STAATSIVI1NISTER11JM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Hütter, AfD-Fraktion Drs.-Nr.: 6/12441 Thema: Maßnahmen gegen Linksextremismus in der Hochburg Leipzig Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Die Antworten auf die Kleinen Anfragen Drs. 6/11963 (Aktivitäten und Straftaten der extremen Linken in Sachsen im zweiten Halbjahr 2017), Drs. 6/11966 (Juristische Folgen von Straftaten im Phänomenbereich ,Politisch motivierte Kriminalität — links' im zweiten Halbjahr 2017), Drs. 6/11968 (Strukturen der extremen Linken in Sachsen im zweiten Halbjahr 2017) und Drs. 6/11969 (Treffobjekte der extremen Linken in Sachsen im zweiten Halbjahr 2017) belegen statistisch eine äußerst hohe Konzentration von Linksextremismus in Leipzig und Dresden. Bei 175 Strafverfahren, die im 2. Halbjahr eingestellt wurden, war der Tatort in 142 Fällen Leipzig oder Dresden (= ca. 80%). Die Einstellungen erfolgten zumeist, weil die Täter nicht ermittelbar waren. Bei 13 rechtskräftigen Verurteilungen in diesem Zeitraum entfiel der Tatort 9 Mal auf Leipzig und 2 Mal auf Dresden (= ca. 85%). Von 73 Veranstaltungen bzw. sonstigen Aktivitäten mit einem linksextremen Bezug im 2. Halbjahr fanden 60 in Leipzig und Dresden statt. Diese Zahlen korrespondieren mit den örtlichen Hauptstrukturen der extremen Linken in Leipzig und Dresden. So waren nach Angabe der Staatsregierung bspw. von geschätzten 450 Mitgliedern der sächsischen Autonomen Szene 250 in Leipzig und 70 in Dresden aktiv. Außerhalb der beiden großen Städte waren lediglich jeweils ‚Einzelne' Mitglieder aktiv. Von 28 linksextremen Treffobjekten in Sachsen befinden sich allein 14 in Leipzig und 6 in Dresden. 2 Treffobjekte befinden sich in Chemnitz, wobei hier sogar die Stadt Eigentümer ist. Bei einem der 28 Treffobjekte haben Linksextreme darüber hinaus die Schlüsselgewalt als Nutzer. Die vorliegenden Zahlen und Daten schreiben die besorgniserregende Entwicklung der vergangen Halbjahre fort. Erschwerend kommt hinzu, dass zu den von der Staatsregierung angegebenen Zahlen eine nicht unbeträchtlich hohe Dunkelziffer hinzuzurechnen ist." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 16-0141.50/3286 Dresden, 12. März 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSTVIIN1STEREJM DES INNERN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Fragesteller verwendet in der Überschrift und den Fragestellungen der Kleinen Anfrage den Begriff „extreme Linke". Die Staatsregierung beantwortet die unter diesem Begriff stehenden Fragen mit der Maßgabe, dass sie die Bedeutung „extreme Linke" im Sinne von verfassungsfeindlichen Bestrebungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen zugrunde legt. Zu den in der Fragestellung enthaltenen Bewertungen linksextremistischer Entwicklungen wird keine Stellung genommen. Die Staatsregierung ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen Bewertungen abzugeben. Frage 1: Mit welchen Maßnahmen will die Staatsregierung gegen die zunehmend besorgniserregenden und sich zementierenden linksextremistischen Entwicklungen in Leipzig, insbesondere in Leipzig-Connewitz, vorgehen? (Bitte konkret angedachte Maßnahmen benennen, insbesondere nach Art, Umfang, Dauer, örtlicher Schwerpunkt) Es wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs.- Nr. 6/12440 verwiesen. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen geht davon aus, dass Leipzig der regionale Schwerpunkt der sächsischen autonomen Szene ist und sich dort im Freistaat Sachsen das stärkste gewaltbereite Potenzial konzentriert, das über eine hohe Mobilisierungsfähigkeit und ein hohes Aktionsniveau verfügt. Aufgrund dessen beobachtet das LfV Sachsen die autonome Szene in Leipzig intensiv und mit sehr hoher Priorität. Diese Schwerpunktsetzung wird auch zukünftig weiter beibehalten. Aus diesem Grund hat das LfV Sachsen die o. g. Einschätzung zur Lage des Linksextremismus in Leipzig auch in seiner öffentlichen Berichterstattung mitgeteilt. So wurde im Verfassungsschutzbericht 2016 (S. 224) eingeschätzt: „Leipzig ist nach wie vor die absolute Schwerpunktregion der sächsischen autonomen Szene und auch der Brennpunkt linksextremistischer Gewalt. Mit ca. 250 Personen gehört über die Hälfte der sächsischen Autonomen' (in Sachsen gesamt: ca. 425 Personen ) der Leipziger Szene an. Im bundesweiten Vergleich ist Leipzig — mit quantitativem und qualitativem Abstand — nach Berlin und Hamburg ein weiterer Schwerpunkt der autonomen Szene in Deutschland." Darüber hinaus erfolgten Kontakte des LfV Sachsen mit Vertretern der Stadtverwaltung Leipzig sowie der Austausch von Informationen zum Thema Linksextremismus in Leipzig mit Dienststellen der Polizei Sachsen. Ebenso steht das LfV Sachsen — auf Grund der dargelegten bundesweiten Bedeutung des Linksextremismus in Leipzig — mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie ggf. weiteren betroffenen Landesbehörden für Verfassungsschutz in engem Informationsaustausch. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 5 STAATSMINISTERIUM DES INNERN 4.M Frage 2: Welche Anstrengungen unternimmt die Staatsregierung, um insbesondere den hohen Anteil an Verfahrenseinstellungen wegen der Nichtermittelbarkeit von Tätern zu verringern? Das Vorgehen linksmotivierter Straftäter ist regelmäßig darauf ausgerichtet, planvoll in arbeitsteilig sehr zügig handelnden Kleingruppen und fast ausschließlich in der Nacht vorzugehen und dabei zu vermeiden, jegliche Art von Spuren zu hinterlassen, die für die weitergehende Ermittlung und kriminaltechnische Untersuchung geeignet sind. Da ein Schutz der potenziellen Zielobjekte derartiger Angriffe auch aufgrund der zeitlichen Unbestimmtheit der Angriffe faktisch nicht möglich ist, können nur durch eine umfassende kriminaltechnische Tatortarbeit einschließlich der Nutzung aller im konkreten Einzelfall erforderlichen und erfolgsversprechenden strafprozessualen Ermittlungsmöglichkeiten Ermittlungsansätze gewonnen werden, welche letztlich zur Überführung der zunächst unbekannten Täter führen. Ergänzend wird auf die in der Antwort der Staatsregierung auf die Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/12440 erläuterten polizeilichen Maßnahmen verwiesen. Frage 3: Welche Informations- und Aufklärungsarbeit leistet die Staatsregierung im Bildungs - und Zivilbereich (Schulveranstaltungen, Präsentationen, Workshops, Mitteilungen ), um über die zunehmend besorgniserregenden und sich zementierenden linksextremistischen Entwicklungen in Leipzig aufzuklären? Hierzu wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen in der Antwort der Staatsregierung auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/12440 verwiesen. Speziell zu Leipzig betreibt das LfV Sachsen eine intensive Aufklärungsarbeit zu allen Aspekten, insbesondere zum gewaltförmigen Handeln von Linksextremisten. Ein Augenmerk liegt in den überregionalen Vernetzungsbemühungen linksextremistischer Akteure, dem taktischen Vorgehen von Linksextremisten im öffentlichen Raum, ihren handlungsbezogenen Rechtfertigungsmustern sowie in der Darstellung von linksextremistischen Bemühungen, Bündnispartner im nichtextremistischen Bereich zu gewinnen und zu instrumentalisieren. Darüber hinaus besteht ein regelmäßiger und anlassbezogener Informationsaustausch zwischen dem LfV Sachsen und der Stadt Leipzig als Ordnungs- und Versammlungsbehörde. Am Standort Leipzig gab es im Schuljahr 2017/2018 im Rahmen der Lehrerfortbildung in Zusammenarbeit mit dem LfV Sachsen eine Fortbildung zum Thema „Rechter, linker und religiöser Extremismus in Sachsen". Auf Grundlage des aktuellen Verfassungsschutzberichtes wurden in dieser Veranstaltung das Wissen über Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus/Ausländerextremismus vertieft, didaktischmethodische Anregungen für die Behandlung des Themas im Unterricht gegeben und verschiedene Unterrichtsmaterialien hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit getestet. Im Rahmen einer in Kooperation mit den Fachberatern umzusetzenden schuljahresübergreifenden modularen Fortbildung zur Unterstützung der Demokratieerziehung an den Schulen ist in den Schuljahren 2019/2020 und 2020/2021 am Standort Leipzig je- Freistaat SACHSEN Seite 3 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACILISEN weils die Durchführung einer Veranstaltung zum Themenfeld „Extremistische Bewegungen und die Verfolgung damit zusammenhängender Straftaten" als Lehrerfortbildung geplant. Aus dem aktuellen Publikationsangebot der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung ist hier mit Bezug auf Leipzig folgender Band zu nennen: Gert Pickel/Oliver Decker (Hrsg.) „Extremismus in Sachsen. Eine kritische Bestandsaufnahme", (Dresden /Leipzig 2016). Er enthält unter anderem ein Kapitel über politisch motivierte Gewalt in Sachsen und ein Kapitel über urbane Gewalt von links und rechts in der Stadt Leipzig. Zu erwähnen ist weiterhin ein Band von Alexander Yendell, Gert Pickel und Karolin Dörner (Hrsg.) „Innere Sicherheit in Sachsen. Beiträge zu einer kontroversen Debatte" (Dresden/Leipzig 2017). Er enthält unter anderem ein Kapitel „Zwischen ‚Reichsbürgern' und linken ‚Krawallmachern'. Politisch motivierte Kriminalität in Sachsen ", das auch die linksautonome Szene in Leipzig thematisiert. Der Band von Insa van den Berg „Und dann wollte ich raus. Extreme politische Szenen verlassen. Am Beispiel Sachsens" (Dresden/Leipzig 2017) erläutert überblicksartig den politisch motivierten Extremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen, unter anderem in Leipzig-Connewitz. Frage 4: Inwiefern hat die Staatsregierung die Polizei und Justiz besonders befähigt, um linksextremistischen Entwicklungen in Leipzig wirksam entgegenzutreten bzw. welche zusätzlichen Maßnahmen sind dahingehend in der Zukunft geplant? (Bitte sämtliche zusätzliche Anstrengungen - in Form von Personalverstärkung, Mittelverstärkung , (mehr -)Einsatz spezieller Ermittlungskräfte etc. die bereits getätigt worden sind oder angedacht sind - angeben) Es wird zunächst auf die Antwort auf die Frage 1 verwiesen. Daneben verfügt die Staatsanwaltschaft Leipzig über eine Ermittlungsabteilung, in der die Bearbeitung aller im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Leipzig begangenen mutmaßlich politisch motivierten Straftaten erfolgt. Im Rahmen dieser Sonderzuständigkeit erfolgt eine Bearbeitung der einschlägigen Ermittlungsverfahren in enger Abstimmung mit dem Staatsschutzdezernat der Polizeidirektion Leipzig und mit der Regionalen Außenstelle Leipzig des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus- Abwehrzentrums im Landeskriminalamt Sachsen. Seite 4 von 5 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Frage 5: Welche Angaben kann die Staatsregierung zu dem Dunkelfeld im Bereich Linksextremismus in Sachsen, und insbesondere in Leipzig, machen und welche Anstrengungen im Bereich Dunkelfeldforschung unternimmt die Staatsregierung hier? (Bitte konkrete Erkenntnisse und ggf. erwogene Maßnahmen aufschlüsseln ) Straftaten der PMK zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass der Täter mit seiner Tat eine politische Aussage treffen will. Insofern sind solche Straftaten für den Täter nur interessant, wenn sie der Öffentlichkeit bekannt werden. Die Differenz zwischen den amtlich registrierten Straftaten — dem Hellfeld — und der vermutlich begangenen Kriminalität — dem Dunkelfeld — wird insofern äußerst gering sein, eine Dunkelfeldstudie ist daraus folgend nicht geplant. Im Rahmen der erwähnten intensiven, schwerpunktmäßigen Beobachtung des Linksextremismus in Leipzig durch das LfV Sachsen werden vor allem Strukturen und Personenpotenzial sowie Aktivitäten und etwaige Veränderungen analysiert und mögliche Gefährdungen bewertet. FVlittreh nd licheyi Grüßen 7 f . 1 4 Pof. Dr. Roland Wöller Freistaat SACHSEN Seite 5 von 5 2018-03-12T09:09:38+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes