STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSETsi Die Staatsministerin STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Postfach 10 09 20 | 01079 Dresden Aktenzeichen(L-1053/4/23-2018) Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Dresden, Februar 2018 Kleine Anfrage des Abgeordneten Rene Jalaß, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12130 Thema: Nachweis der Prüfungsunfähigkeit im Studium und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt; „An einigen Sächsischen Hochschulen werden zur Anzeige der Prü fungsunfähigkeit von Studierenden gesonderte Nachweise zur Vorlage in den Prüfungsausschüssen verlangt. Diese Bescheinigungen sind durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte auszufüllen. In den Formu laren für die Bescheinigung der Prüfungsunfähigkeit müssen die Stu dierenden u.a. durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Krank heitssymptome, die Art der Leistungsminderung sowie die Beeinträch tigung für die Prüfung nachweisen. Teilweise werden sogar die Krank heitsbezeichnung bzw. der ICD-Code (Internationale statistische Klassi fikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) im Nachweis verlangt. Über die Zulässigkeit der Prüfungsunfähigkeit ent scheiden dann letztendlich die Prüfungsausschüsse und damit i.d.R. fachfremde Personen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Ärzte sind „fachfremde Personen" bei der Entscheidung über die Annullierung eines Prüfungsversuches. Sie haben die Hilfsfunktion, zu bestätigen, ob die vom Prüfling behauptete vorübergehende Gesundheitsstörung zum Zeitpunkt der Prüfung vorlag und wie diese sich leistungsmindernd ausgewirkt haben kann. Nach der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung kann allein die Prüfungsbehörde der Hochschule die rechtliche Entscheidung treffen, ob der attestierte Sachverhalt eine Prüfungsunfähigkeit im Sinne der Prüfungsord nung begründet und die Prüfung auf Antrag des Prüflings annulliert wird. ■ir Zertifikat seit 2007audK trerufundfamilie^ Hausanschrift: Staatsministerium fOr Wissenschaft und Kunst Wigardstraße 17 01097 Dresden vvww.smwk.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßen bahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Für Besucher mit Behinderungen befinden sich gekennzeichnete Parkplätze am Hintereingang der Wigardstraße 17. Für alle Besucherparkplätze gilt: Bitte beim Pfortendienst melden. 'Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronisctie Dokumente. STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEIN Frage 1: Welche Nachweise müssen Studierende an den Sächsischen Hochschu len erbringen, wenn Sie von einer Prüfung zurücktreten oder diese vorzeitig been den wolien? Keine. Studierende können jederzeit und ohne weitere Begründung von einer Prüfung zurücktreten oder diese vorzeitig beenden. In beiden Fällen treten die nach der jeweili gen Prüfungsordnung vorgesehenen Rechtsfolgen ein. Frage 2: Welche speziellen Forderungen von Nachweisen über die Prüfungsunfä higkeit, der einzelnen Prüfungsausschüsse an den sächsischen Hochschulen, sind der Staatsregierung bekannt und welche Formblätter (wenn vorhanden) wer den dafür im Einzelnen vorgesehen? (Bitte aufschlüssein nach Hochschule und Fakultät und die entsprechenden Formblätter beifügen.) Die Durchführung von Hochschulprüfungen ist eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Hochschulen gemäß § 6 Abs. 1 Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz (SächsHSFG). Die Staatsregierung hatte seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 5/8132 im Jahre 2012 - auf die wegen der geltenden Rechtslage Bezug genommen wird - keine Veranlassung sich rechtsaufsichtlich mit diesem Thema zu befassen. Von daher sind ihr keine Einzelheiten zu der Auslegung der Prüfungsordnungen der Hochschulen in der Praxis bekannt. Frage 3: Mit welchen Folgen müssen Studierende im Freistaat Sachsen rechnen, wenn Sie von einer Prüfung per ärztlicher Krankschreibung zurücktreten, jedoch a) einer Forderung nach Offeniegung der Krankheitssymptome, Art der Leis tungsminderung oder der Beeinträchtigung für die Prüfung oder b) einer Forderung nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens bzw. eines ent sprechend vom Arzt / von der Ärztin ausgefüllten Formulars der Jeweiligen Fakultät bezüglich der geltend gemachten Prüfungsunfähigkeit oder c) einer eventuell verlangten Entbindung des behandelnden Arztes/ der be handelnden Ärztin von der Schweigepflicht oder d) ähnlichen Forderungen seitens der Hochschule, die über das fristgemäße Einreichen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hinausge hen, nicht nachkommen? Bei jeder Prüfung, zu der sich ein Studierender verbindlich angemeldet hat, wird - vor behaltlich eines eventuell zugelassenen fristgemäßen Rücktritts ohne Gründe - die er brachte Leistung bewertet und der Prüfungsversuch auf die Zahl der nach der Prüfungs ordnung vorgesehenen Prüfungsversuche angerechnet. Dies gilt nicht, wenn die Prü fungsbehörde auf den fristgemäß gestellten und begründeten Antrag des Prüflings hin feststellt, dass wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zum Zeitpunkt der Prü fung eine vorübergehende, krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Prüflings vorlag. Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEIN Grundsätzlich wird von jedem Prüfling, der erkennbar unter einer Gesundheitsstörung leidet und daher den Prüfungsversuch annulliert wissen möchte, verlangt, dass er die entsprechenden Konsequenzen zieht, indem er eindeutig erklärt, dass er von der Prü fung zurücktritt und zwar unverzüglich, sobald ihm das nach Lage der Dinge zumutbar ist. Mit seiner Rücktrittserklärung muss der Prüfling unverzüglich, die dafür maßgeblichen Gründe angeben, d. h. seine körperlichen oder geistigen Beschwerden nennen. Die Prü fungsordnungen verlangen im Allgemeinen einen fachkundigen Nachweis, dass die ge sundheitliche Beeinträchtigung eine krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähig keit bewirkt, und zwar regelmäßig durch ein ärztliches (oder auch amtsärztliches) Attest. Um die Chancengleichheit für künftige Berufsbewerber zu sichern, darf der Rücktritt mit der Folge einer zusätzlichen Wiederholungsprüfung nur dann gestattet werden, wenn die Gründe dafür dem Prüfungsamt nachvollziehbar offenbart worden sind. Missachtet oder verletzt der Prüfling seine Mitwirkungspflichten, so kann er sich auf die gesundheitliche Beeinträchtigung während einer Prüfung später nicht mehr berufen (ständige Rechtspre chung z. B. BVerwG, Beschluss vom 14.03.1989 - 7 B 39,89). Der Nachweis einer er heblichen Verminderung der Leistungsfähigkeit des Prüflings aufgrund einer gesundheit lichen Beeinträchtigung ist im Allgemeinen nur mit ärztlicher Hilfe möglich (zu den Mit wirkungspflichten vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.08.1980 - 7 B 191.80). Eine Arbeits unfähigkeitsbescheinigung reicht dazu nicht aus. Der Inhalt des Attests muss die Be schreibung der gesundheitlichen Beeinträchtigung sein und ferner die Angabe der sich daraus ergebenden Behinderung in der Prüfung speziell durch die Störung bestimmter körperlicher und geistiger Funktionen (z. B. BVerwG, Beschluss vom 06.08.1996 - 6 B 17.96). Die genaue Bezeichnung der Krankheit ist zweckmäßig aber nicht entscheidend. Im Einzelfall kann aber schon durch sie offensichtlich gemacht werden, dass die Leis tungsfähigkeit des Prüflings beeinträchtigt ist (vgl. Medizinrecht 2003, 207ff.) Der schlichte, nicht weiter begründete Hinweis des Arztes, dass der Prüfling „prüfungsunfä hig" sei, entspricht diesen Anforderungen nicht. Das Prüfungsamt hat nämlich die Rechtsfrage zu entscheiden, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung den Rücktritt von der Prüfung rechtfertigen kann, oder ob nach den Umständen bestimmte Hilfsmittel die Beschwerden ausgleichen können. Dies zu entscheiden ist grundsätzlich nicht Sache des Arztes. Die Entscheidung, ob die vom Attest dargelegten gesundheitlichen Defizite die Annahme rechtfertigen, dass der Prüfling wegen Prüfungsunfähigkeit verhindert ist, trifft die Prüfungsbehörde in eigener Verantwortung (BVerwG, Beschluss vom 06.08.1996-6 B 17.96 und Beschluss vom 14.07.2004 - 6 B 30.04). Wenn die Auswirkungen der attestierten Krankheit auf die Leistungsfähigkeit des Prüf lings unklar sind, kann die Prüfungsbehörde u. U. weitere Ermittlungen anstellen. Dem gegenüber kann der Arzt sich nicht erfolgreich auf seine Schweigepflicht berufen, denn in dem Verlangen dem Prüfling/Patienten, ein zur Feststellung seiner Prüfungsunfähig keit durch die Prüfungsbehörde geeignetes Attest auszustellen, liegt die konkludente Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht hinsichtlich aller dazu erforderlichen In formationen (vgl. Fahrenhorst, Die Kontrolle der Prüfungsunfähigkeit, Medizinrecht 203, 207ff., 213). Die Prüfungsordnung kann vorsehen, dass die Prüfungsunfähigkeit generell durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.04.1990 - 7 B 48.90). Auch wenn die Prüfungsordnung diese Form des Nachweises nicht ausdrücklich fordert, kann die Prüfungsbehörde aus sachlichem Grund ein amtsärztliches Zeugnis verlangen (z. B. BayVGH, Beschluss vom 29.07.2005 - /ZB 05). Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST Freistaat SACHSEN Die Prüfungsbehörde kann aus sachlichem Grund jede der oben angesprochenen Mit wirkungshandlungen verlangen. Kommt der Prüfling seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, wird die Prüfungsbehörde die beantragte Feststellung einer Prüfungsunfähigkeit ableh nen und die Prüfung mit „nicht ausreichend/nicht bestanden" bewerten. Frage 4; Werden Studierenden, die zur Vorlage von besonderen ärztlichen Nach weisen - die über eine übliche Krankschreibung hinausgehen - aufgefordert sind, dafür entstehende und nicht von der Krankenkasse übernommene Kosten erstat tet? Wenn ja, welche Stelle ist dafür zuständig? Die gesetzliche und private Krankenversicherung sind nur verpflichtet, Heilbehandlungs kosten zu übernehmen oder zu ersetzen. Wer im Rechtsverkehr das Vorliegen der Vo raussetzungen für die Vornahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes nachzuwei sen hat, muss die Kosten für das Ausstellen der eventuell erforderlichen ärztlichen At teste grundsätzlich selbst tragen. Frage 5: Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung ergreifen, um das aus dem Grundgesetz - insbesondere aus den Artikeln 1 und 2 - abgeleitete Recht auf in formationeile Selbstbestimmung an den sächsischen Hochschulen zu schützen? Wie bereits oben dargelegt, wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht beeinträchtigt. Dies haben auch die Datenschutzbeauftragten der Länder bereits festge stellt (vgl. letzten Absatz der Antwort auf Frage 3 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr.: 5/8132). Mit freundlichen Grüßen in Vertretu istian FI Seite 4 von 4 2018-02-16T08:44:01+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes