STAATSM1N1STERIUM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12514 Thema: Offener Brief der Refugee law clinic Leipzig: Aufforderung zur Passbeschaffung und zum Duldungsantrag Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In einem offenen Brief der Refugee Law Clinic Leipzig e.V. (https://rIcl.de/s/2018_02_09_Brief-Auslaenderbehoerde-mntr.pdf) wird die Ausländerbehörde Leipzig zunächst darauf hingewiesen, dass die Praxis, Geflüchtete mit Flüchtlingsanerkennung, subsidiärem Schutz und nationalem Abschiebeverbot zur Passbeschaffung aufzufordern, rechtswidrig sei. Es gelte § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Vor allem bei Menschen mit Flüchtlingsanerkennung und subsidiärem Schutz kann ein Betreten der Botschaft ihres Landes zur Folge haben, dass ihnen der Schutzstatus wieder abgesprochen wird, s. § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. In Drs. 6/ 9643 antwortet die Landesregierung ,In den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, also Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 24, 25 Abs. 1-3 sowie § 26 Abs. 3 ist die Erfüllung der Passpflicht nicht Voraussetzung für Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die unteren Ausländerbehörden verfahren entsprechend.' Weiterhin antwortet die Landesregierung: ,Personen mit bestätigter Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 AsylG erhalten einen Reiseausweis für Flüchtlinge nach § 1 Abs. 3 AufenthV — unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit der Passbeschaffung. Diese Personen verlieren nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sie sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, unterstellen. Insoweit ist ihnen die Passbeschaffung unzumutbar.' 1 I rerr Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24a-1053/42/61 Dresden, 20. März 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7,8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1NISTER1UM DES INNERN • •MERIMMI MI• J1111311 • -•11 1_11ff M r 3 Freistaat SACHSEN Außerdem weist die Refugee Law Clinic darauf hin, dass es eines Antrags auf Duldung nicht bedürfe. Laut BVerfG Beschluss vom 06 März 2003 (2 Bv13 397/02) ist die Duldung schon dann auszustellen, wenn ,die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist.' Abschiebungen werden vordergründig von der Zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz organisiert." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Darstellungen in den vorangestellten Ausführungen sind nicht zutreffend. Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge nach § 3 Asylgesetz (AsylG) werden nicht zur Passbeschaffung aufgefordert. Ebenso wird grundsätzlich von Amts wegen, also nicht in Abhängigkeit eines Antrages über eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) entschieden. Es wird auch auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage Drs.-Nr. 6/12515 verwiesen. Frage 1: Welche Menschen der im § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG genannten Gruppen erhalten von der Ausländerbehörde Leipzig und gegebenenfalls anderen Ausländerbehörden eine Aufforderung zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung? Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wird bei allen in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG genannten Personengruppen keine Passbeschaffung gefordert. Bei der Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer als deutscher Passersatz wird nur von subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 AsylG und den übrigen in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG begünstigten Personen ohne Asylbezug die Mitwirkung bei der Passbeschaffung gefordert . So handhaben es alle Ausländerbehörden im Freistaat Sachsen. Frage 2: Wenn die Erfüllung der Passpflicht einerseits nicht Voraussetzung für Erteilung eines Aufenthaltstitels in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 ist, fordern sächsische Ausländerbehörden warum Menschen dennoch immer wieder zur Passbeschaffung auf? Es wird auf die Antwort auf die Frage 1 verweisen. Frage 3: Falls die Antwort auf Frage 1 auch Menschen mit Flüchtlingsanerkennung oder Asylberechtigung umfasst: Wenn das freiwillige Betreten der Botschaft des Herkunftslandes mit Blick auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG riskiert, dass Menschen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verlieren, warum fordern sächsische Ausländerbehörden Menschen dennoch immer wieder zur Passbeschaffung auf? Entfällt. Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER11.1M DES INNERN Freistaat SACHSEN Frage 4: In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten neben Leipzig werden Geflüchtete ebenso aufgefordert, ihre Duldung zu beantragen? In keinem. Zur Dokumentation der entscheidungsrelevanten Duldungsgründe und zur Rechtssicherheit des Ausländers verwenden die Ausländerbehörden der Stadt Leipzig und der Landkreise Leipzig, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Görlitz ein Formular. Durch die Angaben in einem solchen Antragsformular kommt der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen des § 82 Abs. 1 AufenthG nach und kann damit nachweislich aktenkundig seine Belange und für ihn günstige Umstände geltend machen . Das Formular ist als Hilfsmittel für die Beurteilung der persönlichen Duldungsgründe jedes einzelnen Betroffenen zu werten, um eine für alle Beteiligten rechtssichere Entscheidung treffen zu können. Die Nichtverwendung dieses Formulars führt nicht zu einer Schlechterstellung der Ausländer bzw. zu einer Verweigerung der Duldungserteilung oder etwaigen Rechtsnachteilen. Die Ausländerbehörden werden vom Sächsischen Staatsministerium des Innern aufgefordert, das Formular nicht mehr als Antrag zu bezeichnen. Frage 5: Wie viel Zeit benötigt es, wenn die lokale Ausländerbehörde bei der Zentralen Ausländerbehörde abfragt, ob ein Rückführungstermin organisiert wird oder bereits konkret feststeht? Von einer Beantwortung durch die Staatsregierung wird abgesehen. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungstreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht der Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. Säch- VerfGH, Urteil vom 16. April 1998, Vf. 14-1-97). Die Fallgestaltungen und die Gründe für Anfragen der unteren Ausländerbehörden an die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sind vielfältig und regelmäßig beschränken sich sowohl die Anfragen als auch deren Beantwortung nicht darauf, ob ein Rückführungstermin organisiert wird oder bereits konkret feststeht. Die Antwortzeit ist deshalb immer vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Hierbei spielen der Hintergrund der Anfrage, aber auch verschiedene fallspezifische Faktoren, wie beispielsweise das Vorhandensein von Reisedokumenten, das Vorliegen einer Reisefähigkeit, die Verfügbarkeit von Flugmöglichkeiten oder Abstimmungen mit anderen Behörden eine Rolle. Die Dauer der Beantwortung einer Anfrage der unteren Ausländerbehörden an die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) wird nicht statistisch erfasst. Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Zur vollständigen Beantwortung der Frage müssten alle in der ZAB vorliegenden mehr als 211.000 Akten händisch ausgewertet werden. Für diese Vorgänge müsste jeweils die Akte angefordert, darin nach den abgefragten Daten gesucht und die Akte wieder weggelegt werden. Hierfür ist pro Person ein Gesamtaufwand von durchschnittlich einer Stunde zu veranschlagen. Hieraus ergibt sich ein Arbeitsaufwand von 211.000 Arbeitsstunden , d. h. von 26.375 Arbeitstagen. Im vorliegenden Fall wäre daher durch eine vollständige Beantwortung dieser Frage die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet. Nach Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der ZAB andererseits wurde, auch unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit, von der umfassenden Beantwortung abgesehen. yr i eundlich 1 Grüßen 4 ( I 4 rof. Dr. Roland Wöller /7, 41 rof. Dr. Roland Wöller Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2018-03-21T09:21:33+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes