STAATSM1N1STER1U1VI DER JUSTIZ B3— Freistaat lg SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister® smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E-LR-842/15 Dresden, ## April 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Klaus Bartl, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/1182 Thema: Grenzüberschreitende Observation im Freistaat Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In wie vielen Fällen wurden durch die Staatsanwaltschaft des Freistaates Sachsen in den Jahren 2009 bis 2014 sowie in den bisherigen Monaten des Jahres 2015 grenzüberschreitende Observationen beantragt und wie viele hiervon wurden richterlich genehmigt? Die Beantragung und Genehmigung grenzüberschreitender Observationen wird bei den Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen nicht statistisch erfasst. Zu der daher notwendigen Auswertung von Vorgängen ist anzumerken, dass die aktenförmige Behandlung bei den Staatsanwaltschaften unterschiedlich gehandhabt wird. Während die Staatsanwaltschaften Dresden, Görlitz und Zwickau für die Abwicklung Rechtshilfevorgänge anlegen, erfolgt die Bearbeitung bei den Staatsanwaltschaften Chemnitz und Leipzig in der Ermittlungsakte. Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7, 8,11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 "Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de Seite 1 von 5 STAATSM1N1STER1UTVI DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Der Leitende Oberstaatsanwalt in Chemnitz hat aus der Erinnerung mitgeteilt, dass in insgesamt fünf Ermittlungsverfahren die Genehmigung einer grenzüberschreitenden Observation bei der Bezirksstaatsanwaltschaft in Prag beantragt worden ist. Bei den Staatsanwaltschaften Görlitz und Leipzig war eine Schätzung nicht möglich. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat in 37 Fällen, die Staatsanwaltschaft Zwickau in sieben Fällen um Genehmigung einer grenzüberschreitenden Observation ersucht. Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen schätzt die Gesamtzahl der beantragten grenzüberschreitenden Observationen sachsenweit auf rund 90 Fälle. Von einer weitergehenden Beantwortung der Frage wird aus Gründen der Zumutbarkeit abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das bei der Staatsregierung präsent ist, sowie jene Informationen, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand zumindest in ihren Geschäftsbereichen eingeholt werden können, mitgeteilt wird (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 19-1-97). Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden (SächsVerfGH, a. a. O.). Zur Vorbereitung der Beantwortung ist eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen. Diese Sachverhaltsermittlung ist jedoch im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages beschränkt. Bei der Sachverhaltsermittlung kann daher nicht in jedem Fall das Ausschöpfen jeder denkbaren Erkenntnisquelle verlangt werden (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, a. a. 0.). Zur Ermittlung der konkreten Anzahl grenzüberschreitender Observationen wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Eine weitergehende Beantwortung der Anfrage ist daher innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand nicht zu leisten. Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Zu den Staatsanwaltschaften Chemnitz, Görlitz und Leipzig sind konkrete Angaben nicht möglich. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Chemnitz hat berichtet, dass grenzüberschreitende Observationen im Wesentlichen nur in Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz stattgefunden haben. Da die Beantragung nicht als eigenständiger Rechtshilfevorgang eingetragen werde, müssten für den angefragten Zeitraum 14.382 Verfahrensakten, teilweise aus Außenarchiven, beigeholt und manuell ausgewertet werden. Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig, bei der ebenfalls keine Rechtshilfevorgänge angelegt werden, müssten die Verfahrenseingänge der Jahre 2009 bis 2015 von insgesamt rund 360.000 Ermittlungsverfahren manuell ausgewertet werden. Bei der Staatsanwaltschaft Görlitz sind in dem angefragten Zeitraum 2.000 Rechtshilfevorgänge registriert worden, die manuell ausgewertet werden müssten. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den Rechtshilfevorgängen um schmale Aktenvorgänge handelt, wird eine Kraft des mittleren Dienstes für die Auswertung über einen Monat benötigen. Auch unter Berücksichtigung der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts ist es aufgrund des dargelegten Erhebungsaufwands unverhältnismäßig und in der zur Verfügung stehenden Zeit ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege und Funktionsfähigkeit der sächsischen Justiz nicht zu leisten, die Frage vollständig zu beantworten. Zum zweiten Teil der Frage ist anzumerken, dass eine grenzüberschreitende Observation von der Staatsanwaltschaft bei der zuständigen Stelle des ersuchten Staates zu beantragen ist. Eine richterliche Genehmigung ist hierfür nicht erforderlich. Frage 2: In wie vielen Fällen wurden durch Ermittlungsbehörden des Freistaates Sachsen im gleichen Zeitraum wie unter 1. grenzüberschreitende Observationen im Zuge förmlicher Ermittlungsverfahren vorgenommen? Die Beantwortung dieser Frage ist für die Staatsanwaltschaften aus den bei der Antwort auf Frage 1 genannten Gründen ebenfalls nur teilweise möglich. Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Auch von der sächsischen Polizei wird nicht erfasst, in wie vielen Fällen durch die Polizei grenzüberschreitende Observationen im Zuge förmlicher Ermittlungsverfahren vorgenommen werden. Die Beantwortung der Frage würde daher die Durchsicht und Auswertung der einzelnen, tagesbezogenen Einsatzberichte aller für grenzüberschreitende Observationen zuständigen Organisationseinheiten der sächsischen Polizei für den angefragten Zeitraum erfordern. Allein in einer Dienststelle der sächsischen Polizei wird der Zeitaufwand für die Auswertung eines tagesbezogenen Einsatzberichts auf einen durchschnittlichen Zeitansatz von etwa 5 Minuten geschätzt. Für die Auswertung der tagesbezogenen Einsatzberichte für das Jahr 2014 müssten in dieser Dienststelle etwa 60 Arbeitsstunden aufgebracht werden. Hochgerechnet auf die sechs angefragten Jahre wären dies ca. 360 Stunden/45 Arbeitstage. Die Auswertung müsste auch in fünf weiteren Dienststellen der sächsischen Polizei erfolgen. Dies erscheint im Hinblick auf die zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit unverhältnismäßig und ist nach Einschätzung des Staatsministeriums des Innern ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit der sächsischen Polizei nicht zu leisten. Zu einer Überschreitung der Grenze durch Observationskräfte ist es in Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz in drei Fällen, der Staatsanwaltschaft Dresden in elf Fällen und der Staatsanwaltschaft Zwickau in sieben Fällen gekommen. Der Generalstaatsanwalt schätzt die Gesamtzahl sachsenweit auf ca. 30 Fälle. Frage 3: Welche Straftatbestände waren Gegenstand der betreffenden Ermittlungsverfahren und in welchen anderen Staaten erfolgte die Observation? Die Beantwortung bezieht sich auf die zu Frage 1 mitgeteilten Ermittlungsverfahren. Grenzüberschreitende Observationen haben in Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Einfuhr von und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, des Bandendiebstahls, der Bildung krimineller Vereinigungen, des ge-werbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländem, der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei und der gewerbs- und bandenmäßigen Urkundenfälschung stattgefunden. Seite 4 von 5 STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Die Observationen erfolgten in der Tschechischen Republik, im Königreich der Niederlande und im Königreich Belgien. in wie vielen Fällen davon wurde das notwendige Ersuchen auf Genehmigung der grenzüberschreitenden Observation durch den betroffenen Drittstaat seitens der das Verfahren führenden sächsischen Staatsanwaltschaft erst im Nachhinein gestellt und aus welchen Sach- und Rechtsgründen geschah dies im jeweiligen Einzelfall? In drei Fällen wurde eine nachträgliche Genehmigung für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Observation erforderlich. In zwei Verfahren erfolgte der Grenzübertritt unerwartet und in einem Fall ergab sich die Notwendigkeit einer ergänzenden nachträglichen Genehmigung aufgrund neuer Daten aus einer GPS-Ortung, die von einer vorangegangenen Genehmigung nicht erfasst war. Mit freundlichen Grüßen Frage 4: Sebastian Gemkow Seile 5 von 5