STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/11029 Thema: Vorgehen der Polizei gegen Referenten einer Migrationskonferenz in Leipzig am 7. Oktober 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In den späten Abendstunden des 7. Oktober 2017 kam es in einem Wohnhaus in der Hahnemannstraße in Leipzig zu einem Polizeieinsatz. Dazu stehen zwei konträre Aussagen im Raum. Zwei aus Kamerun stammende Referenten der Konferenz ,Selbstbestimmt und solidarisch ! Konferenz zu Migration, Entwicklung und ökologische Krise', die vom 6. bis 8. Oktober 2017 mit 700 Teilnehmenden in Leipzig stattfand, wurden in ihrer Gastwohnung von der Polizei aus dem Schlaf geholt und körperlich angegangen. In der Pressemitteilung kommen die beiden Betroffenen zu Wort: ,Ich wollte einen Freund anrufen, damit er mit der Polizei spricht, warum wir hier untergebracht sind und dass alles seine Richtigkeit hat', berichtet der Referent Pöguy Takou Ndie„aber ich wurde gar nicht erst angehört. Mir wurde einfach der Arm so sehr nach hinten gebogen, dass ich heute noch Schmerzen in der Schulter habe.' Der zweite der Referenten, Richard Djif, der aus Kamerun fliehen musste, weil er einen kritischen Dokumentarfilm zur dortigen Korruption und Unterdrückung gedreht hat, ergänzt: ,Mich hat schockiert, dass die Polizisten sofort Gewalt angewendet haben, obwohl wir nur Schlafanzüge trugen und ganz offensichtlich nicht gefährlich waren. Ich fühle mich sehr unsicher in Deutschland, wenn rassistische Vorurteile bei der Polizei zu solchen Übergriffen führen. Eigentlich soll die Polizei doch für Sicherheit sorgen.' (https://www.liz.deimelder/wortmelder/2017/10/Konferenz-zu-Migration- %e2%80%93-Ueberschattet-von-Rassismus-durch-Polizei-193945) Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 31-1053/38/74 Dresden, 15. November 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6,7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SAC1-I SEN Die Polizei stellt den Sachverhalt in einer Wortmeldung vom 10. Oktober 2017 anders dar: So gab es aufgrund von Hinweisen über mehrere Personen in einer Wohnung, die als Kindertagespflegestelle genutzt wird, einen Polizeieinsatz. Nach einigen Minuten wurde die Tür geöffnet. ,Die Räume der Kindertagesstätte wurden betreten, und an die Personen erging die Aufforderung, sich auszuweisen . Eine Person wies sich sofort aus. Eine zweite Person wurde unverständlicherweise zunehmend verbal aggressiv und weigerte sich, sich auszuweisen, bzw. mitzuteilen, wo sich sein Ausweis befand.' In der Folge soll diese zweite Person handgreiflich geworden sein, weswegen ihm Handfesseln angelegt wurden . Die Organisatoren bekräftigen dagegen in einer Pressemitteilung vom 11. Oktober 2017 wiederum die Wahrnehmungen der Betroffenen bezüglich gewalttätigem und rassistisch motiviertem Handeln der Polizei." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Mit welcher Begründung riefen Dritte (Nachbarn) an diesem Abend die Polizei und wurde der Migrationshintergrund der sich in der Wohnung der Tagespflegeperson befindlichen Personen dabei erwähnt? Eine Person meldete sich über die Polizeinotrufnummer bei der Polizeidirektion Leipzig und teilte mit, dass sich in einer Kindertagesstätte in Leipzig -Lindenau mehrere Personen befinden. Es wurde auch erwähnt, dass es sich um ausländische Personen handeln soll. Frage 2: Wie viele Polizeibeamtinnen waren bei dem Einsatz vor Ort und wie begründet sich diese Personalstärke? Frage 3: Warum wurde es durch die Polizei als notwendig erachtet bei beiden in der Wohnung aufhältigen Personen Ausweiskontrollen vorzunehmen? Warum war es notwendig zur Klärung der Situation dritte Personen hinzuzuziehen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Es wurden acht Polizeibedienstete eingesetzt. Der Einsatz erfolgte auf der Grundlage der polizeilichen Lagebeurteilung anhand der Informationen über das Ereignis und den Einsatzort sowie der Verfügbarkeit von Einsatzkräften. Im vorliegenden Fall kalkulierte der Polizeivollzugsdienst (PVD) ein, dass sich eine zu diesem Zeitpunkt unbekannte Anzahl von Personen unberechtigt in einer den Einsatzkräften hinsichtlich der räumlichen Gegebenheiten nicht bekannten Einrichtung befindet. Im Zuge der Aufklärung der tatsächlichen Umstände stellte der PVD die Identitäten der im Objekt befindlichen Personen fest und überprüfte die von den Männern getroffenen Aussagen, sich berechtigt in den Räumlichkeiten aufzuhalten, indem die Berechtigte der Einrichtung hinzugezogen wurde. Seite 2 von 3 STAATSM1N1STER1JM DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 4: Auf welcher Rechtsgrundlage wurden Handfesseln angelegt? Der PVD wendete unmittelbaren Zwang durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, das Anlegen von Fesseln, auf der Grundlage des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen an. Frage 5: In der Pressemitteilung der Polizei heißt es außerdem: „Die hier erwähnte Konferenz „Selbstbestimmt und solidarisch! Konferenz zu Migration, Entwicklung und ökonomischen Krise", welche über drei Tage stattfand, war der Polizeidirektion Leipzig, nicht bekannt. Üblicherweise werden die Polizeireviere über derartige Veranstaltungen in Kenntnis gesetzt"? Was bedeutet in diesem Kontext „üblich" und hätte die Polizei im Wissen des Stattfindens der Konferenz in der konkreten Angelegenheit anders reagiert? Die Polizeidirektion Leipzig bezieht sich in ihrer Medieninformation auf bereits beobachtete Verfahrensweisen verschiedener Veranstalter, neben Anwohnern bzw. sonstigen Berechtigten die örtlich zuständige Polizeidienststelle über die im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen grundsätzlich nicht bestimmungsgemäße Nutzung von Objekten bzw. Einrichtungen, wie beispielsweise das Übernachten in Kindertagesstätten, zu informieren. Derartige Informationen werden in die Lagebeurteilung durch den PVD einbezogen und können im Einzelfall die Durchführung von polizeilichen Einsätzen entbehrlich machen. Im Übrigen wird von einer Beantwortung durch die Staatsregierung abgesehen. Gemäß Art. 50 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, über ihre Tätigkeit dem Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Dieser Informationspflicht der Staatsregierung nach Art. 50 SächVerf entspricht das Frage- und Auskunftsrecht des Abgeordneten Aenüber der Staatsregierung nach Art. 51 SächsVerf. Das Fragerecht kann jedoch/nicht dazu dienen, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die die Abge rdnete,für geboten hält, sondern nur dazu, der Abgeordneten Information zu verschal ' i-i (S . chsVerfGH, Urteil vom 23 April 2004, Vf. 44-1-03)./Mit freun ichen Grüßen Markus Ulbig Seite 3 von 3 2017-11-15T10:15:23+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes