STAATSM1N1STER1UM DER JUSTIZ SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE, Drs.-Nr.: 6/1233 Thema: Kriminalisierung von Anti-Nazi-Symbolik Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In den 1990er Jahren etablierte sich in der Hardcore-Musik-Szene die sogenannte „Good Night, White Pride“-Bewegung, die sich gegen die Versuche von Neonazis richtete, die Hardcore-Szene zu unterwandern und in ihr Fuß zu fassen. Das kreisförmige schwarz-weiß Motiv, in dem ein symbolisierter Tritt - der aus Sicht der Kampagnenmacherinnen eine Anlehnung an den beim Hardcore üblichen Tanzstil ist - gegen eine Person mit Keltenkreuz dargestellt wird, findet zum Beispiel Verwendung auf Buttons und T-Shirts. In der Vergangenheit führte die Symbolik zur Einleitung von Ermittlungsverfahren nach § 130, § 131 oder § 86a Strafgesetzbuch (StGB), obwohl beispielsweise das Landgericht Berlin schon am 26. August 2006 feststellte, dass eine strafbare Darstellung nicht gegeben sei. Bei Demonstrationen führt das Logo immer wieder zur Inkriminierung von Personen, die es verwenden. Am 11. März 2015 wurde in Leipzig ein 16-jähriger, der ein gut sichtbares T-Shirt mit der Aufschrift „Good night white pride“ trug, auf seinem morgendlichen Schulweg von der Polizei fast eine halbe Stunde durchsucht, weil er „gefährlich aussehen würde“. Seite 1 von 4 ® Freistaat SACH SEIN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister® smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E-LR-1003/15 Dresden, u. April 2015 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7, 8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 ^Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de STAATSM1N1STERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEM Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Erfüllt die Verwendung des oben genannten Symbols „Good Night White Pride“ den Straftatbestand der §§ 130, 131 oder 86a StGB und wie werden diese strafrechtlichen Würdigungen begründet? (bitte einzeln nach Straftatbeständen aufführen) Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Von einer Bewertung durch die Staatsregierung wird abgesehen. Zudem ist die Beurteilung der Strafbarkeit bestimmter Handlungen den Staatsanwaltschaften und unabhängigen Gerichten Vorbehalten. Frage 2: Auf Grundlage welcher ggf. zu 1. abweichenden Rechtsvorschriften wird die Verwendung des „Good night white pride“-Logos in Sachsen strafrechtlich verfolgt? Eine Strafverfolgung wegen der Verwendung des „Good Night White Pride"-Symbols findet nach Mitteilung des Generalstaatsanwalts des Freistaates Sachsen durch die sächsischen Staatsanwaltschaften nicht statt. Soweit von der Polizei in einzelnen Fällen im Zusammenhang mit dem genannten Symbol Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, werden diese regelmäßig eingestellt. Frage 3: Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in den Jahren 2012 bis 2014 im Zusammenhang mit der Verwendung des „Good night white pride“-Logos mit welchem Ergebnis eingeleitet? Frage 4: Wie viele Strafverfahren wurden in den Jahren 2012 bis 2014 im Zusammenhang mit der Verwendung des „Good night white pride“-Logos mit welchem Ergebnis eingeleitet? (bitte einzeln auflisten) Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1U1VI DER JUSTIZ ■ Freistaat SACHSEN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Nach den beim Landeskriminalamt Sachsen im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) mit Stand vom 1. April 2015 eingegangenen Erstmeldungen, die vorläufigen Charakter haben, wurden für den abgefragten Zeitraum sieben Ermittlungsverfahren bekannt, die durch die Staatsanwaltschaften als Verfahren im Zusammenhang mit der Verwendung des genannten Symbols zugeordnet werden konnten. Diese Verfahren wurden jeweils durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt. Über diese Feststellung hinaus ist eine weitere Beantwortung der Frage, wie viele eventuelle Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sind, nicht zumutbar. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Bestem Wissen entspricht die Antwort, wenn das Wissen, das bei der Staatsregierung präsent ist, sowie jene Informationen, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand zumindest in ihren Geschäftsbereichen eingeholt werden können, mitgeteilt wird (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 19-1-97). Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen, über die die Staatsregierung verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden (SächsVerfGH, a. a. O.). Zur Vorbereitung der Beantwortung ist eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen. Diese Sachverhaltsermittlung ist jedoch im Hinblick auf die zeitlichen Vorgaben der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages beschränkt. Bei der Sachverhaltsermittlung kann daher nicht in jedem Fall das Ausschöpfen jeder denkbaren Erkenntnisquelle verlangt werden (SächsVerfGH, Urteil vom 16. April 1998, a. a. O.). Zur vollständigen Beantwortung der Frage wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Da die Ermittlungsverfahren im Sinne der Fragestellung durch die sächsischen Staatsanwaltschaften weder statistisch erfasst noch gesondert in deren Datenbanken gekennzeichnet werden, müssten alle in dem angefragten Zeitraum von 2012 bis 2014 wegen der StrafSeite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN tatbestände der §§ 130 ,131 und 86a StGB durch die sächsischen Staatsanwaltschaften eingeleiteten 5.557 Ermittlungsverfahren händisch ausgewertet und auf einen Bezug zu einer Verwendung des "Good Night White Pride"-Symbols in jedem Einzelfall geprüft werden. Das ist innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand nicht zu leisten. Die Staatsregierung kam bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine weitergehende Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege nicht zu leisten ist. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4