STAATSMINISTERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Rico Gebhardt; Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12433 Thema: Verwendung von (Reiz)Stoffen für den Einsatz als sog. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt in Sachsen und deren Gefahrenpotential Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Über welche konkreten Stoffe und Substanzen in welcher chemischen Zusammensetzung, die für den Einsatz als sog. Hilfsmittel körperlicher Gewalt geeignet und vorgesehen sind, verfügen die sächsische Polizei oder andere Behörden und Stellen in Sachsen? (Bitte aufgeschlüsselt für die jeweiligen Bereiche/Strukturen/Einheiten der sächsischen Polizei und ggf. anderen Behörden und Stellen darstellen.) Die Polizei und die Justizwachtmeister für den Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind berechtigt, Reizstoffe als Hilfsmittel körperlicher Gewalt einzusetzen. Als Reizstoffe werden durch die Polizei sowie die Justiz Oleoresin Capsicum (OC) genutzt, darüber hinaus nur durch die Polizei Chlorbenzylidenmalondinitril (CS), Chloracetophenon (CN) und Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA). Die nachfolgend dargestellten Angaben stammen aus den entsprechenden EG-Sicherheitsdatenblättern. Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 34-1053/49/47 Dresden, 9. März 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER11JTV1 DES -INNERN Freistaat SACHSEN Reiz- Anwendungsform Nutzer chemische Zusammensetstoff zung OC Reizstoffsprühge- Justiz, Polizei Pfefferextrakt räte lsopropanol CS Reizstoffwurfkör- Polizei Schwelsatz per 0-Chlorbenzylidenmalondinitril CS Reizstoffpatronen Polizei Schwelsatz 0-Chlorbenzylidenmalondinitril Paraffin CN Zusatz Wasser- Polizei 2-Chloracetophenon weder Ethanol PAVA Pepperball-System Spezialeinsatz- Pelargonsäure-vanillylamid kommando, Polizei Frage 2: Der Eintritt welcher konkreten körperlichen, gesundheitlichen, psychischen u.a. Folgen beim bzw. unmittelbar nach dem Einsatz der Frage genannten Stoffe und Substanzen gegen Personen ist möglich bzw. wird mit dem Einsatz erwartet /verfolgt und der Eintritt welcher körperlichen, gesundheitlichen, psychischen u. a. Gefahren, Schäden, Langzeitfolgen und Risiken für die Betroffenen wie auch für die Stoffe und Substanzen einsetzenden Personen ist dabei möglich? Bei den einsetzbaren Reizstoffen sind Wirkungen auf die Augen, die Atemwege, die Haut und die Psyche möglich. Augen - Lidschluss, Anschwellung Bindehäute - Reizung, Lidzucken, Lidkrampf, Tränenfluss Atemwege - Ringen nach Luft, Husten -/Würgereiz, Gefühl der Atemnot - Reizung, Nasenfluss, Niesen, Gefühl der Atemnot Haut - Rötung, Schwellung - Brennen Psyche - Angst- und Beklemmungsgefühle, Orientierungslosigkeit, Aggressionssteigerung , panische Reaktionen Sonstiges - Speichelfluss, Übelkeit Der Einsatz von Reizstoffen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt soll Personen aus der Distanz gezielt und schnell in einen angriffsunfähigen Zustand versetzen, um einen taktischen Vorteil in der Eigensicherung für einen weiteren Umgang zu erhalten. Die Wirkstoffe OC bzw. PAVA in so genanntem Pfefferspray setzen an den Schmerzund Wärmerezeptoren Eiweißstoffe frei, wodurch es zu einer intensiven Schmerzempfindung und Entzündungsreaktion kommt. Hinsichtlich der Möglichkeit weiterer Folgen dieser Wirkstoffe wird auf die öffentlich zur Verfügung gestellten Publikationen der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages „Pfefferspray" — Zusammensetzung , Wirkung und gesundheitliche Gefahren, aus dem Jahr 2010 (Anlage 1) sowie „Pfefferspray" — Wirkung und gesundheitliche Gefahren, Nr. 83/10 vom 24. November 2010 (Anlage 2) verwiesen. Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Frage 3: Welche Einschätzung und Bewertung der jeweiligen körperlichen, gesundheitlichen , psychischen u. a. Folgen, Gefahren, Schäden, Langzeitfolgen und Risiken beim Einsatz der in Frage 1 genannten Stoffe und Substanzen gegen Menschen sind zu welchem Zeitpunkt auf der Grundlage welcher konkreten Gutachten, Untersuchungen , Expertisen u. a. Beurteilungsgrundlagen durch wen getroffen worden? (Bitte aufgeschlüsselt für die jeweiligen Stoffe und Substanzen sowie unter Nennung der zur Beurteilung herangezogenen Gutachten, Untersuchungen, Expertisen u. a. Beurteilungsgrundlagen darstellen.) Die Staatsregierung hat keine eigenen Einschätzungen und Bewertungen im Sinne der Fragestellung vorgenommen. Reizstoffsprühgeräte mit dem Wirkstoff OC werden generell entsprechend der Technischen Richtlinie „Reizstoff -Sprühgeräte (RSG) mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure -vanillylamid (PAVA)" beschafft. Diese Richtlinie basiert u. a. auf einem Gutachten des Aachener Centrums für Technologietransfer in der Ophthalmologie über mögliche Augenverletzungen durch den Einsatz von Reizstoffsprühgeräten, wonach Pfefferspray ein geeignetes Einsatzmittel ist. Hinsichtlich der Einführung des Reizstoffsprühgerätes bei der Justiz wurde durch die Sicherheitsgruppe des Justizvollzuges eine Marktanalyse vorgenommen. Ferner wurde Rücksprache mit der Landesjustizverwaltung Niedersachsen gehalten, nach deren Erfahrung sich das Reizstoffsprühgerät als Hilfsmittel der Justizwachtmeister bewährt hat. Frage 4: Über welche weiteren Geräte, Vorrichtungen, Armaturen, Behältnisse, Munition u. a. als den in der Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Drucksache 6/1238 aufgeführten sog. Reizstoffsprühgeräten (RSG-2, RSG-3, RSG-6 und RSG-8 des Herstellers Hoernecke) welchen Typs und welcher Hersteller, zum Einsatz von in Frage 1 genannten Stoffe und Substanzen bzw. die zum Einsatz/zur Verwendung /Beimischung u.a. von in Frage 1 genannten Stoffe und Substanzen geeignet und vorgesehen sind, verfügen die sächsische Polizei oder andere Behörden und Stellen in Sachsen? (Bitte aufgeschlüsselt für die jeweiligen Bereiche /Strukturen/Einheiten der sächsischen Polizei und ggf. anderen Behörden und Stellen darstellen.) Ausschließlich die sächsische Polizei verfügt über die Reizstoffsprühgeräte hinaus über folgende Möglichkeiten, Reizstoffe anzuwenden: Einsatzmittel, Hersteller Organisationseinheit PepperBall, United Tactical System Spezialeinsatzkommando MZP 1 Al, Heckler & Koch Einsatzzüge des Präsidiums der Bereitschaftspolizei und der Polizeidirektionen Führungs- und Funktionsfahrzeug „Survivor R", Rheinmetall Spezialeinsatzkommando Wasserwerfer 10, Rosenbauer Bereitschaftspolizei, Technische Einsatzeinheit Freistaat SAC1-I SEN Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Hinsichtlich der Fragestellung zu weiterer Munition wird auf die Antworten der Staatsregierung auf die Kleinen Anfragen Drs.-Nrn.: 5/14032, 6/1345, 6/3882, 6/7710 und 6/12228 verwiesen. Frage 5: Aus welchem Anlass und unter welchen konkreten Voraussetzungen ist der Einsatz der in Frage 1 genannten Stoffe und Substanzen unter Anwendung Nerwendung der in Frage 2 genannten Geräten, Vorrichtungen, Armaturen, Behältnissen, Munition u. a. gegen Personen durch welchen konkreten Personenkreis bei Gewährleistung zulässig und welche Vorkehrungen zum Schutz der diese Stoffe/Substanzen einsetzenden Personen sind getroffen bzw. vorgesehen ? (Bitte unter Nennung der jeweiligen gesetzlichen, untergesetzlichen Grundlage oder Vorschriften und des konkreten Wortlautes der maßgeblichen Bestimmung dieser darstellen.) Es wird für die Beantwortung der Frage davon ausgegangen, dass sich die Fragestellung auf die in Frage 4 erfragten Geräte, Vorrichtungen, Armaturen, Behältnisse, Munition u. a. bezieht. Die Ermächtigung für den Einsatz der in der Antwort auf die Frage 4 aufgezählten Einsatzmittel erfolgt generell durch das Sächsische Polizeigesetz (SächsPolG). Entsprechend § 31 Absatz 2 SächsPolG sind Hilfsmittel der körperlichen Gewalt insbesondere [...] Wasserwerfer, [...] Dienstfahrzeuge, Reizstoffe [...]. Die Voraussetzungen des unmittelbaren Zwanges und damit auch für den Einsatz von Hilfsmitteln körperlicher Gewalt regelt § 32 SächsPolG. Auf eine Abschrift des konkreten Wortlautes wird verzichtet , da das Gesetz keiner Beschränkung unterliegt und durch Jedermann eingesehen werden kann. Das SächsPolG ermächtigt den Polizeivollzugsdienst für die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Die Anwendung der bei Frage 4 erfragten Einsatzmittel erfolgt durch eingewiesene Bedienstete der dort genannten Organisationseinheiten. Folgende Regelungen sind darüber hinaus bei der Anwendung maßgeblich: Bezeichnung Wesentlicher Inhalt Polizeidienstvorschrift 100 Führung und Einsatz der Polizei Polizeidienstvorschrift 122 Einsatz von Wasserwerfern und Wasserarmaturen , Einsatz von Reizstoffen Polizeidienstvorschrift 201 Aus- und Fortbildung für die Verwendung in Einsatzeinheiten Polizeidienstvorschrift 202 Aus- und Fortbildung an Führungs- und Einsatzmitteln der Polizei Leitfaden 371 Eigensicherung Bedienungsanleitungen, Merkblätter, Festlegungen zum bestimmungsgemä- Sicherheitsdatenblätter ßen Gebrauch Technische Richtlinie „Reizstoff- Festlegungen zum bestimmungsgemä- Sprühgeräte (RSG) mit Oleoresin Capsi- ßen Gebrauch cum (00) und Pelargonsäurevanillylamid (PAVA)" Freistaat SACHSEN Seite 4 von 6 STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Festlegungen über die Verwendung von Festlegungen zum bestimmungsgemä- Reizstoffen bei den Polizeidienststellen ßen Gebrauch und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst im Freistaat Sachsen des Sächsischen Staatsministeriums des Innern Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Zulassung des Führungs- und Einsatzmit- Staatsministeriums des Innern über die tels sowie Festlegungen zum bestim- Zulassung und den Einsatz des Systems mungsgemäßen Gebrauch „PepperBall" beim Spezialeinsatzkommando des Freistaates Sachsen Einsatzkonzepte Festlegungen zum bestimmungsgemäßen Gebrauch Durch die o. a. Regelungen sowie die Anwendung ausschließlich durch geschulte Bedienstete wird ebenfalls der Schutz der Anwender sichergestellt. Von einer vollständigen Beantwortung der Frage in Bezug auf den konkreten Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen der o. a. Regelungen wird abgesehen. Einer Beantwortung stehen überwiegende Belange des Geheimschutzes im Sinne des Artikel 51 Absatz 2, 2. Alternative Verfassung des Freistaates Sachsen entgegen. Darüber hinaus ist die Staatsregierung dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich. Sie ist daher lediglich in Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereiches liegen. Die Staatsregierung ist sich der herausgehobenen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts für die in der Verfassung verankerte Funktion des Abgeordneten bewusst. Allerdings ist dieses Fragerecht nicht schrankenlos. Bei ihrer Entscheidung hatte die Staatsregierung eine Abwägung zwischen dem Informationsrecht des Abgeordneten und den Geheimschutzbelangen durchzuführen. Diese verfassungsimmanenten Schranken würden bei einer Beantwortung überschritten, da mit der Frage Informationen begehrt werden, aus denen die polizeitechnische Leistungsfähigkeit hervorgeht und damit auf taktische Vorgehensweisen geschlossen werden kann. Im vorliegenden Falle sind wichtige Geheimschutzbelange betroffen, weil die Bekanntgabe der Gesamtheit der konkreten Wortlaute der maßgeblichen Bestimmungen für polizeiliche Einsätze dem Wohl des Bundes oder Landes Nachteile bereiten würde. Nachteile sind in diesem Zusammenhang dann als relevant anzusehen, wenn wesentliche Interessen, wie die Funktionsfähigkeit des Bundes oder eines Landes, betroffen sind. Dies gilt insbesondere auch für Arbeitsweisen der für die innere Sicherheit tätigen Behörden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Mai 1981 - 21 BA 215/81, BVerfGE 57, 250 [2841). Die vollständige Beantwortung der Frage würde die taktische und technische Einsatzfähigkeit der sächsischen Polizei offenbaren. Mithin würde dem polizeilichen Gegenüber die Möglichkeit eröffnet werden, sich mit polizeilicher Spezialeinsatztechnik zu befassen, diese zu analysieren und als Folge hiervon geeignete Gegenstrategien (z. B. Abwehrmöglichkeiten) zu entwickeln. Die uneinge- Freistaat SACHSEN Seite 5 von 6 STAATSMINISTERIUM DES INNERN schränkte Beantwortung im Wege der Kleinen Anfrage würde dem Wohl mindestens des Freistaates Sachsen Nachteile bereiten. Einzelne Vorschriften unterliegen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen . Es obliegt nicht der Staatsregierung, hierüber Auskunft zu erteilen. Aufgrund der hohen Rechtsgüter, die durch polizeiliche Maßnahmen zu schützen sind, kommt in der Regel auch eine Mitteilung an den Landtag im Wege VS-NfD nicht in Betracht, bzw. muss sie bei der durchzuführenden Abwägung mit der Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter zurücktreten. Der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz des Rechtsguts Leben und körperliche Unversehrtheit kann nur dann hinreichend gewährleistet werden, wenn die Informationsübermittlung gänzlich unterbleibt. Sollten Informationen selbst unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangen, bestünde eine Gefahr für die benannten Rechtsgüter, die gerade vermieden werden soll (vgl. Beschluss des BVerfG vom 17. Juni 2009 -2 BvE 3/07). fV17fr /e-u dlichen Grüßen of. Dr. o Dr. ‚,--Z land Wöller Anlagen: 2 Freistaat SACH SEN Seite 6 von 6 Anlage 1 zu Drs.-Nr. 6/12433 Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag Ausarbeitung „Pfefferspray" - Zusammensetzung, Wirkung und gesundheitliche Gefahren 0 2010 Deutscher Bundestag WD 9 — 3000-175/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 2 WD 9— 3000-175/10 „Pfefferspray" - Zusammensetzung, Wirkung und gesundheitliche Gefahren Aktenzeichen: WD 9 - 3000-175/10 Abschluss der Arbeit: 14. Oktober 2010 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 3 WD 9 — 3000-175/10 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Wirkstoff, Zusammensetzung, Dosierung 4 2.1. Wirkstoff 4 2.2. Zusammensetzung und Dosierung 4 3. Symptome, Wirkungsdauer, Behandlungsformen 5 3.1. Symptomatik und Wirkungsdauer 5 3.2. Behandlungsformen 6 4. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und eventuelle Langzeitfolgen 6 4.1. Gesundheitliche Gefahren durch den Wirkstoff Capsaicin im Allgemeinen 6 4.2. Gefahr bleibender Hornhautschädigungen beim Einsatz von Handabschussgeräten 6 5. Indirekte Gesundheitsgefahren 7 5.1. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Personen unter Einfluss von Drogen und Psychopharmaka 7 5.2. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Asthmatiker, Allergiker und Personen mit labilem Blutdruck 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 4 WD 9 — 3000-175/10 1. Einführung Reizstoffsprühgeräte bzw. sogenannte „Pfeffersprays" sind Hilfsmittel zur Gefahrenabwehr. Durch ihren Einsatz sollen Personen oder Tiere auf Distanz gehalten und gegebenenfalls in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden. Hierzu wird ein gelöster Reizstoff eingesetzt, der über eine Druckgasdose (Sprühdose) in Form eines Sprühstrahls freigesetzt werden kann.1 2. Wirkstoff, Zusammensetzung, Dosierung 2.1. Wirkstoff Der in Pfefferspray herkömmlich verwendete Reizstoff ist Oleoresin Capsicum (0C). Dabei handelt es sich um einen mittels Lösemittelextraktion aus den trockenen, reifen Früchten von Capsicum (Chilli oder Cayenne-Pfeffer [Capsicum frutescens], Paprika [Capsicum annuuml) gewonnenen Scharfstoff — eine viskose Flüssigkeit mit würzigem Geruch und extrem scharfem, brennenden Geschmack. Der Hauptbestandteil des Scharfstoffes ist Capsaicin (Gruppe der Capsaicinoide).2 2.2. Zusammensetzung und Dosierung Pfefferspray ist aus verschiedenen chemischen Stoffen zusammengesetzt. Neben den Wirkstoffen von Oleoresin Capsicum, namentlich Capsaicin (CAS-Nummer: 404-86-43), Dihydrocapsaicin (GAS -Nummer 19408-84-5) sowie Nordihydrocapsaicin (GAS -Nummer: 28789-35-7) werden den Pfefferspraydosen außerdem Lösungs- (etwa Methanol, Hexan) und Treibmittel (z.B. Propan, Butan ) beigefügt. Die Dosierung des Reizstoffes Capsaicin in Pfeffersprayprodukten variiert je nach Hersteller und Anwendungsbereich. In der Regel weisen Pfeffersprays einen Capsaicingehalt zwischen 1,1 % und etwa 13 % auf. Der durchschnittliche Capsaicingehalt liegt bei etwa 10 °/04. 1 Polizeitechnisches Institut (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), Technische Richtlinie zu Reizstoff -Spriffigeräten mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA), Stand: November 2008, Seite 3, im Internet abrufbar unter: http://www.pfa.nrw.de/PTI Internet/ptiintern .dhpol.local/WG/Regelungen/RSG/TR-RSG 11-08. pd f 2 Vgl. hierzu etwa Buetzer, Peter, Capsaicin — Some like it hot! —, Einführung, im Internet abruffiar unter: http://www.buetzer.info/fileadrnin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htin (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), beigefügt als Anlage 2; Chemie.DE Information Service GmbH, Capsaicin, im Internet abrufbar unter: http://www.chemie.de/lexikon/c1/Capsaicin/ (letzter Abruf am 14. Oktober 2010) 3 Die GAS -Nummer ist ein internationaler Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe. Detailierte Informationen zu chemischen Stoffen, die mit einer CAS-Nummer versehen sind, sind in der medizinischen Datenbank der amerikanischen Nationalbibliothek „ChemMplus" (lite) im Internet abrufbar unter: http://chem.sis.nlm.nih.govichemidplus/chemidlite.jsp; speziell für den chemischen Stoff Capsaicin: http://chem.sis.nl n ih.govichemidplus/ProxyServlet?objectHandle=Sea rch&actionHandle=getAll3DMViewFil es&nextPage=jsp%217common%2FChemFull.jsp°/0317ca I led From%3Dlite&chemic1=0000404864&formatTvp e= 3 4 Zur Zusammensetzung von Pfefferspray ausführlich Reilly, Christopher A./Crouch, Dennis J./Yost, Garold S. (2001), Quantitative Analysis of Capsaicinoids in Fresh Peppers, Oleoresin Capsicum and Pepperspray Pro- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 5 WD 9 — 3000-175/10 Im Zusammenhang mit der Verwendung von Pfefferspray durch die deutschen Polizeibehörden sieht die Technische Richtlinie zu Reizstoff -Sprühgeräten mit Oleoresin Capsicum des Polizeitechnischen Institutes der Deutschen Hochschule der Polizei einen Reizstoff -Maximalgehalt in Pfefferspraydosen (Gesamt -Nettofüllung) von 0,3 +/- 0,03 Gew.-% vor.' 3 . Symptome, Wirkungsdauer, Behandlungsformen 3.1. Symptomatik und Wirkungsdauer Der Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen kann folgende Symptome bzw. Wirkungen hervorrufen : Wirkung auf die Haut: Entzündungsreaktion mit intensiver Hautrötung und -schwellung; das Brennen auf der Haut kann bis zu 6 0 Minuten anhalten. Wirkung auf die Augen: Sofortiger Lidschluss aufgrund heftiger Schmerzen; Schwellungen und Rötung der Augenbindehaut, starker Tränenfluss und temporäre Erblindung bis zu 3 0 Minuten; Träger von Kontaktlinsen können erweiterte Reaktionen zeigen, weil sich zwischen der Kontaktlinse und der Hornhaut ein Reizstoffdepot entwickeln kann. Wirkung auf die Atemwege: unkontrollierte Hustenanfälle (Atemwegreizungen), Atemnot und Sprechschwierigkeiten zwischen drei und 1 5 Minuten; Krämpfe im Bereich des Oberkörpers, die den Betroffenen zwingen, sich nach vorne zu Icrümmen.6 ducts, in: J Forensic Sci 2001; 46 (3), S. 502-509, S. 502, im Internet abrufbar unter: http ://www.sabrered .com/PDFs/University-of-UTAH-Stiidy.pdf 5 Polizeitechnisches Institut (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), Technische Richtlinie zu Reizstoff -Sprühgeräten mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA), Stand: November 2008, Seite 11, im Internet abrufbar unter: http://www.pfa.nrw.de/PTI Internet/ptiintern .dhpoLlocal/WG/Regelungen/RSGM-RSG 11-08.pdf 6 Vgl. hierzu Buetzer, Peter, Capsaicin — Some like it hot! —, Einführung, im Internet abrufbar unter: http://www.buetzer.info/fileadmin/ph/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), Europäisches Parlament (1998), Scientific and Technological Options Assessment (STOA), An Appraisal of Technologies of Political Control, S. 35-36, im Internet abrufbar unter: http://cryptome.org/stoa-atpc.htm; Europäisches Parlament (2000), Scientific and Technological Options Assessment (STOA), Crowd Control Technologies — An Appraisal of Technologies of Political Control —, Final Study, S. XXii, im Internet abrufbar unter: http://www.europarLeuropa.eu/stoa/publications/studies/19991401a en.pdf; Jesse, Björn (2009), Das Pfefferspray als alltägliches gefährliches Werkzeug, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2009, S. 364-372, S. 366; Travis, Jeremy/Edwards, Steven M./Granfield, John/Onnen, Jamie (1997), Evaluation of Pepper Spray, in: National Institute of Justice — Research in Brief —, S. 2, im Internet abrufbar unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles/162358.pdf; Wright, Steve (2001), Pfefferspray "gefährdet die Gesundheit" — Vermarktung, Einsatz und gesundheitliche Risiken —, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001), im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/ausgabe/69/pepper.htm Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 6 WD 9 — 3000-175/10 3.2. Behandlungsformen Auf den Sicherheitsdatenblättern von Pfefferspray -Herstellern bzw. Lieferanten des Wirkstoffes Oleoresin Capsicum werden in der Regel folgende Erste -Hilfe -Maßnahmen für den Fall einer Exposition mit Pfefferspray empfohlen: Bei Hautkontakt: Betroffene Hautpartie zehn Minuten oder länger mit fließendem Wasser und Seife waschen und abspülen; benetzte Kleidungsstücke entfernen und bei anhaltenden Symptomen einen Arzt aufsuchen. Bei Augenkontakt: Sofortiges, zehn bis 15-minütiges Ausspülen des Auges und anschließende Untersuchung durch einen Facharzt. Bei Inhalation: Sofortige Zufuhr von frischer Luft; bei Bewusstlosigkeit der betroffenen Person Überprüfung der Atmung und, falls notwendig, Einleitung einer künstlichen Beatmung. Bei Verschlucken: Sofortiges Ausspülen des Mundes und anschließendes Aufsuchen eines Arztes oder Krankenhauses.' 4 . Gesundheitliche Beeinträchtigungen und eventuelle Langzeitfolgen 4.1. Gesundheitliche Gefahren durch den Wirkstoff Capsaicin im Allgemeinen In geringen Dosen steigert Capsaicin die Salzsäure -Sekretion im Magen. Eine kontinuierliche Überdosierung von Capsaicin kann chronische Gastritis sowie Nieren- und Leberschädigungen bewirken. Eine längere Einwirkung kann Nekrosen und Geschwüre auf der Haut verursachen. Bei intravenöser und intraperitonealer Applikation ist Capsaicin hochgiftig.8 4.2. Gefahr bleibender Hornhautschädigungen beim Einsatz von Handabschussgeräten Einer im Jahre 2005 in der Schweiz veröffentlichten Analyse zufolge kann die Exposition mit Pfefferspray bzw. mit dem Wirkstoff Capsaicin jedenfalls dann bleibende Schädigungen der Hornhaut (schwere nemptrophe Oberflächenkeratitis mit diffuser Sensibilitätsminderung und stromale Narben) verursachen, wenn der Abschuss aus kurzer Distanz und mit einer hohen Austriebswucht vorgenommen wird. Dies ist der Fall insbesondere beim Einsatz sogenannter pyrotechnischer Handabschussgeräte. Im Hinblick auf konventionelle Sprühdosen heben die Autoren jedoch ausdrücklich hervor, dass der Sprühnebel bzw. -strahl (wobei auf einen Sprühstrahl nicht ausdrücklich Bezug genommen wird — es wird vielmehr von „Sprühnebel" bzw. von „konventionellen Sprühgeräten" gespro- 7 Vgl. etwa die Sicherheitsdatenblätter von DEF-TEC — Defence Technologie GmbH —, Sicherheitsdatenblatt MK-3 Pfefferspray 50ML (2008), Ziffer 4., im Internet abrufbar unter: http://www.deftec.de/fileadmin/user upload/Bilder/Datenblaetter deutsch/MK-3.pdf; ERAMEX Aromatics GmbH, Sicherheitsdatenblatt für das Produkt Capsicum Oleoresin 6,6 % (2004), Ziffer 4., im Internet abrufbar unter: http://new.eramex.com/fileadmin/templates/sdb/SDB Capsicum Oleoresin 6k6p.pdf 8 Menzel, Michael/Hartmann-Schreier, Jenny (2008), Capsaicin, in: Thieme RÖMPP Online, Online -Enzyklopädie für Chemie, unter Eingabe des Begriffes „Capsaicin" im Internet abrufbar unter: http://www.roempp.com/prod/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 7 WD 9 — 3000-175/10 chen) in der Regel zwar eine Reizung, nicht aber — wie bei der Verwendung von Handabschussgeräten — eine persistierende Schädigung der Hornhaut hervorruft.9 5 . Indirekte Gesundheitsgefahren 5.1. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Personen unter Einfluss von Drogen und Psychopharmaka Indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen insbesondere für solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen haben. So beschrieb das US-amerikanische Justizministerium im Jahre 2003 zahlreiche Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray (insbesondere) gegen (inhaftierte) Personen, die unter unmittelbarem Drogeneinfluss standen." Nach Angaben von Spiegel -Online ereigneten sich im Jahre 2009 in Deutschland mindestens drei Todesfälle nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray. Alle Todesopfer standen während der Exposition mit Pfefferspray unter dem Einfluss von Drogen oder Psychopharmaka." 5.2. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Asthmatiker, Allergiker und Personen mit labilem Blutdruck Eine erhöhte Gefahr indirekter gesundheitlicher Folgen besteht schließlich auch bei Asthmatikern , Allergikern und bei blutdrucklabilen Personen bzw. bei arterieller Hypertonie." Gemäß der bereits genannten Studie des US-Justizministeriums resultierten zwei Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray aus der Kombination von eingesetztem Pfefferspray und — im Nachhinein festgestelltem — Asthma bzw. einer anderen Atemwegserkrankung. Obgleich in einem Fall unklar blieb, wie die Auseinandersetzung im einzelnen vonstatten ging und wie viel Pfefferspray gegen das Opfer eingesetzt wurde, stellte sich bei der Autopsie des Opfers ein Zusammenhang zwischen Asthma und dem Einsatz von Pfefferspray heraus. Bei dem zweiten Todesopfer wurden zwar keine Anzeichen von Asthma gefunden; die Autopsie ergab 9 Kniestedt, Christoph/Fleischhauer, J./Stürmer, Jörg/Thiel, M. A. (2005), Pfeffersprayverletzungen des vorderen Augensegments, in: Klinisches Monatsblatt für Augenheilkunde 2005, 222: S. 267-270, im Internet abruffiar unter : https://www.thieme-connect.com/ejournals/pdf/klimo/doi/10.1055/s-2005-857978.pdf 1 0 Hierzu ausführlich Ashcroft, John/Daniels, Deborah J./Hart, Sarah V. (2003), U.S. Department of Justice — Research für Practice —, The Effectiveness and Safety of Pepper Spray, im Internet abrufbar unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/195739.pd f 1 1 Vgl. Spiegel -Online, Todesfälle nach Pfefferspray -Einsatz — Mögliche Wechselwirkung mit Drogen —, Artikel vom 26. Dezember 2009, im Internet abrufbar unter: http://www.spiegeLde/panoramanustiz/0,1518,668996,00.html 1 2 Vgl. etwa Buetzer, Peter, Capsaicin — Some like it hot! —, Einführung, im Internet abrufbar unter: http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), beigefügt als Anlage 2; Wright, Steve (2001), Pfefferspray "gefährdet die Gesundheit" — Vermarktung, Einsatz und gesundheitliche Risiken—, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001), (Druck -)S. 4, im Internet abruffiar unter: http://www.cilip.de/ausgabe/69/pepper.htm Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung Seite 8 WD 9— 3000-175/10 jedoch, dass das Opfer im Vorfeld der Exposition an einer Atemwegerkrankung litt, die in Kombination mit dem Reizstoff zu einem tödlichen Bronchospasmus geführt haben könnte.13 1 3 Ashcroft, John/Daniels, Deborah J./Hart, Sarah V. (2003), U.S. Department of Justice — Research for Practice The Effectiveness and Safety of Pepper Spray, S. 9-10, im Internet abrufbar unter: http://www.ncirs.gov/pdffileslinijh 9573 9. pdf Anlage 2 zu Drs.-Nr. 6/12433 Wissenschaftliche Dienste gib Deutscher Bundestag Aktueller Begriff „Pfefferspray" — Wirkung und gesundheitliche Gefahren Mit dem polizeilichen Einsatz gegen Demonstranten im Zusammenhang mit dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes („Stuttgart 21") sind sogenannte Pfeffersprays in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den gesundheitlichen Gefahren von Pfeffersprays gewidmet. Der baden-württembergische Landtag möchte sich deshalb auch dieses Themas im Rahmen eines Untersuchungsausschusses annehmen. Anwendungsbereich und Wirkstoff Pfeffersprays sind Reizstoffsprühgeräte, die zur Selbstverteidigung bzw. zur Gefahrenabwehr verwendet werden. Durch ihren Einsatz sollen Personen oder Tiere auf Distanz gehalten und gegebenenfalls in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden. Hierzu wird ein gelöster Reizstoff eingesetzt, der über eine Sprühdose als Sprühnebel bzw. -strahl freigesetzt werden kann. Der in Pfefferspray herkömmlich verwendete Reizstoff ist Oleoresin Capsicum. Dabei handelt es sich um einen mittels Lösemittelextraktion aus den trockenen, reifen Früchten von Capsicum (Chilli oder Cayenne-Pfeffer [Capsicum frutescens], Paprika [Capsicum annuum]) gewonnenen Scharfstoff — eine viskose Flüssigkeit mit würzigem Geruch und extrem scharfem, brennenden Geschmack. Der Hauptbestandteil des Scharfstoffes ist Capsaicin (Gruppe der Capsaicinoide). Symptome und Wirkungsdauer Der Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen kann folgende Symptome hervorrufen: 1. Wirkung auf die Haut: Entzündungsreaktion mit intensiver Hautrötung und -schwellung; das Brennen auf der Haut kann bis zu 6 0 Minuten anhalten. 2. Wirkung auf die Augen: Sofortiger Lidschluss aufgrund heftiger Schmerzen; Schwellungen und Rötung der Augenbindehaut, starker Tränenfluss und temporäre Erblindung bis zu 30 Minuten ; Träger von Kontaktlinsen können erweiterte Reaktionen zeigen, weil sich zwischen der Kontaktlinse und der Hornhaut ein Reizstoffdepot entwickeln kann. 3. Wirkung auf die Atemwege: unkontrollierte Hustenanfälle (Atemwegsreizungen), Atemnot und Sprechschwierigkeiten zwischen drei und 1 5 Minuten; Krämpfe im Bereich des Oberkörpers, die den Betroffenen zwingen, sich nach vorne zu krümmen. Behandlungsformen Auf den Sicherheitsdatenblättem von Pfefferspray -Herstellern bzw. Lieferanten des Wirkstoffes Oleoresin Capsicum bzw. Capsaicin werden in der Regel folgende Erste -Hilfe -Maßnahmen für den Fall einer Exposition mit Pfefferspray empfohlen: Nr. 83/10 (24. November 2010) Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Anlage 2 zu Drs.-Nr. 6/12433 Wissenschaftliche Dienste Aktueller Begriff Seite 2 „Pfefferspray" — Wirkung und gesundheitliche Gefahren 1. Bei Hautkontakt: Betroffene Hautpartie zehn Minuten oder länger mit fließendem Wasser und Seife waschen und abspülen; benetzte Kleidungsstücke entfernen und bei anhaltenden Symptomen einen Arzt aufsuchen. 2. Bei Augenkontakt: Sofortiges, zehn bis 15-minütiges Ausspülen des Auges und anschließende Untersuchung durch einen Facharzt. 3. Bei Inhalation: Sofortige Zufuhr von frischer Luft; bei Bewusstlosigkeit der betroffenen Person Überprüfung der Atmung und, falls notwendig, Einleitung einer künstlichen Beatmung. 4 . Bei Verschlucken: Sofortiges Ausspülen des Mundes und anschließendes Aufsuchen eines Arztes oder Krankenhauses. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und eventuelle Langzeitfolgen In geringen Dosen steigert Capsaicin allgemein die Salzsäure -Sekretion im Magen. Eine kontinuierliche Überdosierung von Capsaicin kann chronische Gastritis sowie Nieren- und Leberschädigungen bewirken. Eine längere Einwirkung hingegen kann Nekrosen und Geschwüre auf der Haut verursachen. Bei intravenöser und intraperitonealer (vom Bauchfell umgebende Organe betreffend) Applikation ist Capsaicin hochgiftig. Beim Einsatz mittels Pfefferspray kann Capsaicin bleibende Schädigungen der Hornhaut jedenfalls dann verursachen, wenn der Abschuss aus kurzer Distanz und mit einer hohen Austreibungswucht vorgenommen wird. Dies ist etwa der Fall bei der Verwendung sogenannter pyrotechnischer Handabschussgeräte. Indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen insbesondere fiir solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen haben. So beschrieb etwa das US-amerikanische Justizministerium im Jahre 2003 zahlreiche Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray (insbesondere) gegen (inhaftierte) Personen, die unter unmittelbarem Drogeneinfluss standen. Nach Angaben von Spiegel -Online ereigneten sich zudem im Jahre 2009 in Deutschland mindestens drei Todesfälle nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray. Alle Todesopfer standen während der Exposition mit Pfefferspray unter dem Einfluss von Drogen oder Psychopharmaka. Eine erhöhte Gefahr indirekter gesundheitlicher Folgen besteht schließlich für Asthmatiker, Allergiker und blutdrucldabile Personen bzw. bei arterieller Hypertonie. Quellen: — Buetzer, Peter, Capsaicin — Some like it hot! —, im Internet abrufbar unter: http://ww-w.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010) — Europäisches Parlament (2000), Scientific and Technological Options Assessment (STOA), Crowd Control Technologies — An Appraisal of Technologies of Political Control —, Final Study, im Internet abrufbar unter: http://i,vww.europarl.europa.eu/stoa/publications/studiesh9991401a en.pdf — Kniestedt, Christoph/Fleischhauer, J./Stürmer, Jörg/Thiel, M. A. (2005), Pfeffersprayverletzungen des vorderen Augensegments, in: Klinisches Monatsblatt für Augenheilkunde 2005, 222; S. 267-270, im Internet abrufbar unter: https://www.thierne-connect.com/ejournals/pdf/klimo/d oih 0.1 055/s-2005-857978.pdf — Menzel, Michael/Hartmann-Schreier, Jenny (2008), Capsaicin, in: Thieme RÖMPP Online, Online -Enzyklopädie für Chemie, unter Eingabe des Begriffes „Capsaicin" im Internet abrufbar unter: http://www.roempp.com/prod/ — Reilly, Christopher A./Crouch, Dennis J./Yost, Garold S. (2001), Quantitative Analysis of Capsaicinoids in Fresh Peppers, Oleoresin Capsicum and Pepperspray Products, in; J Forensic Sci 2001; 46 (3), S. 502-509, im Internet abrufbar unter: http://www.sabrered.com/PDFs/University-of-UTAH-Study.pdf — Spiegel -Online, Todesfälle nach Pfefferspray -Einsatz — Mögliche Wechselwirkung mit Drogen —, Artikel vom 26. Dezember 2009, im Internet abrufbar unter: http:/hvww.spiegel.de/panoramatjustiz/0,1518,668996,00.html Verfasser: MR Dr. Dr. Gerhard Deter/gepr. RK Goce Markovski — Fachbereich WD 9, Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2018-03-09T10:56:34+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes