STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Hütter, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/10908 Thema: Menschenwürdebegriff nach Verwaltungspraxis des Sächsischen Verfassungsschutzes Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Nach dem Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 Rn.539 umfasst die Garantie der Menschenwürde insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Dem liegt eine Vorstellung vom Menschen zugrunde, die diesen als Person begreift, die in Freiheit über sich selbst bestimmen und ihr Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann. Mit der Subjektqualität des Menschen ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum ,bloßen Objekt ' staatlichen Handelns zu degradieren. Nach dem Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 Rn.541 ist Menschenwürde egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft , Rasse, Lebensalter oder Geschlecht. Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent. Mit der Menschenwürde sind daher ein rechtlich abgewerteter Status oder demütigende Ungleichbehandlungen nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere , wenn derartige Ungleichbehandlungen gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen, die sich — ungeachtet der grundsätzlichen Frage nach dem Menschenwürdegehalt der Grundrechte — jedenfalls als Konkretisierung der Menschenwürde darstellen . Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar und verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/3140 Dresden, 27. Oktober 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATS1INISTER1UM DES INNERN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Was wird nach der Verwaltungspraxis des Sächsischen Verfassungsschutzes unter „elementarer Rechtsgleichheit" verstanden? Frage 2: Ist mit dem Verbot eines rechtlich abgewerteten Status nicht ausschließlich eine Herabwertung von der elementaren Rechtsgleichheit gemeint? Frage 3: Welche grundlegenden Rechte sind Teil der Menschenwürde nach der Verwaltungspraxis des Sächsischen Verfassungsschutzes? Frage 4: Welche konkreten Ungleichbehandlungen verstoßen nach der Verwaltungspraxis des Sächsischen Verfassungsschutzes gegen die Menschenwürde? (Bitte Aufzählung aller denkbaren Gründe) Frage 5: Was ist nach der Verwaltungspraxis des Sächsischen Verfassungsschutzes unter „gleichberechtigtes Mitglied der rechtlich verfassten Gemeinschaft" zu verstehen ? Welche Mindestrechte muss jemand haben, damit er diesem Anspruch genügt? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 5: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen verwendet keinen eigenständigen „Menschenwürdebegriff nach Verwaltungspraxis", sondern orientiert sich an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie an deren näherer Ausformung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Danach stellt die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) den obersten Wert des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 5, 85 <204>; 12, 45 <53>; 27, 1 <6>; 35, 202 <225>; 45, 187 <227>; 87, 209 <228>; 96, 375 <399>) dar. Sie ist unverfügbar. Die Staatsgewalt hat sie in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 60 ff.; Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 1 Rn. 19). Dem liegt eine Vorstellung vom Menschen zugrunde, die diesen als Person begreift, die in Freiheit über sich selbst bestimmen und ihr Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 49, 286 <298>). Mit der Subjektqualität des Menschen ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt" staatlichen Handelns zu degradieren (vgl. BVerfGE 122, 248 <271>). (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017, Az.: 2 BvB 1/13, Rn. 538f.) Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM DES INNERN „Elementare Rechtsgleichheit" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass alle Menschen ohne Differenzierung auch in allen Bereichen komplett gleiche Rechte haben müssten, sondern dass eine Menschenwürdeverletzung jedenfalls dann vorliegt, wenn eine Rechtsgleichheit ganz oder teilweise verweigert wird, weil die Subjektqualität des Menschen und der daraus folgende Achtungsanspruch grundsätzlich in Frage gestellt werden (vgl. ebenda, Rn. 540). Gegen die Menschenwürde verstoßen daher politische Konzepte, die auf die strikte Exklusion und weitgehende Rechtlosstellung von bestimmten Menschen bzw. Gruppen unter Verneinung von deren Subjektqualität gerichtet sind (vgl. ebenda, Rn. 640). Eine solche Verneinung lässt sich regelmäßig nicht an einzelnen konkreten Handlungen o4Ier dem Abstellen auf einen Mindestgehalt festmachen, sondern es kommt auf eine esa schau des konkreten Einzelfalles an, ob es sich bei möglichen Verstößen lediglich u einzelne Entgleisungen oder aber um eine charakteristische Grundtendenz handelt (vgl. ebenda, Rn. 635). Mit freundlichen Grüßen Mliki‘Js Ulbig -F. X ltat- 1SEN Seite 3 von 3 2017-10-27T09:48:53+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes