STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12051 Thema: Probleme des Identitätsnachweises von Staatsangehörigen aus Eritrea, Somalia und Afghanistan Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Staatsangehörige von Herkunftsländern, die über kein nationales Personenregister verfügen, stoßen im Alltag häufig auf Probleme beim Nachweis ihrer Identität. Dies trifft insbesondere auf anerkannte Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Afghanistan und weiteren Staaten zu. In Deutschland ausgestellte elektronische Aufenthaltskarten sind meist mit dem Hinweis versehen, dass die Daten zur Person auf den eigenen Angaben des Ausweisinhabers bzw. der -inhaberin beruhen. Im Zuge der Verlängerung von Aufenthaltstiteln oder bei Änderungen des Personenstandes (Heirat, Geburt eines Kindes) werden Betroffene von den zuständigen Ausländerbehörden, Standesämtern und anderen Einrichtungen aufgefordert, Reisepässe bei den Botschaften ihrer Herkunftsländer zu beantragen, auch wenn sie vor dem dortigen Regime geflohen und Schutz gesucht haben (Eritrea) oder die Beantragung eines Reisepasses in Deutschland überhaupt nicht möglich (Somalia) oder mit unzumutbaren Härten (Afghanistan) verbunden ist. Die Botschaft Somalias in Berlin verfügt über keine konsularische Abteilung und ist daher nicht berechtigt, Reisepässe für somalische Staatsangehörige auszustellen. Außerdem kann die Deutsche Botschaft in Nairobi (Kenia) aufgrund des Bürgerkriegs in Somalia bereits seit geraumer Zeit keine Urkunden und Reisepässe aus Somalia überprüfen . Gemäß einer Allgemeinverfügung des Bundesministerium des Innern vom 6. April 2016 können somalische Pässe generell nicht anerkannt werden (vgl. BAnz. AT 25. April 2016 B1). Erschwerend kommt hinzu, dass viele der in Deutschland Schutzsuchenden aus Somalia nie einen Ausweis oder ähnliches (auch keine Geburtsurkunde) besaßen , da in vielen Landesteilen seit Beginn der 1990er Jahre keine staatliche Ordnungsmacht existiert. Für die Ausstellung eines Reisepasses für afghanische Staatsangehörige verlangt die Botschaft in Berlin die Vorlage eines so genannten Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24a-1053/42/27 Dresden, 13. Februar 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN "Tazkira" (nationales Ausweisdokument) im Original einschließlich einer Beglaubigung durch das Außenministerium Afghanistans mit Sitz in Kabul (vgl. http://www.afqhanconsulate-munich.com/index.php/de/passneuausstellung). Ein Tazkira wird in Afghanistan üblicherweise durch den Ortsvorsteher ausgestellt und durch ein Distriktgericht beglaubigt. Ein Tazkira kann nur persönlich beantragt und beglaubigt werden oder durch eine beauftragte Anwaltskanzlei, was jedoch sehr kostenintensiv ist. Eine systematische Erfassung der persönliche Daten findet dabei nicht statt, so dass ein solches Ausweisdokument leicht fälschbar ist und keine verifizierbaren Daten enthält. Darüber hinaus hat die Deutsche Botschaft im Juni 2017 jedoch die Überprüfung afghanischer Urkunden einschließlich der Tazkira bis auf Weiteres eingestellt (vgl. http://www.konsularinfo.diplo.de/contentblob/1619656/Daten/7694596/Merkblatt Afghanistan.pdf)." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Sächsische Staatsregierung hinsichtlich der Beschaffbarkeit von Ausweisdokumenten der o. g. Herkunftsstaaten? Eritrea: Eritreische Staatsangehörige können bei der eritreischen Botschaft in Frankfurt am Main oder beim eritreischen Generalkonsulat in Berlin grundsätzlich formlos persönlich einen Reisepass beantragen. Die Kosten liegen bei 160 Euro. Für Anfang des Jahres 2017 hat die eritreische Botschaft als Dauer des Verfahrens von der Antragstellung bis zur Ausstellung des Reisepasses bei vorliegendem Identitätsnachweis drei bis vier Monate angegeben. Die eigenständige Beschaffung von Dokumenten ist bei in Eritrea registrierten Personen möglich. Nicht registrierten Personen bleibt das Zeugenverfahren. Hat ein Eritreer keinen Identitätsnachweis, kann er über dieses Verfahren seine Daten und seine eritreische Staatsangehörigkeit bestätigen lassen und dann einen Pass erhalten. Hierzu sind drei Zeugen erforderlich, die mindestens 40 Jahre alt und im Besitz eines eritreischen Ausweises sein müssen. Erfahrungswerte zu Einzelfällen liegen nicht vor. Somalia: Die Somalische Botschaft in Berlin stellt laut einer Auskunft aus dem Jahr 2017 keine Pässe aus. Die Passbeschaffung setzt also voraus, dass die Betroffenen zwecks Passbeschaffung in den Heimatstaat reisen. Hier liegen ebenfalls keine Erfahrungswerte zur Beschaffung von Ausweisdokumenten vor. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 5 STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Afghanistan: NM. Das Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan in München hat dem Sächsischen Staatsministerium des Innern mit Verbalnote vom 7. September 2016 mitgeteilt , dass nach § 1 Artikel Nr. 19 des neuen afghanischen Reisepassgesetzes ein afghanischer Reisepass nur ausgestellt werden könne, wenn eine vom Außenministerium Kabul beglaubigte Tazkira im Original vorliege. Nach Überprüfung der Registernummer könne danach ein Reisepass ausgestellt werden. Register werden in Afghanistan nur für die Tazkira geführt. Die Tazkira ist das übliche Identitätsdokument in Afghanistan. Sie wird ausschließlich in Afghanistan ausgestellt. Afghanische Auslandsvertretungen sind nicht befugt, eine Tazkira auszustellen und können lediglich Anträge auf Ausstellung einer Tazkira aufnehmen, um sie an die afghanischen Behörden weiterzuleiten. Ein Antrag auf Ausstellung der Tazkira über die afghanische Auslandsvertretung ist einer Mitteilung des afghanischen Generalkonsulats in München zufolge nur möglich, wenn die Person Verwandte in Afghanistan hat, die sich nach der Antragsübermittlung mit den Behörden in Kabul in Verbindung setzen. Die Ausländerbehörde Chemnitz hat allerdings mitgeteilt, dass der Antragsteller einen Rechtsanwalt in Afghanistan mit einer Vollmacht über das Generalkonsulat beauftragen könne, wenn nachweislich (Bestätigung des Innenministeriums Kabul) keine Verwandten den Behördenweg zu einer Außenstelle des Außenministeriums (außer in Kabul z. B. noch in Herat, Masar-e Sharif) erledigen könnten. Zu Erfahrungen in Einzelfällen hat die Ausländerbehörde Görlitz berichtet, dass zwei Familien nach Aufforderung die Reisepässe bei der Botschaft beantragt und auch in überschaubarer Zeit erhalten hätten. Einer anderen Familie werde die Ausstellung von Reisepässen verweigert, Gründe dafür seien nicht bekannt. Die Ausländerbehörde des Landkreises Leipzig hat über einen Fall berichtet, in dem der afghanische Staatsangehörige vorgab, keinerlei Dokumente zu besitzen. Diesem wurde trotzdem im Generalkonsulat Bonn nach dem dortigen „Interview" ein Pass ausgestellt. Ob der Betroffene dort Dokumente vorlegte, die er der Ausländerbehörde nicht preisgeben wollte, ist nicht bekannt. Grundsätzlich ist für Sachsen die Botschaft in Berlin zuständig. Frage 2: Wie bewertet die Sächsische Staatsregierung die Aussagekraft von Ausweisdokumenten der o.g. Herkunftstaaten bezüglich des Ausräumens von Zweifeln an den Daten zur Person (vgl. Ausweisvermerk)? Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zur Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Das Fragerecht dient nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht dazu, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten Informationen zu verschaffen (SächsVerf GH, Urteil vom 22. April 2004, Vf. 44-1-03). Freistaat SACHSEN Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Frage 3: Welche alternativen Möglichkeiten bestehen insbesondere für Staatsangehörige aus Somalia und Afghanistan, ihre Identität nachzuweisen? Wenn keine anerkannten und gültigen Pässe/Passersatzpapiere des Herkunftsstaates vorgelegt werden können, ist über den Nachweis der Identität im Einzelfall zu entscheiden . Eine einheitliche Festlegung, welche sonstigen Dokumente außer gültigen Ausweispapieren die Identität eines Ausländers klären können, gibt es nicht, weil es zu viele unterschiedliche Fallkonstellationen gibt. Frage 4: Welche weiteren Möglichkeiten stehen den Betroffenen unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Ehefreiheit nach Art. 6 GG offen, um eine Eheschließung im Standesamt zu beurkunden? Die Frage wird so verstanden, dass beantwortet werden soll, ob trotz fehlendem Identitätsnachweis — im Hinblick auf die grundsätzliche Ehefreiheit nach Art. 6 Grundgesetz (GG) — eine Eheschließung im deutschen Standesamt möglich ist. Der Standesbeamte hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Eheschließung vorliegen und der Eheschließung kein Hindernis entgegensteht, d. h. dass bei den Verlobten die Ehefähigkeit vorliegt und keine Eheverbote gegeben sind (§§ 1303 ff Bürgerliches Gesetzbuch — BGB i. V. m. § 13 Personenstandsgesetz — PStG). Bei Auslandsbeteiligung bestimmen sich die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten nach dem Recht des Staates, dem er angehört (Art. 13 Einführungsgesetz zum BGB). Art. 6 GG und Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention gebieten dem Staat, Ehe und Familie unabhängig von Nationalität und Herkunft zu schützen. Daher soll durch die Prüfung im Vorfeld sichergestellt werden, dass der/die Verlobte nicht bereits verheiratet ist. Zudem soll verhindert werden, dass der ausländische Heiratswillige durch eine Eheschließung im Inland zwar in Deutschland, nicht aber in seinem Herkunftsland als verheiratet gilt (sog. hinkende Ehe). Gemäß § 1309 BGB ist daher bei Ausländern ein Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaates bzw. die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses durch das zuständige Oberlandesgericht erforderlich, falls in dem Herkunftsland kein Ehefähigkeitszeugnis ausgestellt wird. § 1309 BGB ist zwingendes Recht (s. Palandt /Brudermüller, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 1309 RdNr. 3). Der Identitätsnachweis ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1309 BGB (s.a. OLG Dresden, Leitfaden Ehefähigkeit Ziffer 6, https://www.justiz.sachsen.de/olg/download/Leitfaden Ehefaehicikeit.pdf). Kann die Identität nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, ist die Vornahme der Eheschließung durch das Standesamt abzulehnen, §§ 12, 13, 2, 9, 10 PStG, § 5 Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV). Gegen die Ablehnung können die Beteiligten Beschwerde bei Gericht einlegen, § 49 PStG. Freistaat SACHSEN Seite 4 von 5 STAATSM1NISTERIUM DES INNERN Frage 5.: Wie wird der in internationalen Konventionen besonders festgelegte Schutz von Kindern umgesetzt, um Benachteiligungen aufgrund eines Ausweisvermerks zu Zweifeln an der Namensführung bei Kindern zu vermeiden? Aus Hinweisen in Ausweisdokumenten von Kindern, dass die Personendaten auf den eigenen Angaben der Antragsteller beruhen, ergeben sich keine Benachteiligungen, die im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention stünden. undlichenßrüßen Prof. Dr. Roland Wöller Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2018-02-14T10:20:55+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes