STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/12407 Thema: Von Neonazis organisierte Zeitzeugenvorträge in Sachsen im Jahr 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Fragesteller begehrt zum Teil Auskünfte über personenbezogene Daten , insbesondere Namen von Geschehensbeteiligten. Personennamen unterliegen dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 33 SächsVerf). Gleiches gilt für Angaben, wenn durch ihre Nennung Rückschlüsse auf Personen gezogen werden könnten. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Recht Dritter im Sinne des Art. 51 Abs. 2 SächsVerf. Die Staatsregierung hat den Informationsanspruch des Fragestellers mit den Rechten Dritter am Schutz ihrer persönlichen Daten abgewogen. Die Abwägung hat in den Fällen, in denen der Staatsregierung über die in der Beantwortung enthaltenen Angaben hinaus personenbezogene Daten bekannt sind, zu dem Ergebnis geführt, dass dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang zukommt, so dass die Angabe dieser Daten mit Extremismusbezug unterbleiben musste. Gerade die Unterrichtung darüber, dass bestimmte Daten im Sinne des § 2 SächsVSG über eine Person bekannt sind, betrifft einen auch in Bezug auf den öffentlichen wie nichtöffentlichen parlamentarischen Umgang besonders geschützten Datenkreis, nämlich Daten, die Rückschlüsse auf politische Meinungen zulassen. Der Schutzgedanke hat umso nachhaltiger zu wirken, als es hier nicht allein um eine schlichte politische Betätigung geht, sondern die betroffene Person einem extremistischen Kontext und einem bestimmten — in der Auseinandersetzung mit anderen befindlichen — Lager zugeordnet werden soll. Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/3281 Dresden, 8. März 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Der Sächsischen Staatsregierung liegen zu der Kleinen Anfrage auch Erkenntnisse vor, deren Mitteilung überwiegende Belange des Geheimschutzes (Art. 51 Abs. 2 Sächs- Verf) entgegenstehen. Es handelt sich dabei um Informationen, die gemäß Nummer 8 in Verbindung mit den Nummern 3.3 und 3.4 der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen vom 4. Januar 2008 (SächsABI. Sonderdruck Jg. 2008) als Verschlusssache eingestuft wurden. Die Einstufung erfolgte zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen und zum Schutz nachrichtendienstlicher Zugänge. Die Informationen sind durch nachrichtendienstliche Mittel (§ 5 Abs. 1 SächsVSG) erlangt worden. Die Weitergabe dieser Informationen würde die eingesetzten Methoden der Nachrichtenbeschaffung den im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu beteiligenden Personen offenbaren oder Rückschlüsse auf die Art nachrichtendienstlicher Zugänge ermöglichen und somit die Arbeitsfähigkeit des LfV Sachsen gefährden. Im Falle des Einsatzes von Personen nach § 5 Abs. 1 SächsVSG stehen zudem Rechte Dritter im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Diese Personen wären bei einer Mitteilung in ihren Grundrechten auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit der Person gefährdet. Die Staatsregierung trifft eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quellen und sie hat insoweit jegliche Handlungen zu unterlassen , die zu einer Enttarnung der Quelle führen können. Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit eines Nachrichtendienstes, die Identität seiner Quellen zu schützen, für seine Funktionsfähigkeit essentiell. Die Mitteilung von Erkenntnissen im gewählten Verfahren, die Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche Zugänge zulassen, würde sich nachhaltig negativ auf die Fähigkeit des LfV Sachsen auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen. Diese teils dauerhafte Beeinträchtigung von Rechtsgütern war mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem Geheimschutz und dem Schutz der Rechte Dritter Vorrang vor dem Informationsanspruch des Abgeordneten zukommt. Die Sächsische Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsübermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung befriedigen . Mit Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet werden kann, wenn die Informationsübermittlung unterbleibt. Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskunft erteilt wird. Seite 2 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN IRL 4411Mil OMI Freistaat SACHSEN Frage 1: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu von Neonazis organisierten Zeitzeugenvorträgen im Jahr 2017 hinsichtlich Veranstaltungsort, Veranstalter, Anzahl der Teilnehmer, Anzahl und Name der Zeitzeugen, Thema bzw. Inhalt des Vortrages und etwaigen Anschlussveranstaltungen? (Bitte tabellarische Übersicht .) Datum Ort Veranstalter Teilnehmer- Veranstaltung, Thema, zahl Redner/Zeitzeugen 04.02.2017 Dresden Rechtsextremisten Zeitzeugenvortrag, Redner* 25.03.2017 Mittweida Rechtsextremisten ca. 250 Zeitzeugenvortrag „Soldaten berichten", Redner war ein ehemaliges Mitglied der Freiwilligen- Division „Nordland"* 22.04.2017 Mittweida Rechtsextremisten ca. 250 Zeitzeugenvortrag „Soldaten berichten", Redner* 30.04.2017 Jesewitz Rechtsextremisten ca. 120 Zeitzeugenvortrag „Zeugen der Zeit", Redner* 15.07.2017 Mittweida Rechtsextremisten ca. 200 Zeitzeugenvortrag „Soldaten berichten", Redner* 14.10.2017 Mittweida Rechtsextremisten ca. 300 Zeitzeugenvortrag, Redner: Ursula HAVERBECK 04.11.2017 Mittweida Rechtsextremisten 250 Zeitzeugenvortrag „Soldaten berichten", Redner* 02.12.2017 Weißwasser Rechtsextremisten ca. 150 Zeitzeugenvortrag mit Ursula HAVERBECK und anschließendem Liederabend mit angekündigten Auftritten der Liedermacher „Toitonicus " (BB), „Varghona" (TH) und „FIEL" (MV) Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Freistaat SACHSEN 09.12.2017 Chemnitz Rechtsextremisten ca. 160 Zeitzeugenvortrag „Große Soldatenweihnacht", Redner* 16.12.2017 Leipzig Rechtsextremisten * Zeitzeugenvortrag „Ich sah seinen Mördern in die Augen" Redner* * Kann nicht genannt werden oder ist nicht bekannt. Darüber hinaus liegen Informationen vor, die aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen nicht mitgeteilt werden können. Frage 2: Welche der Immobilien befanden sich im Besitz von Neonazis bzw. bei welchen der Immobilien verfügten Neonazis über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit? (Bitte in tabellarische Übersicht einfügen.) Die Objekte, die im Zusammenhang mit den in der Antwort auf die Frage 1 genannten Zeitzeugenvorträgen bekannt sind, wurden jeweils angemietet. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Objekt in Mittweida um eine von Rechtextremisten genutzte Immobilie im Sinne der bundesweit einheitlichen Definition. Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.-Nrn. 6/11784 und 6/11266 verwiesen. Es liegen weitere Informationen vor, die aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Stände von neonazistischen Organisationen, Gruppierungen oder Gewerbetreibenden im Rahmen der Zeitzeugenvorträge ? (Bitte in tabellarische Übersicht einfügen.) Bei einigen „Zeitzeugenvorträgen" war die „GefangenenHilfe" mit einem eigenen Verkaufsstand vertreten. Auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.- Nr. 6/11794 wird verwiesen. Darüber hinaus liegen Informationen vor, die aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen nicht mitgeteilt werden können. Frage 4: Inwiefern sind der Staatsregierung Spendensammlungen für neonazistische Gruppierungen, Vereine oder Organisationen im Rahmen der Zeitzeugenvorträge bekannt geworden? (Bitte in tabellarische Übersicht einfügen.) Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/11794 verwiesen. Seite 4 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Frage 5: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Mitwirkung an der Organisation bzw. Durchführung der Zeitzeugenvorträge durch Personen die mittlerweile verbotenen Gruppierungen angehörten? Der Staatsregierung sind einzelne Personen bekannt, welche mittlerweile verbotenen Gruppierungen angehörten und die sich an der Organisation bzw. Durchführung von Zeitzeugenvorträgen beteiligten. Darüber hinaus liegen Informationen vor, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitgeteilt werden können. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. MAIrendlichep Grüßen ;/.1 (-% Prof.IDr. Roland Wöller Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2018-03-08T10:56:51+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes