STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Franz Sodann, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10471 Thema: Folgen der Überarbeitung der EU-Keramikrichtlinie für die Meißner Porzellanmanufaktur Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Die EU-Kommission plant seit 2011 eine Überarbeitung der Keramikrichtlinie , welche die Beschaffenheit von Keramikgegenständen regelt, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Unter anderem definiert diese Richtlinie Grenzwerte für Schwermetalle wie Blei und Cadmium. Diese Grenzwerte sollen von derzeit 4 mg/Liter auf 10 IJg/Liter für Blei und von 0,3 mg/Liter auf 5 IJg/Liter für Cadmium sinken. Die vorgeschlagenen Grenzwerte für Blei und Cadmium sind so niedrig, dass dadurch mehr als 50 % der keramischen Farben und insbesondere die Aufglasurfarben nicht mehr eingesetzt werden können. Insbesondere die Farbbereiche Rot-Orange, intensives Gelb und Grün würden erheblich eingeschränkt bzw. ganz wegfallen. Diese Grenzwerte sind zudem so niedrig, dass sie mit den derzeit standardmäßig in der Industrie eingesetzten analytischen Methoden nicht erfasst werden können. Die vorgeschlagenen Grenzwerte würden dazu führen, dass keine Farben mehr für die über Jahrhunderte historisch gewachsene Handmalerei zur Verfügung stehen. Das trifft besonders diejenigen Porzellanmanufakturen , welche in einer über 300-jährigen Tradition Speiseporzellan von internationalem Renommee herstellen. Bisher lagen jedoch nur unzureichende wissenschaftliche Informationen über Analysemethoden und die tatsächliche Migration dieser Metalle aus keramischen Materialien in Lebensmittel vor. Um neue Grenzwerte festlegen zu können, wurde die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) der Kommission um wissenschaftliche Unterstützung gebeten. Diese wollte eine entsprechende Studie im Oktober 2016 abschließen. Auf der Grundlage der Ergebnisse wollte die Kommission über weitere Schritte zur Festlegung neuer Grenzwerte entscheiden. Im Jahr 2012 fand eine Konsultation der Interessenträger statt. Dabei ging es auch um die möglichen signifikanten Folgen neuer Grenzwerte für traditionelle und handwerkliche Keramikhersteller. ln einer Antwort Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564·5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 22-0141 .51 -17/697 ~den, r' I[ . September 2017 Hausanschrift Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 0 01097 Dresden www.sms .sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ der EU-Kommission vom 27. Juni 2016 auf eine Parlamentarische Anfrage wird ausgeführt: "Bei jeder Änderung der Grenzwerte werden die besonderen Bedürfnisse dieser Interessenträger berücksichtigt, sofern die Gesundheit der Verbraucher ausreichend geschützt werden kann." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wann hat die Staatsregierung von der beabsichtigten Veränderung der EU Keramikrichtlinie erstmals Kenntnis erlangt? Die Staatsregierung hat am 9. August 2012 mit der Vorlage eines Ersten Entwurfes einer EU-Verordnung zu keramischen Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen durch eine Nachricht des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz diesbezügliche Kenntnis erlangt. Frage 2: Welche Auswirkungen hätte nach Erkenntnis der Staatsregierung die so geplante Veränderung der EU-Keramikrichtlinie auf die Produktpalette sowie die Unternehmensbilanz der Sächsischen Porzellanmanufaktur? Nach Mitteilung der Geschäftsführung der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH hätten die derzeit von der EU-Kommission geplanten neuen Grenzwerte Auswirkungen auf das Tisch- und Tafelsortiment der Manufaktur Meissen. Betroffen wären insbesondere Dekore der Aufglasurmalerei, vor allem Teller und weitere Produkte, bei denen Speisen mit der Malerei in Berührung kommen. Je nach konkreter Farbe und Umfang der Dekoration wäre die Betroffenheit unterschiedlich stark ausgeprägt. Bestimmte historische Dekore könnten unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr ausgeführt werden. Das Farbspektrum und die Dekorvielfalt wären zukünftig, je nach finaler Festlegung der Grenzwerte und der Ausgestaltun9 etwaiger anderer Regelungen (z. B. Ausnahmen, Gestattung von Warnhinweisen o. A. ), eingeschränkt. Die möglichen Auswirkungen auf die Unternehmensbilanz lassen sich derzeit schwer abschätzen. Hinsichtlich der konkreten Szenariorechnungen wird jedoch von einer Beantwortung abgesehen. Einer Beantwortung stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikels 51 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) entgegen. Zu den Rechten Dritter zählen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2006 (1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03) werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen . Bei der Beantwortung der Frage würden in unzulässiger Weise Geschäftsgeheimnisse der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH offenbart. Bei den gewünschten Angaben handelt es sich um Geschäftsgeheimnisse, denn es müssten Umsatz- und Seite 2 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ Planungszahlen offenbart werden, deren Kenntnis Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens hat und an deren Geheimhaltung daher ein schutzwürdiges Interesse besteht. Die gefragten Daten lassen unmittelbare Rückschlüsse auf die Kalkulation des Unternehmens zu. Das Unternehmen war mit einer Offenbarung dieser Informationen auch auf Nachfrage der Staatsregierung nicht einverstanden. Die Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Abgeordneten an der Beantwortung seiner Frage und den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Geschäftsgeheimnissen ergibt, dass die Frage nicht zu beantworten ist. Denn die Offenbarung dieser Informationen kann sich unmittelbar auf den Bestand des Unternehmens auswirken, indem wichtige Betriebsinterna zugänglich werden. Den Markt der reinen Porzellanmanufakturen teilen sich wenige Unternehmen. Eine Veröffentlichung der erbetenen Zahlen würde daher zu deutlichen Nachteilen für das Unternehmen führen. Die Staatsregierung ist jedoch bereit, die Frage in einer nichtöffentlichen Sitzung des zuständigen Ausschusses unter Geheimhaltungsvermerk zu beantworten. Hierdurch bleiben sowohl die durch Art. 51 Abs. 2 SächsVerf geschützten Rechtsgüter als auch der Informationsanspruch des Parlaments aus Art. 51 Abs. 1 SächsVerf gewahrt. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die wesentlichen Ergebnisse der Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) betreffs der tatsächlichen Migration von Metallen aus keramischen Materialien in Lebensmittel? Es ist aus der Fragestellung nicht erkennbar, auf welche Studie Bezug genommen wird. Online sind verschiedene Studien des JRC mit Bezug zu keramischen Erzeugnissen einsehbar. Aus der aktuellsten Studie mit Bezug zur Fragestellung (Testing approaches for the release of metals from ceramic articles - ln support of the revision of the Ceramic Directive 84/500/EEC; Veröffentlichung 2016) ergibt sich u. a., dass eine signifikante Migration von Elementen in Tomatensauce belegt wurde. Als standardisiertes Simulanzlebensmittel eignet sich im Vergleich zur Tomatensauce 4-prozentige Essigsäure besser als die ebenfalls geprüfte 0,5-prozentige Zitronensäure. ln einer früheren Studie (Scoping investigations on the release of metals from the rim area of decorated articles (in support of the revision of Ceramic Directive 84/500/EEC); Veröffentlichung 2015) wurden Metallübergänge in Weißwein (pH 3,2) belegt. Im Ergebnis der Studien zeigen Aufglasurdekore in der Regel höhere Metallabgaben als Unterglasurdekore. Frage 4: Welche Veränderungen - insbesondere für den Anteil von Blei und Cadmium - beabsichtigt die Kommission nach gegenwärtigen Kenntnisstand der Staatsregierung an den einzelnen Grenzwerten? Die einschlägigen Veränderungen, die die Kommission nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Staatsregierung an den einzelnen Grenzwerten beabsichtigt, können der Anlage entnommen werden. Es ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass nach der aktuell gültigen Fassung der Keramik -Richtlinie die Messung im ersten Migrat erfolgt, wohingegen die neue Verordnung die Messung im (erfahrungsgemäß deutlich niedriger liegenden) dritten Migrat vorsieht. Alte und perspektivisch neue Grenzwerte sind somit nur sehr bedingt vergleichbar . Seite 3 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Eine Aktualisierung des Entwurfes der EU-Verordnung zu keramischen Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen wird von der Staatsregierung erwartet; derzeit ist jedoch nicht absehbar, wann ein aktualisierter Entwurf vorlegt wird. Frage 5: Welche Initiativen hat die Staatsregierung bisher ergriffen, um dafür zu sorgen, dass Veränderungen an der Keramikrichtlinie sowohl dem Verbraucherschutz als auch den Interessen der Porzellanmanufakturen gerecht werden? Seitens der Sächsischen Staatsregierung hat Herr Ministerpräsident Stanislaw Tillich, in seinem letzten Gespräch mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean- Ciaude Juncker, am 6. Juni 2017 in Brüssel das Thema angesprochen und sich für eine Neuregelung ausgesprochen, die den Bedürfnissen der Porzellanmanufakturen gerecht wird. ln seinem Schreiben vom 28. Juni 2017 an den Präsidenten der Europäischen Kommission hat Ministerpräsident Tillich erneut darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Überarbeitung der Keramikrichtlinie 84/500/EWG den berechtigten Interessen der Hersteller traditioneller, handwerklicher Lebensmittelkontaktmaterialien aus Keramik Rechnung tragen müsse und nicht dazu führen dürfe, die Produktion dieses Kulturguts zu verhindern. Das Kulturgut Porzellan, das von Hand hergestellt wird, dürfe nicht den gleichen Regeln unterliegen wie industrielle Massenware. Hierfür seien gesonderte Regelungen notwendig. Aus Sicht des Verbraucherschutzes würde eine separate Regelung für handwerklich hergestelltes, traditionelles Porzellan nicht mit dem Schutzziel der neuen EU- Verordnung kollidieren , da für dieses Sortiment nicht von einem täglichen Gebrauch und damit von einer geringeren Exposition des Verbrauchers im Vergleich zu klassischem Geschirr auszugehen ist. Mit freundlic Q ,;;a Kie Anlage Seite 4 von 4 Freistaat SACHSEN Anlage zur Kleinen Anfrage Drs. 6/10471 Aktuell geltende Höchstmengen der nationalen Angedachter spezifischer Migrationsgrenzwert Bedarfsgegenständeverordnung für den Übergang des Ersten Entwurfs der EU-Verordnung Lebensmittelbedarfsgegenstände auf Lebensmittel von 2012 aus Keramik Blei Cadmium Blei Cadmium - Nicht füllbare Gegenstände; Füllbare Gegenstände mit einer 0,8 mg/dm2 0,07 mg/dm2 2,0 1Jg/dm2 1,0 1Jg/dm2 Fülltiefe bis 25 mm - Füllbare Gegenstände mit einer 4,0 mg/1 0,3 mg/1 10 IJg/1 5,0 1Jgll Fülltiefe von mehr als 25 mm - Koch- und Backgeräte; Verpackungs- und 1,5 mg/1 0,1 mg/1 3,8 IJgll 1 '9 IJg/1 Lagerbehältnisse mit mehr als 3 Liter Füllvolumen 2017-09-19T10:59:18+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes