STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOZlALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR SOZIALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Albertstraße 10 1 01097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Andre Schollbach, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12068 Thema: Einsatz verbotener Insektizide und verbotener Fungizide im Weinbau im Jahr 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Gem. Art. 51 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf) haben die Staatsregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach Art. 51 Abs. 2 SächsVerf kann die Staatsregierung die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn dies den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berührt oder einer Beantwortung gesetzliche Regelungen, Rechte Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen. Das Auskunftsersuchen ist gerichtet auf die Unternehmer-/Unternehmensnennung , den Produktnamen inkl. Jahrgang und die Zusammensetzung des Produkts. Die Fragen berühren die verfassungsmäßigen Schutzbereiche des Rechts auf informationalle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), das Recht auf Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (Art. 14 Abs. 1 GG) bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG). Korrespondierend hierzu seien landesrechtlich benannt: die in Art. 28 Abs. 1 SächsVerf i. V. m. Art. 37 Abs. 3 SächsVerf normierte Berufsfreiheit der betroffenen Winzer bzw. Weinbaubetriebe. Die Staatsregierung ist sich der herausgehobenen Bedeutung des parlamentarischen Frage- und Auskunftsrechts für die wichtige und in der Verfassung verankerte Funktion des Abgeordneten bewusst. Allerdings ist dieses Frageund Auskunftsrecht nicht schrankenlos. Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage hat die Staatsregierung das geschützte Recht der Weinbetriebe im Freistaat SACHSEN Die Staatsministerin Durchwahl Telefon +49 351 564-5601 Telefax +49 351 564-5791 Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 22-0141.51-18/34 Dresden, 2 {). Februar 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz Albertstraße 1 o 01097 Dresden www.sms.sachsen.de STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUC~ERSC~UTZ Sinne der Kleinen Anfrage auf die uneingeschränkte Gewerbeausübung als besondere Ausprägung der Berufsfreiheit zu berücksichtigen. Stehen der Beantwortung der Kleinen Anfrage - wie hier - verfassungsgemäße Rechte Dritter entgegen, sind das Informationsinteresse der Abgeordneten und das Geheimhaltungsinteresse des Dritten unter Berücksichtigung der Bedeutung der Pflicht zur erschöpfenden Beantwortung parlamentarischer Anfragen für die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems gegeneinander abzuwägen. Sowohl das Recht auf Berufsfreiheit als auch der parlamentarische Informationsanspruch sind auf der Ebene des Verfassungsrechts angesiedelt. Dieses so entstehende Spannungsverhältnis im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung ist nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen. Das bedeutet, dass beide Rechtspositionen einander so zugeordnet werden müssen, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch auf Beantwortung gestellter Fragen gegenüber allen Abgeordneten und in der Öffentlichkeit hin angelegt. Es sind aber ggf. andere Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die das Informationsinteresse des Parlaments und der Abgeordneten unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Weinerzeuger befriedigen. Frage: ln welchen Weinen welcher Winzer im Freistaat Sachsen wurden im Jahr 2017 jeweils zu welchen Zeitpunkten durch welche Behörden jeweils welche verbotenen Insektizide und Fungizide festgestellt? ln einem Wein der Rebsorte Kerner der Weinkellerei Jan Ulrich wurde Dimoxystrobin durch die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen festgestellt (Datum Gutachten: 27. Februar 2017). Dieser Befund ist während eines Pressegesprächs durch die Winzer Jan und Carola Ulrich im März 2017 bekannt gemacht worden. Ein Geheimhaltungsinteresse im Sinne der obigen Ausführungen besteht nicht. Ein weiterer belastender Befund in 2017 ist als Anlage beigefügt. Dessen Bekanntgabe erfolgt in nichtöffentlicher Form. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine belastende Antwort schwerwiegende und gegebenenfalls existenzielle Nachteile für die betreffenden Personen/das Unternehmen mit sich brächte, falls eine Übermittlung der angefragten Informationen im öffentlichen Raum erfolgen würde. Zudem sagt der analytische Nachweis verbotener Bestandteile im Wein noch nichts über den Grad der Rechtswidrigkeit des Endprodukts aus. Es werden durch Behörden festgestellte verbotene Insektizide bzw. Fungizide in Weinen angefragt, ohne ihre abschließende lebensmittelrechtliche Relevanz zu untersetzen . Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Beantwortung der benannten Kleinen Anfrage würden Inhaltsstoffe ohne die zugehörige fachliche und lebensmittelrechtliche Bewertung an die Öffentlichkeit gelangen und zu einem nicht kalkulierbaren veränderten Verbraucherverhalten führen, was zu nicht unerheblichen Umsatzeinbußen der betroffenen Unternehmen führen könnte. Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR SOllALES UND VERBRAUCHERSCHUTZ Lediglich in den Fällen, in denen ein hinreichender Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel ein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier mit sich bringen kann, ist eine uneingeschränkte Weitergabe spezifischer Informationen an Dritte bereits nach Maßgabe des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nummer 178/2002 geboten. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht belegbar. Folglich kann dem parlamentarischen Informationsanspruch hiesigen Erachtens nur in der Form Rechnung getragen werden, dass die Informationsvermittlung des noch nicht vom Weinerzeuger selbst der Öffentlichkeit kommunizierten Falls in nichtöffentlicher Form erfolgt, d. h. also auch nicht in EDAS eingestellt wird. Diesbezüglich sollte die Beantwortung der Kleinen Anfrage ausschließlich im Rahmen einer nichtöffentlichen Sitzung des federführenden Ausschusses bekanntgegeben werden; eine Veröffentlichung im Internet ist für diesen Fall nicht angezeigt. Hierdurch wird dem verfassungsrechtlichen Schutzgedanken der Berufsfreiheit hinreichend Rechnung getragen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der nichtöffentlichen Beantwortung der Kleinen Anfrage im Hinblick auf die nicht publike Feststellung von kontaminierten Weinen könnten nur dahingehend eröffnet sein, als der betroffene Winzer bisher nicht dazu gehört wurden, ob er sich überhaupt auf seine Berufsausübungsfreiheit sowie Geschäfts - und Betriebsgeheimnisse berufen möchte. Von entsprechenden Anhörungen kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten sind. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in einem Beschluss (Aktenzeichen: 3 B 136/17) zum Anspruch eines Vertreters der Presse auf Auskünfte zu kontaminierten sächsischen Weinen festgehalten, dass eine öffentliche Bekanntgabe für die betroffenen Betriebe weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Es wären Umsatzeinbußen zu befürchten, die bis hin zu einer Existenzgefährdung dieser Betriebe führen könnten. Die Klärung der Frage , ob jene Rechtsträger einen solchen Schutz überhaupt anstreben, erübrigt sich angesichts der im Raum stehenden zu erwartenden Vermögensschäden. Insofern sind preisgegebene Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse auch nur bedingt vergleichbar mit beeinträchtigten personenbezogenen Daten. Dieses erkennbare Unternehmensrisiko hat 2016/Anfang 2017 dazu geführt, dass die betroffenen Unternehmen, die eine proaktive Informationskultur gepflegt haben, starke wirtschaftliche Einbußen hinnehmen mussten und im klaren Wettbewerbsnachteil zu denen standen, die trotz Kontamination nicht an die Öffentlichkeit getreten waren. ln Konsequenz unterblieben Presserklärungen bei nachfolgenden Verunreinigungen einzelner Produkte. Mit freundlichen Grüßen \3 /Lq Barbara Kleps Anlage Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN 2018-02-21T09:49:02+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes