STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Sarah Buddeberg, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/10838 Thema: Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren im Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In dem am 21. September 2017 von der Staatsregierung veröffentlichten Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen (LAP) heißt es im Kapitel 3.1 Arbeitswelt auf S. 16: ,Anonymisierte Bewerbungsverfahren könnten ein geeignetes Mittel zur Wahrung der Chancengleichheit sein. Gemäß Koalitionsvertrag wird der Freistaat Sachsen ein entsprechendes Modellprojekt im Bereich der Landesverwaltung durchführen, für welches das SMI verantwortlich zeichnet. Dabei ist nicht zuletzt auch die Relevanz anonymisierter Bewerbungsverfahren für LSBTTIQ zu prüfen. Die mögliche Einführung des Verfahrens in der Landesverwaltung wird von einer erfolgreichen Durchführung des Modellprojekts abhängig gemacht.'" Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Hat die Staatsregierung das in der Vorbemerkung bzw. dem LAP genannte Modellprojekt bereits durchgeführt bzw. führt sie es aktuell durch und wenn nein, welchen Zeitrahmen gibt sich die Staatsregierung zur Durchführung des Modellprojektes? Das Modellprojekt wurde bislang nicht durchgeführt. Der Zeitrahmen für die Durchführung ist durch den zeitlichen Geltungsbereich des Koalitionsvertrages 2014 bis 2019, mithin durch die Dauer der 6. Legislaturperiode des Sächsischen Landtages, vorgegeben. Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 12-1053/33/19 Dresden, 20. Oktober 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 2: Wie, mit welchen Kategorien und welcher Stelle plant die Staatsregierung die in der Vorbemerkung bzw. dem LAP genannte LSBTTIQ* Relevanzüberprüfung in welchem Zeitrahmen durchführen? Die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren wurde von Vertreter/ -innen der LSBTTIQ-Community im Rahmen der Beteiligungsworkshops als eine der Maßnahmen für den Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen vorgeschlagen . Die Staatsregierung ist diesem Vorschlag nachgekommen, da die Erprobung von anonymisierten Bewerbungsverfahren im Rahmen eines Modellprojektes ohnehin auf der Agenda des Koalitionsvertrages steht. Eignung und Praktikabilität von anonymisierten Bewerbungsverfahrungen sind für jedes einzelne Diskriminierungsmerkmal des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu prüfen, so auch für die Merkmale „Geschlecht" und „sexuelle Orientierung". Fachlich zuständig für diese beiden Merkmale ist das Referat Gleichstellung bei der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration. Als LSBTTIQ-relevante Diskriminierungstatbestände sind bekannt: Benachteiligungen von trans- und intergeschlechtlichen Personen sowie von Lesben und Schwulen aufgrund von eingetragenen Lebenspartnerschaften. Letzteres entfällt mit der Legalisierung der „Ehe für alle". Inwieweit anonymisierte Verfahren konkret zur Beseitigung von Benachteiligungen von LSBTTIQ beitragen können, ist eine Frage, die im Rahmen der Auswertung der Projektergebnisse zu stellen sein wird. Frage 3: Hat die Staatsregierung bzw. das für das Modellprojekt zuständige SMI Kenntnis über bereits durchgeführte oder in Durchführung befindliche Modellprojekten sowie über Modellprojekte hinaus bereits angewandte anonymisierte Bewerbungsverfahren zum Beispiel in anderen Bundesländern (bitte nach bekanntem Projekt und jeweiligem Bundesland aufgliedern)? Ja. Der Staatsregierung liegt hierzu die als Anlage angeschlossene Übersicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor, die eine Aufzählung von Pilotprojekten zu anonymisierten Bewerbungsverfahren im Bereich des Bundes, der Länder, von kommunalen Gebietskörperschaften sowie von UnternehmenNerwaltungen enthält. Der Aufzählung können in Teilen auch Angaben zur Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren nach Abschluss der Pilotprojekte entnommen werden. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 4: Plant die Staatsregierung sich an den in Frage 4 benannten bereits bekannten Projekten oder Anwendungen anonymisierter Bewerbungsverfahren für das eigene Modellprojekt zu orientieren und wenn ja, an welchen? cKonkrete Planungen zur Berücksichtigung von bereits bekannten Projekten anonymisiert r Beerbungsverfahren liegen derzeit nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort auf ie Ftage 1 verwiesen. Mit keu6dlichen Grüßen (IIM rkus Ulbi Anlage Freistaat SACHSEN Seite 3 von 3 Anlage zu Drs.-Nr. 6/10838 * AntiI diskriminierungsstelledes Bundes Anonym Bewerben weil Qualifikation zählt Anonymisierte Bewerbungsverfahren Was sind anonymisierte Bewerbungsverfahren? Unter anonymisierten Bewerbungen versteht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den Verzicht auf Foto, den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum oder Angaben zum Familienstand der sich bewerbenden Person in der ersten Bewerbungsphase. Bei anonymisierten Bewerbungsverfahren steht die Qualifikation der Bewerberin oder des Bewerbers im Mittelpunkt. Erst wenn die Entscheidung über die Einladung zum Vorstellungsgespräch gefallen ist, erhalten die Personalerinnen und Personaler die kompletten Unterlagen. Das Verfahren ist im angelsächsischen Raum seit Jahrzehnten üblich und wird auch in mehr und mehr europäischen Ländern umgesetzt. Anonymisierte Bewerbungsverfahren sind in der Praxis leicht umsetzbar, sie erlauben eine gezielte Personalauswahl und sie sorgen für Chancengleichheit im Bewerbungsprozess. Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt auf Bundesebene testen mehr und mehr Länder das Verfahren oder stellen ihre Personalauswahl um: Baden-Württemberg (2013/2014), Rheinland-Pfalz (01/2013 - Herbst 2015) und Berlin (April 2014 - März 2015) haben Pilotprojekte durchgeführt, die vor allem die Praktikabilität bei kleinen und mittleren Institutionen (RLP, B) bzw. Unternehmen (Ba-Wü) in den Blick nahmen. Ermutigend war dabei in Baden-Württemberg die Aufgeschlossenheit vieler Privatunternehmen gegenüber dem Verfahren, das durch die sehr gezielte Abfragemöglichkeit von Qualifikationen über ein standardisiertes Online -Formular deutliche Effizienzgewinne bei der Personalauswahl erzielen kann. Auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben im Laufe des Jahres 2013 eigene Pilotprojekte angekündigt; Hamburg beschloss 2013, das anonymisierte Bewerbungsverfahren nicht einzuführen. Sachsen-Anhalt plant das anonymisierte Bewerbungsverfahren schrittweise im öffentlichen Dienst anzuwenden. Bremen hat am 10.03.2015 einen Probelauf gestartet.Sachsen kündigte an, das Vorhaben eines Pilotprojekts zum anonymisierten Bewerbungsverfahren umzusetzen. Nordrhein-Westfalen hat ein Pilotprojekt bereits erfolgreich abgeschlossen. In Rheinland-Pfalz wird das anonymisierte Bewerbungsverfahren teilweise im öffentlichen Sektor angewendet. Außerdem beschäftigen sich mehr und mehr Kommunen mit dem Verfahren: In Celle (bereits Teilnehmer am ADS-Pilotprojekt), Mannheim und Offenbach wird das Verfahren bereits umgesetzt, in Dresden, Nürnberg, Freiburg, Mainz, Göttingen und weiteren, kleineren Kommunen (siehe Liste unten) liegen entsprechende Anträge im jeweiligen Stadtrat vor. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet allen Institutionen und Unternehmen ihre Hilfe bei der Einführung des Verfahrens an. Anlage zu Drs.-Nr. 6/10838 des Bundes 1 Antidiskriminierungsstelle * Anonym Bewerben weil Qualifikation zählt Akteure, Institutionen und Unternehmen 1. Teilnehmer des Pilotprojekts der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Am Pilotprojekt hatten sich im Zeitraum November 2010 bis Dezember 2011 fünf Unternehmen und drei öffentliche Arbeitgeber beteiligt. 246 Stellen wurden besetzt, mehr als 8.550 Bewerberinnen und Bewerber haben sich anonym isiert beworben. - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend° - Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW° - Deutsche Post DHL* - Deutsche Telekom* - L'Oreal Deutschland* - MYDAYS* - Procter & Gamble* - Stadtverwaltung Celle° II. Pilotprojekte der Länder Vier Länder -Pilotprojekte sind abgeschlossen (NRW, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin). In Berlin soll in der öffentlichen Verwaltung die anonymisierte Bewerbung Standard werden. In Schleswig-Holstein verzichtet man bereits auf Fotos in den Bewerbungsunterlagen. Abgeschlossen: Nordrhein-Westfalen - Pilotprojekt Mitte 2011 bis Mitte 2012 Rheinland-Pfalz - Auftakt am 10.01.2013 - abgeschlossen im Herbst 2015. Baden-Württemberg - 12/2012 - Anfang 2014, abgeschlossen. Berlin - Modellprojekt Anfang 2014- März 2015, abgeschlossen. ° Einführung Anonymisierter Bewerbungsverfahren nach Abschluss des Pilotprojekts Keine generelle Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren nach Abschluss des Pilotprojekts, jedoch Teilanonymisierungen in Töchter- bzw. Mutterunternehmen (bspw. Telekom USA) Anlage zu Drs.-Nr. 6/10838 * I Antidiskriminierungsstelledes Bundes III. Kommunen Anonym Bewerbenweil Qualifikation zählt - Celle - Offenbach am Main (im Stadtparlament beschlossen) - Mannheim (verzichtet nur auf Foto & Familienstand) - Karlsruhe (Foto auf freiwilliger Basis,) - Sangerhausen - Gemeinde Isernhagen, Niedersachsen - Gemeinde Lilienthal - Burgwedel - Kreis Groß-Gerau - Rheingau -Taunus -Kreis - Monheim am Rhein IV. Unternehmen / Verwaltungen - Bürkle + Schöck (Stuttgart) - Degewo Wohnungsbaugesellschaft (Berlin) - Siemens (Verzicht auf Fotos) - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Was rät die Antidiskriminierungsstelle Interessierten? - Die Antidiskriminierungsstelle bietet Unterstützung bei der Implementierung Anonymisierter Bewerbungsverfahren an: Durch Schulungen, Bereitstellung wissenschaftlichen und praktischen Know-Hows und Vernetzung mit weiteren, insbesondere auf Länderseite, die derartige Verfahren bereits umsetzen. - Die Antidiskriminierungsstelle rät dazu, etwaige Pilotprojekte unter Einbeziehung möglichst aller Akteure auf Landesebene (auch Tarifparteien, Gleichstellungsbeauftragte, Koalitionsfraktionen) umzusetzen. Wichtig bei der konkreten Umsetzung: o Einbeziehung auch privater oder landeseigener Unternehmen o Unabhängige wissenschaftliche Begleitung o Möglichst lange Laufzeit (mindestens ein Jahr) o Die Umstellung der Rekrutierungspraxis muss freiwillig geschehen. Das Verfahren muss von den Personalchefs/verantwortlichen ausdrücklich gewollt und unterstützt werden. 2017-10-20T09:18:13+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes