STAATSUNISTEMM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/11030 Thema: Vorfälle beim Spiel TSV 1862 Schildau und Roter Stern Leipzig/Verbot des Tragens Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am Sonntag, 15. Oktober 2017 fand in Schildau das Spiel zwischen den Vereinen TSV 1862 Schildau und Roter Stern Leipzig statt. In einer Pressemitteilung des Roten Stern Leipzig e.V. vom 16.10.2017 heißt es, dass das Tragen eines Shirts mit der Aufschrift ,Nazis raus aus den Stadien' dem Team und Fans verboten werden sollte, da es vom gastgebenden Verein als ‚Provokation' angesehen wurde. In der Pressemitteilung heißt es weiter: ,Gleichzeitig riefen Naziklamotten und Naziparolen auf Schildauer Seite mindestens deutlich weniger engagierten, für den RSL jedenfalls nicht wahrnehmbaren, Widerspruch hervor.' Nach Abpfiff des Spieles kam es seitens Anhängerinnen des TSV Schildau zu diversen Bedrohungen und Gewaltakten gegen Team und Fans des Roten Stern Leipzig e.V." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie stellt sich der Ablauf der Ereignisse vor, während und nach o.g. Spiel aus Sicht der Staatsregierung dar? T-Shirts mit der Aufschrift „Nazis raus" wurden durch die Spieler des Gastvereins während der Aufwärmphase getragen. Eine Aufforderung, diese auszuziehen, erging durch den Vorsitzenden des gastgebenden Vereins. Dem Sicherheitsbeauftragten des Gastvereins wurde in einer Besprechung zwischen dem Schiedsrichter, den beteiligten Vereinen, dem Fußballverband und dem Polizeivollzugsdienst mitgeteilt, dass diese während des Spiels nicht getragen werden dürfen. Andernfalls wurde eine Spielunterbre- Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 31-1053/38/73 Dresden, 15. November 2017 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7,8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STERWM DES INNERN chung und bei weiterer Weigerung, die Shirts auszuziehen, ein Spielab-bruch angedroht . Im Verlauf des Spiels wurden weder durch die Spieler noch durch Anhänger des Gastvereins Shirts mit der genannten Aufschrift getragen. Zur ersten Halbzeit liegt lediglich die Information vor, dass Spieler des Gastvereins bespuckt wurden, woraufhin der Ordnereinsatz im betreffenden Bereich verstärkt wurde. Während der zweiten Halbzeit wurde aus dem Gästeblock mehrfach „Nazischweine" gerufen und aus dem Heimfanbereich „Zeckenvolk" erwidert. Zudem wurde eine Person festgestellt, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „JDN-CHM" trug. Maßnahmen zur Entfernung der Person wurden durch die Ordner getroffen. Nach Spielende wurden im Gästeblock zwei Transparente entrollt und „Nazischweine" gerufen. Zwischenzeitlich trugen Spieler der Gästemannschaft T-Shirts mit der Aufschrift „Nazis raus". Anhänger des Heimvereins betraten das Spielfeld und wurden durch Polizeibedienstete unter Anwendung unmittelbaren Zwangs zurückgedrängt. Im Gästeblock wurde in diesem Zusammenhang Pfefferspray eingesetzt. Unmittelbarer Zwang durch einfache körperliche Gewalt wurde zudem zum Zurückschieben von Zuschauern in den Eingangsbereich angewandt. Im Rahmen der Abreise der Gästemannschaft und -fans wurden die genutzten Fahrzeuge auf dem Marktplatz mit Gläsern beworfen, nachdem diese aufgrund von Personen auf der Fahrbahn anhalten mussten. Ein Fahrzeug wurde hierbei beschädigt. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen setzte der Konvoi der Fahrzeuge der Gästefans seine Rückreise unter polizeilicher Begleitung fort. Frage 2: Auf welche Annahmen stützte sich die polizeiliche Gefahrenprognose, welche Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang ergriffen und wie viele Polizeieinsatzkräfte waren auf dieser Basis im Einsatz (bitte nach Einheiten und Dienststellen aufschlüsseln sowie Zahl der zivilen Beamtinnen angeben)? Grundlage der polizeilichen Lagebewertung waren insbesondere bisherige Auswärtsspiele des Fußballvereins Roter Stern Leipzig '99 e. V. in der Vergangenheit, im Zusammenhang mit diesen zu verzeichnende Störungen, erforderliche polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie bisherige Begegnungen zwischen den beiden beteiligten Vereinen. Der Fußballverein Roter Stern Leipzig '99 e. V. und dessen Anhängerschaft vertreten politisch links gerichtete Positionen. Die Spielstätten bzw. Stadien werden hierbei als Bühne genutzt, um politische Auffassungen darzustellen. Dies führte in der Vergangenheit bei Auswärtsspielen regelmäßig dazu, dass diese auf Seiten des gastgebenden Vereins nicht nur durch fußballinteressierte Personen besucht wurden. Vielmehr wurden regelmäßig Zuschauer festgestellt, die politisch gegensätzliche Auffassungen vertreten und zum Ausdruck bringen bzw. den örtlichen rechten Szenen zuzurechnen sind. Neben verbalen Auseinandersetzungen waren bei entsprechenden Auswärtsspielen gewalttätige Auseinandersetzungen nicht auszuschließen und somit regelmäßig umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen der Veranstalter sowie polizeiliche Einsatzmaßnahmen erforderlich. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSM1N1STERIUM DES INNERN Bereits anlässlich der Begegnung TSV Schildau - Roter Stern Leipzig '99 e. V. am 13. Mai 2010 wurden umfangreiche Maßnahmen zur Gewährleistung eines störungsfreien Veranstaltungsverlaufes sowohl durch den Veranstalter als auch durch die zuständige Polizeidienststelle getroffen. Im Verlauf der Einsatzmaßnahmen wurden Polizeibedienstete durch Personen aus dem Umfeld des Heimvereins angegriffen. Zwei Polizeibedienstete wurden hierbei verletzt. Bei den anwesenden, dem Heimverein zuzurechnenden Zuschauern, handelte es sich überwiegend nicht um Personen, die regelmäßig Fußballspiele besuchen, sondern zielgerichtet wegen der durch die Anhänger des Vereins Roter Stern Leipzig '99 e. V. vertretenen politischen Anschauungen erschienen waren. Nach der Begegnung SC Hartenfels Torgau - Roter Stern Leipzig '99 e. V. am 22. August 2015 kam es zu einem Angriff von Anhängern des Roten Stern Leipzig '99 e. V. auf Angehörige der örtlichen rechten Szene, wobei es zu teilweise schweren Verletzungen kam. Am 27. Mai 2017 kam es zu einem Angriff von ca. 30 bis 40 größtenteils vermummten Personen während der Begegnung Blau -Weiß Leipzig - TSV Schildau. Zu dieser Störung bekannten sich später Anhänger des linken Spektrums. In der Nacht vom 26. zum 27. August 2017 wurde durch unbekannte Täter der Schriftzug „Nazis" an der Grundstücksmauer des Vereinsgeländes des TSV Schildau angebracht. Im unmittelbaren Vorfeld der Begegnung am 15. Oktober 2017 wurden verschiedene Plakate festgestellt, die zur Anreise zu dieser Begegnung aufriefen. Diese richteten sich einerseits an Anhänger des Roten Stern Leipzig '99 e. V., andererseits wurde wegen deren Anwesenheit dieser zur Anreise aufgerufen. Ausgehend von den vorliegenden Erkenntnissen war anlässlich der Begegnung am 15. Oktober 2017 mit einem vergleichsweise hohem Interesse sowohl aus dem Umfeld des Gast- als auch des Heimvereins zu rechnen. Gegenseitige verbale Provokationen und körperliche Auseinandersetzungen waren nicht auszuschließen. Auf der Grundlage der dargestellten Erkenntnisse wurden insgesamt 89 Polizeibedienstete eingesetzt. 76 gehörten dem Präsidium der Bereitschaftspolizei und 13 der Polizeidirektion Leipzig an. Vier Bedienstete versahen ihren Dienst in ziviler Kleidung. Frage 3: Gab es eine Entscheidung das Tragen des T-Shirts mit der Aufschrift „ Nazis raus aus den Stadien" zu verbieten, wenn ja: Wer hat diese Entscheidung auf welcher Rechtsgrundlage getroffen und welche Rolle spielten dabei Polizeibeamtinnen ? Im Vorfeld der „Aufwärmphase" der Spieler vor dem Spiel fand ein Gespräch zwischen dem Vereinsvorsitzenden des gastgebenden Vereins, dem Spielbeobachter und Beauftragten des Sächsischen Fußballverbandes e. V., dem Einsatzleiter der Polizei und der Sicherheitsbeauftragten des Roten Stern Leipzig '99 e. V. statt. Dabei äußerte der Vereinsvorsitzende des gastgebenden Vereins gegenüber der Sicherheitsbeauftragten des Roten Stern Leipzig '99 e. V., dass im Vorfeld der Partie ein Kooperationsgespräch stattgefunden hatte, in dem vereinbart wurde, dass jegliche Provokation mit politischem Inhalt zu unterbleiben hat. Die Polizei hat dies zur Kenntnis genommen, aber zu kei- Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN nem Zeitpunkt selbst verlangt, die T-Shirts auszuziehen. Vor dem Spiel hat der anwesende Schiedsrichter noch einmal darauf hingewiesen, dass die T-Shirts nicht während des Spiels getragen werden. Frage 4: Gegen wie viele Personen wurde im Zusammenhang mit dem Fußballspiel aus welchen wesentlichen Gründen Strafverfahren oder Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet (bitte nach Tatvorwurf, Tatort, Deliktsgruppe, politischer Einordnung und ggf. Zusammenhang zu den Fußballvereinen aufschlüsseln) und warum wurden das Tragen neonazistischer Symboliken und das Skandieren neonazistischer und antisemitischer Parolen durch Fans des TSV Schildau nicht als Straftaten gewertet und entsprechend polizeilich geahndet? Es wird auf die Anlage verwiesen. Weitere strafrechtlich relevante Sachverhalte wurden nicht festgestellt. Frage 5: In welchem Umfang wurden im Zusammenhang in der Fanschaft des TSV Schildau Personen festgestellt, die welchen Bestrebungen der extremen Rechten / Neonaziszene, die als Fußballfans der „Kategorie B" und „C" und/ oder „Gewalttäter Sport" bekannt sind? (bitte Zahl, Funktion auf der Versammlung, Name der Organisation/ des Zusammenschlusses aufführen) Im Einsatzverlauf wurden 60 Personen als gewaltbereit (Kategorie B) und fünf Personen als gewaltsuchend (Kategorie C) eingestuft. Bezü ch der Verwendung des Begriffes der „extremen Rechten" wird auf die Vorbemerk ng Nummer I. der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage Drs.-Nr. 5/49q6 verwiesen. Insoweit liegen der Sächsischen Staatsregierung keine Erkenntnisse im Si ne .71er Anfrage vor. Mit ffeurldlichen Grüßen V ' Markus Ulbig Anlage Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 Anlage zu Drs.-Nr. 6/11030 Deliktsbezeichnung* Tatort* Tatverdächtige bzw. Betroffene* Anzahl politische Motivation Fußballverein Strafanzeigen 15.10. 2017 1 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (Vermummung) Schildau, Sportplatz 1 2 Versuchte gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB in Tateinheit mit Sachbeschädigung gern. § 303 StGB Schildau, Markt 4 3 Volksverhetzung gem. § 130 StGB Schildau, Markt 3 4 Beleidigung gem. § 185 StGB Schildau, Markt 1 5 Sachbeschädigung gem. § 303 StGB Schildau, Albert -Lange -Straße 1 Ordnungswidrigkeiten 15.10.2017 - keine , Stand: 26.10.17 *Sofern die Tabelle an bestimmten Stellen keinen Wert enthält, bedeutet dies, dass die erfragten Fakten Gegenstand laufender Ermittlungen sind. 2017-11-15T10:16:58+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes