STAATSM1N1STER11JM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10701 Thema: Aufforderung Geflüchteter durch sächsische Ausländerbehörden zur „Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie datenrechtliche Einwilligung" Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die Ausländerbehörde Görlitz fordert Geflüchtete in Anschreiben auf, eine ,Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie datenrechtliche Einwilligung' zu unterzeichnen. Eine Begründung erfolgt in den Anschreiben nicht, sie werden ausschließlich in deutscher Sprache verschickt. Der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht wird mit Strafverfolgung gemäß § 203 Abs. 1 Strafgesetzbuch geahndet." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche weiteren Ausländerbehörden verschicken die genannten und/ oder ähnliche Schreiben, die ärztliche Schweigepflicht betreffend, an in ihren Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten untergebrachten Geflüchteten und mit welcher Begründung geschieht das? Auf Nachfrage teilten die Ausländerbehörden der Stadt Dresden und der Stadt Leipzig sowie die Ausländerbehörden der Landkreise Bautzen, Meißen , Leipzig und Mitteilsachsen mit, dass sie die Ausländer darauf hinweisen , dass die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht im Interesse der Betroffenen liegt, wenn diese in bestimmten Fällen eine für sie positive Leistung der Behörde beantragt haben (z. B. Übernahme der Kosten für eine medizinische Behandlung, dezentrale Unterbringung aus medizinischen Gründen in einer Wohnung, Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel wie z. B. § 9 Abs. 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen). Die Ausländerbehörden der Landkreise Görlitz und Mittelsachsen teilten mit, dass diese Schreiben generell an alle Ausländer versandt werden. Freistaat SAC1-I SEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24a-1053/37/16 Dresden, 11. Oktober 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1 UM DES INNERN Die Stadt Chemnitz sowie die Landkreise Zwickau, Vogtlandkreis, Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowie der Erzgebirgskreis erteilten Fehlmeldung. Frage 2: Inwieweit und auf welcher Rechtsgrundlage wird einer Mitwirkungspflicht nachgekommen , wenn oben genanntes Schreiben unterzeichnet wird und welche Konsequenzen drohen den Betroffenen, wenn der so verstandenen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wird? Die Ausländerbehörden stützen sich auf § 82 Abs. 1 AufenthG, wenn sie die Ausländer darauf hinweisen, dass die beantragte Entscheidung nur ergehen kann, wenn der dafür notwendige ärztliche Befund vorgelegt wird. Die Übermittlung bzw. Vorlage dieses Befundes setzt aber die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht voraus. Sie ist eine reine Obliegenheit des Ausländers, also eine freiwillige Handlung. Kommt der Ausländer diese Obliegenheit nicht nach, muss er mit einer Entscheidung der Behörde nach Aktenlage rechnen. Frage 3: Wie viele Menschen in den Landkreisen und kreisfreien Städten Sachsens erhielten solche Schreiben und welchen Aufenthaltsstatus haben sie (bitte ab dem Zeitpunkt, ab dem die Schreiben erstmalig verschickt wurden monatsweise aufschlüsseln )? Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarischer Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Zur Beantwortung der Frage müsste der Aktenbestand der letzten Jahre einzeln händisch ausgewertet werden, d. h. nicht nur die Akten, in denen die Begünstigen eine Krankenbehandlung beantragten, sondern auch die Fälle, in denen Aufenthaltstitel erteilt , Umverteilungen beantragt oder ausreisepflichtige Personen Reiseunfähigkeit gelten gemacht haben. Allein für die Landeshauptstadt Dresden müssten derzeit für 1.257. Betroffene die Akten durchgesehen werden. Der durchschnittliche Zeitaufwand beträgt ca. 20 Minuten je Akte. Dieser Aufwand ist innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit und ohne Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung nicht leistbar. Die Staatsregierung kommt daher bei der vorzunehmenden Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Ausländerbehörden bzw. der Landesdirektion andererseits zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts von der umfassenden Beantwortung abgesehen wird. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 4: Warum werden die Geflüchteten lediglich in Deutsch über die nicht begründete und kontextualisierte Aufforderung informiert, vor dem Hintergrund, dass es sich bei der ärztlichen Schweigepflicht um ein solch hohes Gut handelt, dass ihr Bruch mit Strafverfolgung geahndet wird? Die Betroffenen haben die Möglichkeit, die Unterlagen übersetzten oder erläutern zu lassen. Die Ausländerbehörde des Landkreises Görlitz übernimmt dies als freiwillige Leistung der Behörde. Die Laedesdirktion Sachsen wird als die für den Vollzug von Ausländerangelegenheiten zu%tän rge Fachaufsichtsbehörde die Ausländer- und Unterbringungsbehörden darauf /hin eisen, dass Hinweisschreiben zur Entbindung von der ärztlichen Schweige-/ pflicht nur nlass- und einzelfallbezogen versandt werden dürfen. Frage 5: Sollte die Prüfung der Staatsregierung ergeben, dass die Schreiben einer Rechtsgrundlage entbehren, werden die bisher zugesandten, unterschriebenen Schreiben für ungültig erklärt und die Betroffenen darüber informiert? 311( Mit frdund ichen Grüßen MaJ L Vus Ulbig Freistaat SAC1-I SEN Seite 3 von 3 2017-10-11T14:31:13+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes