STÀATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitafstraße 7 I 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier, Fraktion BüNDNIS 90/ DIE GRUNEN Drs.-Nr.: 6/11376 Themar Sechsmonatige Sitzungshaft - Unverhältnismäßige Verfahrensverzögerung durch das Amtsgericht Bautzen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: n,Vorbemerkung: Laut Bericht der Sächsische Zeitung vom 26.11.2017 (http://www.szonline .de/nachrichten/sitzengelassen-im-knast-3825851.htm1) soll ein am Amtsgericht Bautzen Angeklagter aufgrund diverser Missstände beim genannten Amtsgericht und im Rahmen der Pflichtverteidigung über fast sechs Monate in der JVA Bautzen in Sitzungshaft festgehalten worden sein." www.justiz.sachsen. de/smj Verkehfsverbindung: Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die !i"i:ï:üil[. Kleine Anfrage wie folgt: 3' 6' 7' 8' 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 Telefax +49 351 564 1509 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Anh,vort angeben) 1040E/13/1052 - KLR Dresden, /,1 . Dezember 2011 Hausanschr¡ft: Sächs¡sches Staatsmin¡sterium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Br¡efpost über Deutsche post 01095 Dresden *Zugang für elektron¡sch signierte sow¡e lür verschlüsselte elektron¡sche Dokumente nur über das Elektron¡sche Gerichts- und Verwallungspostfach; nähere lnformat¡onen unter www.egvp.de Seite 1 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñ&- NÉil¡ w Frage 1: Wie stellt sich die Situation zum Fall des Andreas R. am Amtsgericht Bautzen aus Sicht der Staatsregierung dar und insbesondere warum wurde bei Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung anstatt e¡nes Vorführbefehls sogleich ein Sitzungshaftbefehl erlassen, aus welchen Gründen wurde die Hauptverhandlung nicht sofort neu terminiert und warum hat das Amtsgericht Bautzen nicht auf die Hinweise des Angeklagten auf den fehlenden Kontakt zur beigeordneten Pflichtverteidi geri n reagiert? Nachdem der Angeklagte zur Hauptverhandlung am 1. März 2017 nicht erschienen war, wurde zunächst dessen Vorführung angeordnet. Der Angeklagte konnte in seiner Wohnung jedoch nicht angetroffen werden. Erst danach erließ der Richter einen Sitzungshaftbefehl nach $ 230 Abs. 2 Alt.2 Strafprozessordnung (StPO). Der Haftbefehl wurde durch den Richter am 7. April 2017 in Vollzug gesetzt, nachdem der zwischenzeitlich festgenommene Angeklagte anlässlich der Haftbefehlseröffnung u. a. angab, dass er keine Arbeit habe und seine Wohnung nur unvollständig möbliert sei. Zugleich wurde nach Anhörung des Angeklagten eine Pflichtverteidigerin beigeordnet und ihr mit Verfügung vom 10, April 2017 Akteneinsicht gewährt. Nach Rückkunft der Akte wurde mit der Kanzlei der Verteidigerin am 4. Mai 2017 ein Termin zur Hauptverhandlung für den 30. August 2017 abgestimmt. Der Angeklagte beantragte mit Schreiben vom 8. Mai 2017 die Beiordnung eines Pflichtverteidigers , obwohl bereits mit Beschluss vom 7. April 2017 in seinem Beisein eine Pflichtverteidigerbestellung erfolgt war. Hierauf wurde er mit Schreiben des Gerichts vom 8. Mai 2017 hingewiesen. Mit schreiben vom 20. Mai 2017, eingegangen am 23.Mai2017, bat der Angeklagte um Mitteilung der E-Mail-Adresse und Telefonnummer der Pflichtverteidigerin, da bislang noch kein Kontakt stattgefunden habe. Der Richter verfügte am 23. Mai 2017 die Übersendung einer Durchschrift dieses Schreibens an die bestellte Pf lichtverteidigerin. Seite 2 von 5 STAATSIMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENlw Der Termin für die Hauptverhandlung am 30. August 2017 konnte nicht realisiert werden. Mit der Kanzlei der Verteidigerin war zwischenzeitlich ein neuer Termin für den 29. November 2017 abgestimmt worden. Am 29. September 2017 zeigle sich ein Wahlverteidiger an und legte mit Schreiben vom gleichen Tag Beschwerde gegen den Haftbefehl ein. Zuvor hatte die Verteidigung nicht auf die Haftfortdauer hingewiesen. Nachdem der Richter am 5. Oktober 2017 über den Sachstand informiert war, hob er den Haftbefehl noch am selben Tag auf und verfügte die Freilassungsanordnung. Frage 2: lnwiefern sind der Staatsregierung ähnliche Fälle überlanger Sitzungshaftdauern seit 2014 bekannt? Ahnliche Fälle sind nicht bekannt. Frage 3: Welche Voraussetzungen (außer der Antragstellung) müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfüllen, um in das Pflichtverteidigerverzeichnis der RAK Sachsen aufgenommen zu werden und inwieweit wird dieses Verzeichnis inhaftierten Personen durch die Gericht und/oder Justizvollzugsanstalten zur Verfügung gestellt ? Die Rechtsanwaltskammer Sachsen stellt auf ihrer Homepage als freiwillige Serviceleistung ein Pflichtverteidigerverzeichnis zur Verfügung, um dem rechtsuchenden Bürger eine Auswahl von Rechtsanwälten zu ermöglichen, die auf Grundlage eines Beiordnungsbeschlusses als Strafverteidiger tätig werden wollen. ln dieses Verzeichnis wird auf Antrag jeder Rechtsanwalt aufgenommen, der im Freistaat Sachsen zugelassen ist oder zumindest eine Zweigstelle im Freistaat Sachsen unterhält und damit seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, Pflichtverteidigungen zu übernehmen. Weitere Voraussetzungen für die Aufnahme in das Verzeichnis bestehen nicht und sind für die Übernahme einer Pflichtverteidigung auch gesetzlich nicht vorgesehen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass gemäß S 49 Abs. 1 BRAO jeder Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet ist, Pflichtverteidigungen zu übernehmen. Das Pflichtverteidigerverzeichnis wird auf der Homepage der Rechtsanwaltskammer Sachsen veröffentlicht und kann dort heruntergeladen und ausgedruckt Seite 3 von 5 STAATSMINISTERIUh4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN lÐI &r'Jlw werden. Ganz überwiegend wird in der gerichtlichen Praxis das Pflichtverteidigerverzeichnis auf Wunsch bzw. bei Bedarf zur Verfügung gestellt. ln den Justizvollzugsanstalten Bautzen, Dresden, Waldheim und Zwickau sowie in der Justizvollzugsanstalt mit Krankenhaus Leipzig und in der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen wird das Pflichtverteidigerverzeichnis der Rechtsanwaltskammer Sachsen auf Nachfrage ausgehändigt. Frage 4: Wie wird bei (längerfristigem) Ausfall einer Strafrichterin bzw. eines Strafrichters an den sächsischen Gerichten sichergestelltn dass aufgrund Sitzungshaftbefehl inhaftierte Angeklagte nicht länger als zwingend notwendig in der JVA bleiben müssen? Für den Fall, dass ein Richter - gleich aus welchem Grund - verhindert ist, sieht der Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Gerichts eine Vertretungsregelung vor. Damit wird sichergestellt, dass die richterlichen Geschäfte auch bei ,,Ausfall" eines Richters wahrgenommen werden. Dem für Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot wird auch im Rahmen der Vertretung Rechnung getragen. Frage 5: lnwiefern wurde wann und von welcher Stelle ein Disziplinarverfahren gegen den zuständigen Richter eingeleitet? Die Angelegenheit bildet den Gegenstand einer dienstrechtlichen Prüfung durch den Präsidenten des Landgerichts Görlitz als unmittelbar dienstaufsichtsführender Stelle nach $ 15 Abs. 1 Nr. 2 Sächsisches Justizgesetz (SächsJG). Nach der dienstgerichtlichen Rechtsprechung sind nach dem sog. Subsidiaritätsgrundsatz nur die unmittelbaren Dienstvorgesetzten für die Ausübung der Dienstaufsicht und die Einleitung und Führung eines Disziplinarverfahrens zuständig (Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, Urt.v. 18. Februar 2016 - Rist (R) 1/15, Rn. 29 11., juris). Ein Selbsteintrittsrecht des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz ist auf Fälle beschränkt, in denen der unmittelbare Dienstvorgesetzte gar nicht tätig wird, verhindert ist oder Gefahr im Verzug besteht (Bundesgerichtshof, Dienstgericht des Bundes, a. a. O., Rn. 34). Ferner wird darauf hingewiesen , dass die dienstaufsichtsführenden Stellen und damit auch das Sächsische Seite 4 von 5 STAATSIVIINISTERIUM I W Freistaat DERrusïz I W SACHSEN Staatsministerium der Justiz wegen der verfassungsrechtlich gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit grundsätzlich nicht befugt sind, Entscheidungen der Richter zu bewerten oder auf gerichtliche Verfahren einzuwirken. Mit freundlichen Grüßen æ3 Sebastian Gemkow Seite 5 von 5 2017-12-22T09:17:42+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes