Seite 1 von 4 Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Postfach 10 03 29 | 01073 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier, Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/11437 Thema: Beförderungserschleichung – Nachfragen zu Drs.-Nr. 6/10866 und Drs.-Nr. 6/10867 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zum Ergreifen von Maßnahmen der verschiedenen städtischen Verkehrsbetriebe und den Verkehrsverbünden, Ermittlungsbehörden und Gerichte in dem Fall, dass eine Person erstmalig in einem öffentlichen Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein angetroffen wird und den Tatbestand des § 265 a Abs. 1 3. Alternative StGB erfüllt (bitte getrennt aufführen)? Die Staatsregierung ist dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Im Freistaat Sachsen sind Planung, Organisation und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs gemäß ÖPNV-Gesetz Aufgaben der Landkreise und Kreisfreien Städte sowie deren Zusammenschlüsse. Die ÖPNV-Verkehrsleistungen werden im Auftrag der kommunalen Aufgabenträger von einer Vielzahl von Verkehrsunternehmen erbracht. Deren individuelle Vorgehensweisen bezüglich der Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts gegen Personen, die ohne Fahrschein angetroffen wurden, sind der Staatsregierung nicht bekannt. Das Feststellen von Personen ohne gültigen Fahrausweis ist grundsätzlich Aufgabe des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Auf Anforderung der Unternehmen wird der Polizeivollzugsdienst unterstützend tätig, wenn sich z. B. die Identität eines Betroffenen nicht feststellen lässt oder wenn von dessen Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Der Staatsminister Durchwahl Telefon: 0351 564-8001 Telefax: 0351 564-8024 Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 66-1053/42/34 Dresden, 02.01.2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Wilhelm-Buck-Straße 2 01097 Dresden Außenstellen: Hoyerswerdaer Straße 1 01099 Dresden Glacisstraße 4 01099 Dresden www.smwa.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 7, 8 Haltestelle Carolaplatz Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente. Seite 2 von 4 Bei einem Ersttäter und einer erschlichenen Beförderungsleistung von nicht mehr als 50 EUR sehen die sächsischen Staatsanwaltschaften von der Strafverfolgung gemäß § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ab, sofern nicht sachliche Gründe für ein Abweichen im Einzelfall bestehen. Bei einem Ersttäter und einem Wert der erschlichenen Beförderungsleistung von mehr als 50 EUR bis zu 100 EUR wird in aller Regel von der Strafverfolgung unter Erteilung von Auflagen und Weisungen gemäß § 153 a Abs. 1 StPO abgesehen. Ist das erschlichene Entgelt höher als 100 EUR, stellen die Staatsanwaltschaften bei Ersttätern grundsätzlich einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls. Frage 2: Wie oft wurden in den Jahren 2011 bis 2016 Beamt*innen des sächsischen Polizeivollzugsdienstes von den verschiedenen städtischen Verkehrsbetrieben und den Verkehrsverbünden zur Feststellung der Personalien einer Person herbeigerufen, die ohne gültigen Fahrschein angetroffen wurde und in welchem Verhältnis steht diese Fallzahl zur Anzahl der insgesamt ohne Fahrschein angetroffenen Personen? Es wird auf die Absätze 1 und 2 der Antwort der Staatsregierung auf Frage 1 verwiesen . Durch die sächsischen Polizeidienststellen erfolgt keine statistische Erfassung der Einsätze , bei welchen Polizeivollzugsbeamte durch Verkehrsbetriebe/-verbünde zur Unterstützung bei der Identitätsfeststellung von Personen, die ohne gültigen Fahrschein in Verkehrsmitteln angetroffen wurden, hinzugezogen werden. Solche polizeilichen Unterstützungseinsätze können im Sinne der Fragestellung nicht gefiltert und aufgearbeitet werden. Frage 3: In wie vielen Fällen haben in den Jahren 2011 bis 2016 Personen, die in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrausweis angetroffen wurden das sog. erhöhte Beförderungsentgelt sofort und vor Ort an die Vertreter*innen des jeweiligen Verkehrsunternehmens gezahlt? Es wird auf die Absätze 1 und 2 der Antwort der Staatsregierung auf Frage 1 verwiesen . Detaillierte und autorisierte Informationen im Sinne der Fragestellung stehen der Staatsregierung nicht zur Verfügung. Frage 4: Wie viele zivilgerichtliche Verfahren strengten in den Jahren 2011 bis 2016 die verschiedenen städtischen Verkehrsbetriebe und die Verkehrsverbünde an, um Ansprüche auf Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts gegen Personen, die ohne Fahrschein angetroffen wurden, durchzusetzen? Von einer Beantwortung der Frage wird wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Seite 3 von 4 Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten . Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet , bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt ist. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Daran gemessen kann die Frage wegen des hierfür unverhältnismäßigen Aufwandes nicht beantwortet werden. Die zur Beantwortung der Frage notwendigen Erkenntnisse liegen dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz nicht unmittelbar vor. Diese können auch nicht durch eine elektronische Recherche erlangt werden. Eine Beantwortung der Frage wäre daher nur möglich, wenn man alle Akten, die zivilgerichtliche Verfahren in dem abgefragten Zeitraum betreffen, händisch auswerten würde. Die betrifft 273.338 Akten. Für das Anfordern , das Suchen, den Transport der Akten sowie die Auswertung und Dokumentation im Sinne der Fragestellung und den Rücktransport ist mit einer Bearbeitungszeit von nicht weniger als 15 Minuten pro Akte zu rechnen. Dies zugrunde gelegt, wird der für die händische Auswertung von 273.338 Akten anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 8.542 Arbeitstage für einen Mitarbeiter geschätzt, der andere Aufgaben währenddessen nicht wahrnehmen könnte. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur Beantwortung der Frage erforderliche Aufwand nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine Beantwortung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten, die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und nicht zu leisten ist. Frage 5: In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2011 bis 2016 durch die sächsischen Staatsanwaltschaften wegen des Tatvorwurfs der Beförderungserschleichung (§ 265a Abs. 1, 3. Alternative StGB) im anlässlich der Anklageerhebung oder später die gerichtliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren gemäß § 417 ff StPO beantragt und wie oft wurde ein solches beschleunigtes Verfahren mit welchem Ergebnis (Verurteilung, Freispruch, Einstellung) durchgeführt? Seite 4 von 4 Eine Entscheidung im beschleunigten Verfahren gemäß § 417 Strafprozessordnung (StPO) wurde im abgefragten Zeitraum von sächsischen Staatsanwaltschaften in 19 Strafverfahren, denen – zumindest auch – der Tatvorwurf der „Beförderungserschleichung “ zugrunde lag, beantragt. Der Verfahrensabschluss lässt sich jeweils aus der nachfolgenden tabellarischen Übersicht entnehmen: Nr. Verfahrensausgang (im beschleunigten Verfahren) 1. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätzen 2. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen 3. Strafbefehl, Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen 4. Einstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO 5. Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO 6. Urteil, Freiheitsstrafe in Höhe von 2 Monaten, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung 7. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen 8. Urteil, Geldstrafen in Höhe von jeweils 30 Tagessätzen (zwei Angeklagte) 9. Urteil, Freiheitsstrafe in Höhe von 2 Monaten 10. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen 11. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen 12. Urteil, Freiheitsstrafe in Höhe von 4 Monaten, Vollstreckung ausgesetzt zur Bewährung 13. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen 14. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen 15. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen 16. Urteil, Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen 17. Strafbefehl, Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen 18. Strafbefehl, Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen 19. Strafbefehl, Geldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen Mit freundlichen Grüßen In Vertretung Petra Köpping 2018-01-03T08:47:05+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes