STAATSMINlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 1 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10431 Thema: Nachfrage zur Drs. 6/10141 - Hintergründe des Todes von Schabas AI-Aziz - Medizinische Versorgung von Geflüchteten Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Am 11. August reagierte die taz in ihrer Online-Ausgabe auf die Antwort der Landesregierung auf die Drs. 6/10141 (http://www.taz.de/!5439406/)" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wurde im Einzelfall des im Januar 2017 verstorbenen und am 17. April in einem Waldstück bei Dorfhain gefundenen Schabas Saleh AI-Aziz eine Prüfung auf Gewährung sonstiger Leistungen nach den Maßgaben des § 6 AsylbLG vom Sozialamt beziehungsweise durch den Betreuer vollzogen und die Gewährung beantragt vor dem Hintergrund, dass die in Drs. 6/10141 angeführten Recherchen der taz. Am Wochenende es unerlässlich erscheinen lassen, dass bei diesem individuellen Krankheitsbild sonstige Leistungen zur Sicherung der Gesundheit hätten gewährt werden müssen und wenn nein, warum wurde die Prüfung und Beantragung unterlassen? Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sind den leistungsberechtigten Ausländern zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Daneben können nach § 6 Absatz 1 AsylbLG sonstige Leistungen insbesondere dann gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind; die Leistungen sind als Sachleistungen , bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren. Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 45-0141.51-17/737 ~sden, ~xJ September 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 0 01097 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Nach den Angaben des für die Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes als untere Unterbringungsbehörde zuständigen Landkreises Sächsische Schweiz- Osterzgebirge hat dieser auf Grundlage beider Vorschriften auf Antrag des Betroffenen Kosten für ambulante und stationäre Behandlungen, Krankentransporte, Notfallbehandlungen , Dolmetscherleistungen, häusliche Krankenpflege und Medikamente in Höhe von ca. 95.500 EUR für das Jahr 2016 übernommen. ln dieser Summe sind unter anderem auch Aufwendungen für Dolmetscher (ca. 7.400 EUR) und für Krankentransporte einschließlich Luftrettung (ca. 11.000 EUR) enthalten. Solche Leistungen können im Einzelfall als "sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen" nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden, wenn ein hinreichender Bezug zur Abwehr von Akutund Schmerzzuständen besteht. Anderenfalls kann in Ausnahmefällen eine Gewährung auf Grundlage des § 6 Absatz 1 AsylbLG in Betracht kommen, wobei die Abgrenzung der Rechtsgrundlagen für die im konkreten Einzelfall zur Gesunderhaltung erbrachten Leistungen sich als schwierig darstellen kann (vgl. BT-Drucksache 12/4451, Seite 9 f.). Von einer nachträglichen differenzierten juristischen Bewertung, welcher der beiden Rechtsgrundlagen welche der dem Betroffenen konkret erbrachten Leistungen rechtlich zuzuordnen ist, wird abgesehen, weil die Staatsregierung nicht verpflichtet ist, aus Anlass einer Kleinen Anfrage in Bezug auf einen vorgetragenen Fall in eine Rechtsprüfung einzutreten oder einen vorgetragenen Fall rechtlich zu bewerten. Von einer Beantwortung der weitergehenden Frage, ob der Betreuer des Betroffenen über die beantragten Leistungen hinaus die Gewährung von sonstigen Leistungen im Sinne des § 6 Absatz 1 AsylbLG geprüft hat, wenn nein, warum nicht, und, wenn ja, warum er insoweit von einer Antragstellung abgesehen hat, wird abgesehen. Der Betreuer führt die Betreuung im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises selbständig und eigenverantwortlich . Er unterliegt keinen bindenden Anweisungen des Betreuungsgerichts; dieses hat nach § 1837 Absatz 2 BGB nur bei Pflichtwidrigkeiten durch Ge- und Verbote einzuschreiten. Der Vollzug der Aufgaben des Betreuers liegt deshalb außerhalb des Aufgaben- und Verantwortungsbereiches der Staatsregierung. Frage 2: Im genannten o.g. taz Artikel spricht eine Ärztin davon, dass das Sozialamt Pirna die Kostenübernahme "in der Regel" verweigert habe: Welche Haltung vertritt die Staatsregierung zu diesem Vorwurf und wird die Staatsregierung wegen des Widerspruchs in der öffentlichen Darlegung des Sachverhalts prüfen ob das Sozialamt tatsächlich für eine unterbrechungsfreie, medikamentöse Versorgung gesorgt hat? Von einer Beantwortung des ersten Teils der Frage (Haltung der Staatsregierung) wird abgesehen. Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Das Fragerecht dient nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht dazu, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten , die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten Informationen zu verschaffen (SächsVerfGH, Urteil vom 22. April 2004, Vf. 44-1-03). ln Bezug auf den zweiten Teil der Frage (Prüfung) bestehen keine Gründe und Anhaltspunkte dafür, dass die dienstlichen Aussagen des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge die Bearbeitung von Behandlungsanfragen und Arzneien betreffend nicht wahrheitsgemäß wären. Das Landratsamt hat dem Staatsministerium des lnnern entsprechende Krankenkosten für die Erstattung gemäß § 10 Absatz 3 des Seite 2 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes gemeldet. Dem Erstattungsantrag sind auch Nachweise beigefügt. Die Darstellung in dieser Frage kann daher nicht nachvollzogen werden und auf Grund der Pauschalität auch nicht geprüft werden. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung darüber wie und in welchen zeitlichen Abständen der Betreuer des AI-Aziz durch das zuständige Betreuungsgericht kontrolliert wurde? Die Führung der Aufsicht über die Tätigkeit der Betreuer obliegt den Betreuungsgerichten in richterlicher Unabhängigkeit. Der Betreuer führt die Betreuung im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises selbständig und in eigener Verantwortung. Das Betreuungsgericht hat die Tätigkeit des Betreuers deshalb allein darauf zu überwachen, ob sich die Handlungen des Betreuers innerhalb der gesetzlichen Schranken halten und gegen Pflichtwidrigkeiten einzuschreiten. Die Aufsicht beschränkt sich damit auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handeins des Betreuers und erstreckt sich nicht auf Zweckmäßigkeitsfragen, die im Ermessen des Betreuers liegen. Dies vorausgeschickt wird die Frage wie folgt beantwortet: Anlässlich der Bestellung des vorläufigen Betreuers durch Beschluss des Amtsgerichts Kamenz vom 23. Dezember 2015, des Wechsels des vorläufigen Betreuers durch Beschluss des Amtsgerichts Dippeldiswalde vom 28. April 2016 und der Bestellung desselben Betreuers im Hauptsacheverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts Dippeldiswalde vom 14. September 2016 wurde nach Mitteilung des Amtsgerichts Dippoldiswalde jeweils die Eignung des Betreuers gerichtlich überprüft. Hinsichtlich der auch ohne konkreten Anlass zwingend zu ergreifenden Maßnahmen der Aufsicht und der zeitlichen Abstände dieser Maßnahmen beschränkt sich das Bürgerliche Gesetzbuch auf die Vorgabe, dass die Rechnungslegung über die Vermögensverwaltung und, im Bericht über persönlichen Verhältnisse des Betreuten, Angaben zu den persönlichen Kontakten des Betreuers zum Betreuten jährlich mitzuteilen sind, wobei das Betreuungsgericht das Rechnungsjahr bestimmt. Die Betreuung wurde wegen des unbekannten Aufenthalts des Betroffenen durch Beschluss des Amtsgerichts Dippeldiswalde vom 29. März 2017, vor Ablauf der gesetzlichen Fristen für die Rechnungslegung, aufgehoben. Nach Beendigung des Verfahrens hat der Betreuer die Schlussabrechnung vorgelegt. Über weitere aufsichtliche Maßnahmen der Betreuungsgerichte gegenüber den Betreuern des Betroffenen liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Der Staatsregierung liegen auch keine Erkenntnisse über ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten der Betreuer vor, das über die gesetzlich vorgeschriebenen Rechnungslegungs- und Berichtspflichten hinaus anlassbezogen ein aufsichtliches Einschreiten der Betreuungsgerichte erforderlich gemacht hätte. Seite 3 von 4 Freistaat SACHSEN Frage 4: STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Welche Richter*innen welches zuständigen Betreuungsgerichts waren für die Aufsicht des Geflüchteten verantwortlich? Das Betreuungsgericht führt nicht die Aufsicht über den zu Betreuenden. Es überwacht vielmehr die Tätigkeit des Betreuers. Mit freundlichen Grüßen Seite 4 von 4 Freistaat SACHSEN 2017-09-14T14:45:26+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes