STAATSM1N1STERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Enrico Stange, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10706 Thema: Einsätze der „lebEL-Gruppen" der sächsischen Polizei Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In der Sächsischen Zeitung vom 09.09.2017 ist unter der Überschrift ,Weniger Warten auf das SEK' auf Seite 10 zu lesen: ‚Mehrmals pro Woche rücken die Männer und Frauen der sogenannten ‚lebEL'- Gruppe aus — immer dann, wenn Menschen in Lebensgefahr sind oder zumindest die Möglichkeit droht. ,lebEL2 steht für lebensbedrohliche Einsatzlagen. [...] Die Einsatzzüge der Dresdner Hundertschaft hätten als Erste das Konzept umgesetzt, so Polizeisprecher Thomas Geithner. Seit Sommer ist mit neuen Arbeitszeiten gesichert, dass rund um die Uhr die Interventionskräfte einsatzbereit sind. [...] Ihre Arbeit bringt neue, psychologische Herausforderungen mit sich. Im Training wird nicht nur mehr geschossen. Ganz bewusst würden die Beamten auch mit unbeherrschbaren Lagen konfrontiert — um ihnen das hohe eigene Risiko zu verdeutlichen."' Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Fragen wie folgt: Frage 1: Seit wann sind in welchen Dienststellen wie viele Beamte der sächsischen Polizei in sogenannten „lebEL-Gruppen" einsatzbereit? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststellen, Beamtinnen und Beamten, Soll- und Ist -Personalstärke!) Frage 3: Wie viele Beamtinnen und Beamte der sächsischen Polizei in sogenannten „lebEL-Gruppen" sind in der Soll -Personalstärke pro Dienstschicht einsatzbereit? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststellen!) Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 31-1053/36/46 Dresden, 11. Oktober 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 3: Freistaat SACHSEN Grundsätzlich wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 5 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/9664 verwiesen. Es handelt sich bei den „lebEL-Gruppen" nicht um strukturmäßige Organisationseinheiten . Der Begriff bezeichnet die durch die Polizeidirektionen des Freistaates Sachsen innerhalb vordefinierter Bereitschaftszeiten einzusetzenden und entsprechend ausgerüsteten Einsatzkräfte. Diese Bereitschaftszeiten wurden mit einem Erlass des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 16. Juni 2017 für alle Polizeidirektionen vereinheitlicht . Dadurch wird die Einsatzbereitschaft der „lebEL-Gruppen" zu Schwerpunktzeiten und nahezu „rund um die Uhr" sichergestellt. Darüber hinaus sieht die Staatsregierung von einer Beantwortung ab. Einer weitergehenden Beantwortung stehen überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegen (Art. 51 Abs. 2 SächsVerf). Die mit der Frage begehrten Auskünfte beziehen sich zum Teil auf Vorgänge, die gemäß Nummer 8 der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen vom 4. Januar 2008 (SächsABI. Sonderdruck Jg. 2008) als Verschlusssache eingestuft wurden . Die Einstufung erfolgte, da eine Kenntnisnahme durch Unbefugte die Wirksamkeit der den polizeilichen Maßnahmen zugrundeliegenden taktischen Konzepte schädigt. Damit werden insbesondere Leib, Leben und Gesundheit der in die Einsatzmaßnahmen eingebundenen Polizeibediensteten sowie Unbeteiligter gefährdet. Eine Verbreitung dieses Wissens an Unbefugte steht im Widerspruch zu den Schutzpflichten des Bundes und der Länder und schadet ihren Interessen. Die Schutzpflicht des Staates für Leben und körperliche Unversehrtheit ist umfassend. Sie verbietet nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe, sondern gebietet dem Staat auch, sich schützend vor dieses Leben zu stellen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren . Die Offenbarung der gewünschten Informationen gewährt Rückschlüsse auf die Verfügbarkeit von Einsatzkräften zur Erstintervention bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen, einschließlich terroristischer Angriffe, sowie auf die taktischen Einsatzkonzepte. Die Wirksamkeit solcher polizeilicher Maßnahmen wäre somit gefährdet und damit insbesondere gleichfalls die Rechtsgüter Leib, Leben und Freiheit aller Beteiligten. Würde bekannt, in welcher Personalstärke und zu welchen konkreten Zeiten Polizeivollzugsbedienstete für Einsatzmaßnahmen aus Anlass lebensbedrohlicher Einsatzlagen einsatzbereit zur Verfügung stehen, wären die polizeilichen Maßnahmen für Straftäter, insbesondere für solche, denen daran gelegen ist, in der Öffentlichkeit eine größtmögliche Opferzahl durch Waffengewalt zu verursachen, ausrechenbar. Solche potenziellen Angreifer würden auf der Grundlage regierungsamtlicher Angaben in die Lage versetzt abzuschätzen, mit welchem Umfang von Gegenwehr in welchen Zeiten zu rechnen ist. Dass potentielle Angreifer dies aufgrund der Geheimhaltung nicht können, ist ein eigenständiger Sicherheitsfaktor. Es gilt als wesentlicher taktischer Vorteil, dass das polizeiliche Gegenüber die Einsatzstärke der handelnden Polizeikräfte nicht kennt. Damit wird es dem Täter erschwert, sich auf polizeiliche Interventionsmaßnahmen einzustellen oder gar auf diese einzuwirken. Dabei spielt es sogar nur eine untergeordnete Rolle, ob die aus umfassenden Antworten gezogenen Schlussfolgerungen korrekt oder unrichtig sind. Denn in beiden Fällen droht die Tatentschlossenheit gestärkt zu werden. Seite 2 von 4 STAATSM1N1STERIUM DES INNERN se Freistaat SACHSEN Diese drohenden Beeinträchtigungen waren mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem Geheimschutz zum Schutz der Rechte Dritter und der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Behörden Vorrang vor dem Informationsanspruch des Abgeordneten zukommt. Es ist selbstverständlich nachvollziehbar, dass das parlamentarische Informationsinteresse sich etwa darauf bezieht, ob polizeiliche Maßnahmen in Fällen von lebensbedrohlichen Einsatzmaßnahmen in hinreichendem Umfang erfolgten. In diesem Fall würde jedoch die Beantwortung der Frage gefahrerhöhend für die Rechtsgüter Leib, Leben und Freiheit einer unbestimmten Anzahl von Personen wirken, da — wie dargelegt — durch diese Informationen taktische Konzepte gerade einschätzbar und damit Gegenmaßnahmen eines potenziellen Angreifers planbar bzw. machbar erscheinen würden. Die Offenlegung von konkreten Einsatzbereitschaftsstärken und -zeiten würde einen dauerhaften Schaden für die Wirksamkeit polizeilicher Einsatzkonzepte im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen Einsatzlagen und damit einen dauerhaften Schaden für die Interessen der Bundesrepublik und der Länder bedeuten. Die Sächsische Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsübermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung befriedigen könnten . Nach § 56 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages (GO) für die 6. Legislaturperiode hat das Parlament für die Behandlung der Antworten auf Kleine Anfrage ein konkretes Verfahren vorgegeben. Danach wird die Antwort zunächst dem Präsidenten zugeleitet, der sie wiederum dem Fragesteller übermittelt, § 56 Absatz 4 GO. Gemäß § 56 Absatz 5 GO werden zudem die Kleine Anfrage und die Antwort vervielfältigt und den Abgeordneten zur Kenntnis gebracht. Dies bedeutet für den 6. Sächsischen Landtag neben der erforderlichen Kenntniserlangung durch die mit der Verwaltung des Eingangs, der Vervielfältigung und der Übermittlung der Verschlusssache betrauten Personen der Landtagsverwaltung, eine Vervielfältigung der die Antwort enthaltenden Verschlusssache in weitere 125 Exemplare und deren jeweilige Übermittlung an die Empfänger. Für diese unmittelbare Zuleitung von Verschlusssachen besteht kein besonderer strafrechtlicher Schutz, da eine Regelung fehlt, wie sie gemäß § 7 der Geheimschutzordnung des Sächsischen Landtages für die Unterrichtung über jene Verschlusssachen gilt, die in einem Ausschuss behandelt werden. Nach dieser Vorschrift kann den Mitgliedern des Landtages nur dann Zugang zu und Kenntnis von Verschlusssachen gegeben werden, wenn entweder ein Geheimhaltungsbeschluss im Sinne des § 353b StGB bezüglich der Verschlusssache besteht oder wenn das Landtagsmitglied unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Geheimnisverletzung zur Geheimhaltung förmlich verpflichtet wurde. Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis und in Anbetracht der spezifischen Geheimschutzregelungen kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz und der durch diesen geleistete Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die Informationsübermittlung unterbleibt. Sollten Informationen selbst unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangen, bestünde eine Gefahr für die benannten Rechtsgüter, die gerade verhindert werden soll. Frage 2: Zu wie vielen Einsätzen wurden „lebEL-Gruppen" der sächsischen Polizei in Sachsen seit ihrem Bestehen angefordert und eingesetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Datum, Einsatzgrund, Dienststelle der Beamtinnen und Beamten, anfordernde Dienststelle, Anzahl der eingesetzten Beamtinnen und Beamten und Einsatzstunden !) Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Die Einsatzkräfte der lebEL-Bereitschaften werden, sofern keine lebensbedrohliche Einsatzlage vorliegt, lageangemessen auch zu sonstigen Einsätzen im Rahmen des täglichen Dienstes herangezogen. Eine automatisiert recherchefähige Kategorisierung, die sich auf die an einem jeweiligen Einsatz beteiligten lebEL-Bereitschaften im täglichen Dienst bezieht, existiert nicht. Die Polizeidirektionen wurden um Zuarbeit gebeten, inwiefern Erkenntnisse über Einsätze mit einem Bezug zu lebensbedrohlichen Einsatzlagen im Sinne der Fragestellung vorliegen. Jedoch existieren auch hierzu in den polizeilichen Einsatzleit- bzw. Vorgangsbearbeitungssystemen keine recherchefähigen Katalogwerte. Der Verdacht einer lebensbedrohlichen Situation kann sich im täglichen Dienst unter verschiedenen Umständen ergeben. In Betracht kommen dabei grundsätzlich alle Einsätze, bei denen der Polizei bekannt wird, dass hierbei nicht nur unerheblich gewaltträchtiges Verhalten durch Personen einzukalkulieren ist. Zusammenfassend war festzustellen, dass aufgrund der fehlenden recherchefähigen Kriterien eine gemäß Artikel 51 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen vollständige Beantwortung nicht möglich ist. Es wird daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den in der Anlage dargestellten Daten lediglich um eine Auflistung der Erkenntnisse handelt, die die Staatsregierung im Rahmen der Bearbeitung der Kleinen Anfrage erlangen konnte. Vor diesem Hintergrund wird auf die Anlage verwiesen. Frage 4: Welche Schutzausrüstung und Bewaffnung besitzen die Beamtinnen und Beamten der sächsischen Polizei in den sogenannten „lebEL-Gruppen"? Die Einsatzkräfte können unabhängig von ihrer persönlichen Ausrüstung über Schutzwesten /Plattenträger, ballistische Schutzhelme sowie Einsatzhelme, ballistische Schilde, Gehörschutz, Schutzbrillen, Körperschutzausstattung (Protektoren für Arme und Beine), Atemschutzgeräte sowie Gerätewesten verfügen. Zur Bewaffnung gehören Dienstpistolen, Maschinenpistolen, Mitteldistanzwaffen sowie Schlagstöcke. Frage 5: Welche Dienstfahrzeuge stehen den Beamtinnen und Beamten der sächsischen Polizei in den sogenannten „lebEL-Gruppen" für etwaige Einsätze zur Verfügung? Die II I sat 'kräfte können neben den Dienstkraftfahrzeugen, die der jeweiligen Organisations inh t standardmäßig zugewiesen sind, über sondergeschützte Fahrzeuge sowie über ah zeuge zum Transport von umfangreicher Ausrüstung (Zugrüstfahrzeuge) verfüge Mit fieundlichen Grüßen L Mailcus Ulbig Anlage Seite 4 von 4 Anlage zur Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/10706 Datum Einsatzgrund Dienststelle der Einsatzkräfte anfordernde Dienststelle Anzahl Einsatzkräfte Einsatzstunden 06.09.2016 Anschlagsdrohung PD Chemnitz PD Leipzig 30 187,50 29.09.2016 Bedrohungslage PD Chemnitz PD Zwickau 7 16,45 01.10.2016 Bedrohungslage PD Chemnitz 8 27 08.10.2016 Anschlagsgefahr PD Chemnitz Landeskriminalamt 18 216 02.11.2016 Durchsuchungsmaßnahmen PD Chemnitz 16 74 03.11.2016 Durchsuchungsmaßnahmen PD Chemnitz 15 35 30.11.2016 Durchsuchungsmaßnahmen PD Chemnitz 15 32,5 13.12.2016 Durchsuchungsmaßnahmen PD Chemnitz 21 103,25 20.12.2016 Präsenzeinsatz im Zusammenhang mit Anschlagsgefahr PD Chemnitz 15 217,5 21.12.2016 Präsenzeinsatz im Zusammenhang mit Anschlagsgefahr PD Chemnitz 9 81 22.12.2016 Präsenzeinsatz im Zusammenhang mit Anschlagsgefahr PD Chemnitz 20 180 23.12.2016 Präsenzeinsatz im Zusammenhang mit Anschlagsgefahr PD Chemnitz 9 90 29.12.2016 Bedrohungslage PD Chemnitz 13 187,75 30.12.2016 Bedrohungslage PD Chemnitz 25 283,75 08.02.2016 Bedrohungslage PD Chemnitz 7 87,5 Seite 1 von 2 Anlage zur Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/10706 13.02.2017 Bedrohungslage PD Chemnitz Landeskriminalamt 17 72,25 09.05.2017 Bedrohungslage PD Chemnitz 21 19,25 15.05.2017 Bedrohungslage PD Chemnitz 16 77,5 17.05.2017 Durchsuchungsmaßnahmen PD Chemnitz 42 447 22.06.2017 Es wird auf die zusammenfassende Antwort der Staatsregierung auf die Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/10100 verwiesen. Es waren sechs Einsatzkräfte im Einsatz. 20.07.2017 Bedrohungslage PD Chemnitz keine Angaben 05.08.2017 Fahndung nach bewaffneter Person PD Chemnitz PD Dresden 9 keine Angaben 04.09.2017 Bedrohungslage PD Chemnitz 13 39 24.09.2017 Verdacht Person mit Schußwaffe PD Chemnitz 17 34 Seite 2 von 2 2017-10-11T14:36:03+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes