nt die von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Richterinnen und R¡chtern abzuarbeitenden Fallzahlen nach dem Personalberechnungssystem PEBBSY und dass in der Justiz "ökonomis¡erungstendenzen" vorherrschen ? Die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um ein Beförderungsamt erfolgt wie in allen anderen Bundesländern auch im Freistaat Sachsen nach dem Grundsatz der Bestenauslese . Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 91 Abs. 2 SächsVerf gewähren jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung , Befähigung und fachlicher Leistung. Auf Basis dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben dürfen Amter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte oder Richter den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem anderen Amt voraussichtlich bewähren wird. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 91 Abs. 2 SächsVerf entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat. Die Anzahl der erledigten Verfahren kann dabei eines von vielen Kriterien sein, mit denen sich staatsanwaltliche oder richterliche Arbeit - letztere unter Wahrung der richterlichen Unabhångigkeit - bemessen und bewerten lässt. Es stellt aber keineswegs das einzige oder gar wesentliche Kriterium zur Einschätzung der Leistung von Richtern und Staatsanwälten dar. Die Verwaltungsvorschritt des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über die dienstliche Beurteilung der Richter und Staatsanwälte einschließlich der Anforderungsprofile für Eingangs- und Beförderungsämter vom 9. April 2013 enthält für sämtliche Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst des Freistaates Sachsen Anforderungsprofile. Aus diesen ergeben sich die Anforderungen , die an Beamte bzw. Richter in den jeweiligen Statusämtern zu stellen sind. Durch die Festlegung dieser Anforderungsprofile werden objektiv die Auswahlkriterien festgelegt , die die Bewerber erfüllen müssen. Zu den Grundvoraussetzungen gehören demnach z.B. vielseitige Rechtskenntnisse, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit, Verantwortungsbewusstsein sowie logisch-analytisches Denkvermögen und Kommunikations- Seite 6 von 7 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ÐN*r#ÈVrlÊ\SËdw fähigkeit. Regelerfordernis für die Mehrzahl der Beförderungsämter innerhalb der sächsischen Justiz ist zudem die Bewährung in verschiedenen Sachgebieten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der nach PEBBSY ermittelte Personalbedarf in erster Linie als Orientierungs- und Entscheidungshilfe ft¡r die Aufstellung des Personalhaushalts dienen soll. Die mit PEBB$Y ermittelten Werte stellen des Weiteren eine Richtschnur für die Personalzuteilung an den einzelnen Dienststellen dar. Dagegen kommt PEBBSY gerade nicht die Funktion eines Leistungsmessers für den einzelnen Richter bzw. Staatsanwalt zu. ,,Okonomisierungstendenzen" in der sächsischen Justiz können aus Sicht der Staatsregierung nicht bestätigt werden. Frage 5: Hat die Staatsregierung Erkenntnisse, wonach die Zuständigkeit der Länder für die Justiz, respektive deren "Justizhoheit" zur Disposition steht? Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 7 von 7 2017-09-13T08:41:29+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes