STAATSMINISTERìUI\4 FÜR UMWELT UND LANDWìRTSCHAFT SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT Postfach 100510 | 01076Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindena u-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther, Fraktion BUNDNIS 90/Die GRUNEN Drs..-Nr.: 6111370 Thema: Gefahr durch die massenhafte Anwendung von Bioziden im Außenputz und in Fassadenfarben Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage l: Welche bioziden Wirkstoffe kommen nach Kenntnis der Staatsregierung in Putzen und Fassadenfarben zum Einsatz und welche negativen Auswirkungen auf die Umwelt und auf die menschliche Gesundheit haben diese einzelnen bioziden Wirkstoffe? Nach Kenntnis der Staatsregierung kommen in Fassadenfarben und Putzen insbesondere die bioziden Wirkstoffe Terbutryn, Carbendazim, Zinkpyrithion, lsothiazolinone (zum Beispiel das octyl-lsothiazolinon - OIT), Diuron und lodpropynyl-N-butylcarbamat (IPBC) zum Einsatz. Die Wirkstoffe sind alle als gewässergefährdend eingestuft und weisen verschiedene gesundheitsgefährdende Eigenschaften auf. Die gefahrstoffrechtliche Einstufung der einzelnen Wirkstoffe kann der beigefügten Tabelle entnommen werden. Zur Beurteilung der negativen Auswirkungen der Stoffe auf die umwelt und die menschliche Gesundheit ist allerdings neben den Stoffeigenschaften auch die Exposition zu betrachten. Die Wirkstoffe können aus der Putzschicht ausgewaschen und dann über das abfließende Regenwasser zu Belastungen von Gewässern filhren. Der Staatsregierung sind allerdings keine Untersuchungen bekannt, die einen gesicherten Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Putzen und Fassadenfarben mit bioziden Wirkstoffen und negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit belegen. Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564-2000 Telefax +49 351 564-2009 poststelle@ smul.sachsen.de* lhr Zeichen lhre Nachricht vom 29. November2017 Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) z-1050t1t1089 Dresden, 2 0. 1L 17 s¡mu1+ Ts\f to c\,1 Db&tudñüúr&¡gótuhbhkldGð.u¡wtuid!d'úñ Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium fl¡r Umwelt und Landw¡rtschaft Archivstrâßê 1 01097 Dresden Wl,vw.smul.sachsen.de Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, '13 Für Besucher mit Behinderungen befinden s¡ch gekennzeichnete Parkplätze am Königsufer. Firr alle Besucherparkplätze gilt: Bitte beim Pfortênd¡enst melden. * Kein Zugang fur elektronisch s¡gnierte sow¡e fûr verschlüsselte elektronische DokumenteSeite 1 von 3 STAATSMINISTERIUM FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT Freistaat SACHSEN5 Frage 2: Welche Größenordnung und Dimension nimmt dieses Problem mittleruveile in Sachsen aus Gesundheits- und Umweltschutzperspektive ein? Frage 3: Welche Mengen dieser bioziden Wirkstoffe, die aus Putzen und Fassadendämmstoffen stammen und als wasserlösliche Gifte im Regenfall ausgewaschen werden, wurden über welche Eintragspfade wo in welchen Mengen in der umwelt über welches flächendeckende Monitoring/ über welches flächendeckende Programm zur gezielten Messung von Bioziden in der Umwelt (und damit auch in Oberflächengewässern und im Grundwasser) nachgewiesen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: lm Rahmen der sächsischen Gewässeruntersuchungsprogramme werden von den in Frage 1 aufgeführten bioziden Wirkstoffen Terbutryn, Carbendazim und Diuron in Grund- und Oberflächenwasserkörpern untersucht. Dabei werden die Konzentrationen gemessen. Rückschlüsse auf eingetragene Mengen können hieraus nicht gezogen werden. Ebenso wenig kann eine Aussage dazu getroffen werden, ob die vorgefundenen Konzentrationen auf den Einsatz von bioziden Wirkstoffen in Putzen und Fassadendämmstoffen zurückzuführen sind. Bei den Messungen wurde bei einem von 646 bewerteten Oberflächenwasserkörpern eine Überschreitung der Umweltqualitätsnorm nach Oberflächengewässerverordnung bezüglich des Wirkstoffes Diuron festgestellt. Eine Einstufung von Grundwasserkörpernin den schlechten chemischen Zustand gemäß Wasserrahmenrichtlinie musste aufgrund von bioziden Wirkstoffen nicht vorgenommen werden. Bezüglich möglicher gesundheitlicher Auswirkungen durch den Einsatz von Bioziden in Putzen und Fassadenfarben wird auf die Antwort zu Frage 1 venrviesen. Frage 4: welche konkreten Möglichkeiten gibt es aktuell, um die gesundheitsund umweltschädigenden bioziden Wirkstoffe in Putzen und Fassadenfarben zu ersetzen und dabei trotzdem einen Mindestschutz vor mikrobiellem Bewuchs mit Pilzen und Algen zu sichern? Sollte auf einen Biozideinsatz nicht vezichtet werden können, sollten Produkte mit so genannten ,,verkapselten" Bioziden verwendet werden. Dadurch kann die Auswaschrate und damit der Eintrag in die Umwelt reduziert werden. Zudem kann durch verschiedene andere Maßnahmen der Algen- und Pilzbefall und somit der Einsatz biozider Wirkstoffe minimiert werden. Seite 2 von 3 STAATSMINISTERIUM FÜR UI4WELT UND LANDWIRTSCHAFT Freistaat SACHSEN5 Diese reichen von konstruktiven Maßnahmen, wie ausreichende Dachüberstände zum Schutz vor direkten Witterungseinflüssen, ausreichender Spritzwasserschutz im Sockelbereich der Fassade, die Auswahl des Beschichtungstyps, zum Beispiel Putze mit selbstreinigendem ,,Lotus-Effekt", bis hin zur Wahl der Wärmedämmung. Welche der Möglichkeiten zum Einsatz kommen kann, ist vom Einzelfall abhängig und sollte in der frühen Planungsphase eines Neubaus oder einer Gebäudesanierung geprüft werden. Frage 5: Warum werden einzelne biozide Wirkstoffe (wie die Nervengifte Terbutryn, Garbendazim und Diurion) nicht in Fassadenfarben und Putzen verboten, dafür aber teilweise aber bereits seit ca. l5 Jahren in der Landwirtschaft und was unternimmt die Staatsregierung konkret, um hier ein grundsätzliches Verbot und die gleiche Reglementierung im Landwirtschafts- wie im Baubereich zu erreichen? Sowohl für Biozidprodukte als auch für Pflanzenschutzmittel sind jeweils Zulassungsverfahren zu durchlaufen. lm Rahmen dieser Verfahren werden die Produkte einer umfassenden Bewertung ihrer Risiken für Umwelt und Gesundheit untezogen. Eine Zulassung darf unter anderem nur erteilt werden, wenn von dem Produkt bei derjeweiligen Venruendung keine unannehmbaren Wirkungen auf Gesundheit und Umwelt ausgehen. Es kommt neben den Stoffeigenschaften also auch auf die einzelnen Verwendungszwecke und damit verbundenen möglichen Expositionen gegenüber Umwelt sowie Mensch und Tier an. Somit ist es durchaus möglich, dass ein Wirkstoff zwar in einen Biozidprodukt enthalten sein darf, hingegen in einem Pflanzenschutzmittel , welches in der Regel großflächig ausgebracht wird, nicht. Vor diesem Hintergrund hält die Staatsregierung grundsätzliche Verbote und die gleiche Reglementierung im Landwirtschafts- wie im Baubereich nicht für zielführend. ."ffì^,' lichen Grüßen Thomas Schmidt Seite 3 von 3 Drs.-Nr. 6111370 Anlage zur Antwort zu Frage 1 Gefahrstoffrechtliche Einstufung möglicher biozider Wirkstoffe in Fassadenschutzmitteln lnformationen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zur Einstufung/ Kennzeichnung nach der Verordnung.(EG) Nr. 127212008 (CLP-Verordnung) sind zu finden unter httos: i/www ba ua de/DE/Anoebote/Pu blikation akten/GHS-01.pdf? blob=oublicationFile&v=1 Wirkstoff Gefah ren klassen/-kategorien Terbutryn Augenreizung/Kategorie 2, Gewässergefährdend/Akut Kategorie 1, Carbendazim Keirnzellenmutagenität, Kategorie 1 B Reproduktionstoxizität, Kategorie 1 B Gewässergefährdend, Akut Kategorie 1, und Chronisch Kategorie 1 Zinkpyrithion Akute ToxizitäVKategorie 3, Verschlucken Akute ToxizitäVKategorie 3, Einatmen Schwere Augenschädigung, Kategorie 1 Gewässergefährdend, Akut Kategorie 1, und Chronisch Kategorie 1 Diuron Akute Toxizität, Kategorie 4, Verschlucken Karzinogenität, Kategorie 2 spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition)/Kategorie 2 Gewässergefährdend/Akui Kategorie 1, und Chronisch Kategorie 1 Octy-lsothiazolinon - OIT (als Beispielfür lsothiazolinone) Akute Toxizität/Kategorie 3, Einatmen Akute Toxizität/Kategorie 3, Hautkontakt Akute ToxizitäUKategorie 4, Verschlucken Atzwirkung auf die Haut/Kategorie 1B Sensibilisierung der HauUKategorie 1 Gewässergefährdend/Akut Kategorie 1, und Chronisch Kategorie 1 lodpropynyl-Nbutylcarbamat (rPBc) Akute ToxizitätiKategorie 4, Verschlucken, Akute Toxizität/Kategorie 3, Einatmen Sensibilisierung der Haut/Kategorie 1 Schwere Augenschädigung / Kategorie 1 Gewässergefährdend/Akut Kategorie 1, und Chronisch Kategorie 1 2017-12-21T10:58:08+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes