STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Hütter, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/10522 Thema: Beobachtung Identitäre Bewegung Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die Identitäre Bewegung (,IB') wird seit 2016 vom sächsischen Verfassungsschutz und auch vom Bundesverfassungsschutz beobachtet. Zahlreiche Medien geben lediglich an, dass Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung von der Gruppe verfolgt werden, nennen aber keinen konkreten Grund. Der Sächsische Verfassungsschutzbericht ist ebenfalls wenig konkret. ,Im Berichtsjahr wurde auch die IDENTITÄRE BEWEGUNG, die mit mehreren Ortsgruppen in Sachsen vertreten ist, zu einem Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Sie ist sowohl hinsichtlich ihres Personenpotenzials als auch in ihrer ideologischen Ausrichtung nicht den herkömmlichen rechtsextremistischen Strukturen zuzuordnen . Sie ist Ausdruck von Wandlungsprozessen im Rechtsextremismus . Aufgrund der Neuausrichtung von Feindbildern und der Modernisierung von Aktionsformen kristallisieren sich neue dem Rechtsextremismus zuzuordnenden Gruppierungen heraus.' - Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2016 (Vorabfassung)" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/3116 Dresden, 25. September 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SAC1-I SEN Frage 1: Auf welcher gesetzlichen Grundlage wird die ldentitäre Bewegung beobachtet? (Bitte enumerativ exakte Angabe des Beobachtungsgrundes anhand von § 2 Absatz 1 und § 3 Absatz 2 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz) Das Landesamt für Verfassungsschutz (UV) Sachsen sammelt Informationen über Bestrebungen auf Grund seiner Zuständigkeit laut § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (SächsVSG) und wertet diese aus. Bei der Identitären Bewegung (18) handelt es sich um einen Personenzusammenschluss gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 SächsVSG. Frage 2: Welche konkreten Inhalte der „freiheitlich demokratischen Grundordnung" werden durch welche konkreten Verhaltensweisen und ideologischen Positionen der ldentitären Bewegung tangiert bzw. beeinträchtigt? (Bitte genaue Angabe, ob z.B. gegen das Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip oder die Menschenwürde verstoßen wird und wodurch und genaue Angabe gegen welchen Inhalt eines der Prinzipien und wodurch exakt verstoßen wird [z.B. Verletzung des Demokratieprinzips durch Anstreben eines Einparteiensystems]. Falls die Menschenwürde beeinträchtigt wird: Bitte konkret benennen, welches Recht und wodurch [z.B. Recht auf personale Individualität].) Frage 3: Das Bundesverfassungsgericht führte im letzten maßgeblichen Urteil zum Begriff der freiheitlich -demokratischen Grundordnung mitunter folgenden Absatz aus: „Freiheitliche demokratische Grundordnung und verfassungsmäßige Ordnung sind mithin zu unterscheiden. Die freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt sich auf diejenigen Prinzipien, die unter Ausschluss jeglicher Gewaltund Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gewährleisten (vgl. BVerfGE 2, 1 <12 f.>). Davon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht dieser Ordnung aus einer Gesamtinterpretation des Grundgesetzes und seiner Einordnung in die moderne Verfassungsgeschichte (vgl. BVerfGE 5, 85 <112>) zunächst folgende acht Elemente zugeordnet: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten , vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte , das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfGE 2, 1 <13>)." Das Bundesverfassungsgericht benutzt das Wort „zunächst". Sind nach aktueller Rechtsprechung die „im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte " immer noch als Teil des Begriffs der „freiheitlich demokratischen Grundordnung" anzusehen? Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1U1V1 DES INNERN Freistaat SACHSEN Falls ja: Welche durch das Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte werden von der Identitären Bewegung durch welche Aktionen und politischen Inhalte verletzt? Falls nein: Woraus rechtfertigt sich die Existenz von § 3 Absatz 2 Nr. 7 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes? Ist die Vorschrift obsolet? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Die wesentlichen Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind in § 3 Abs. 2 SächsVSG genannt. Danach zählen dazu: 1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretungen in allgemeiner, unmittelbarer, freier , gleicher und geheimer Wahl zu wählen; 2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht; 3. das Mehrparteienprinzip sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition; 4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung ; 5. die Unabhängigkeit der Gerichte; 6. der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und 7. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte. Das Bundesverfassungsgericht führt zudem in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 im NPD -Verbotsverfahren (2 BvB 1/13) aus, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung ihren Ausgangspunkt in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) habe. Sie sei der oberste Wert des Grundgesetzes (BVerfG aa0. Rn. 538). Die IB spricht sich für eine Trennung von Ethnien und Religionen sowie die damit verbundene Rückführung von Personen aus anderen Kulturkreisen und mit anderer Religionszugehörigkeit aus. Darüber hinaus macht sie die Zuerkennung grundlegender Rechte von der ethnischen Abstammung abhängig. Daraus ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Verbot rassischer und religiöser Diskriminierung (Art. 3 Abs. 3 GG), das unmittelbar aus der Garantie der Menschenwürde folgt. Frage 4: Falls die Identitäre Bewegung ausschließlich wegen Kontakten in die rechtsextremistische Szene beobachtet wird: Wegen Kontakten zu welchen Gruppen wird sie beobachtet und wie viele der der ldentitären Bewegung zugerechneten Personen in Sachsen pflegen solche Kontakte und welchem Anteil aller der ldentitären Bewegung zugerechneten Personen entspricht dies? Die ldentitäre Bewegung wird nicht ausschließlich wegen Kontakten in die rechtsextremistische Szene beobachtet. Seite 3 von 4 STAATS1VIIN1STER1UEVI DES 'INNERN Freistaat SACHSEN Frage 5: Nach welchen Kriterien wird festgestellt, ob eine Person „Kontakte" in eine andere Szene unterhält? „Koret" im o. g. Sinne bedeutet, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine nicht nur flüchtige oder zufällige Beziehung zu einem extremistischen Personenzusammenschlüss estehen, z. B. durch Mitgliedschaft in mehreren beobachteten Personenzusamme schlüssen, Teilnahme an denselben extremistischen Veranstaltungen oder gemei same Aktionen, die Gegenstand der verfassungsfeindlichen Bestrebungen sind. Mit/ frendlichen Grüßen I Markus Ulbi Seite 4 von 4 2017-09-26T08:36:53+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes