STAATSM1NISTER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs.-Nr.: 6/12515 Thema: Rechtswidrige Praxis der Ausländerbehörde Leipzig Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „In einem Offenen Brief vom 09.02.2018 weist der Refugee Law Clinic e.V. auf eine rechtswidrige Praxis der Ausländerbehörde Leipzig in Bezug auf die Passbeschaffung von als schutzberechtigt anerkannten Menschen und die Erteilung von Duldungen hin und fordert die Ausländerbehörde auf, diese Praxis zu unterlassen. Darin heißt es u.a.: ,Die Ausländerbehörde Leipzig hat zum wiederholten Male anerkannte Flüchtlinge zu der Beschaffung von Pässen aufgefordert . Diese Aufforderung ist nach der Genfer Flüchtlingskonvention unzulässig. Sie zwingt die Betroffenen, sich dem Staat der Verfolgung auszuliefern, wodurch sie ihren Schutzstatus gefährden. Die Anerkennung eines Flüchtlingsstatus soll Personen vor der Verfolgung durch staatliche Akteure schützen. Ebendiesen Schutz gefährdet die Ausländerbehörde Leipzig, indem sie anerkannte Flüchtlinge auffordert , sich bei den zuständigen Passbehörden des Verfolgerstaates einen Pass zu beschaffen. Damit umgeht sie den Grundgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention bewusst und handelt rechtswidrig. Zudem verlangt die Ausländerbehörde Leipzig von abgelehnten Asylbewerberinnen immer wieder die Beantragung einer Duldung: ,Antrag auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Aufenthaltsgesetz'. Es besteht jedoch keine Verpflichtung einen solchen Antrag zu stellen. Liegen rechtliche oder tatsächliche Abschiebehindernisse vor, die eine Duldung begründen, ist — auch nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts — vielmehr unabhängig von einem Antrag, eine Duldung zu erteilen." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 24a-1053/42/62 Dresden, 20. März 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3,6, 78, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Kenntnis hat die Staatsregierung von der oben geschilderten Praxis? Entgegen der Darstellung in den vorangestellten Ausführungen werden durch die Ausländerbehörde Leipzig nur subsidiär Schutzberechtigte nach § 4 Asylgesetz (AsylG) und auch nur vor Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer zur Mitwirkung an der Passbeschaffung aufgefordert. Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge nach § 3 AsylG werden seitens der Ausländerbehörde Leipzig keine Aufforderungen zur Passbeschaffung ausgesprochen. Im Gegensatz zu Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nach § 3 AsylG, haben subsidiäre Schutzberechtigte nach § 4 AsylG keinen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Mit der ihnen als Ausweisersatz im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Satz 2 und 48 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausgestellten Aufenthaltserlaubnis genügen sie im Inland der Passpflicht , aber nicht beim Grenzübertritt. Beantragt ein subsidiär Schutzberechtigter die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, ist nach § 5 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) hierfür zwingende Voraussetzung, dass eine Passbeschaffung unzumutbar ist. Dies ist bei subsidiär Schutzberechtigte aber nicht per se gegeben, sondern es ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind. Eine Unzumutbarkeit, sich um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Eine Vorsprache in der entsprechenden Heimatbotschaft zur Passbeschaffung führt bei subsidiär Schutzberechtigten auch nicht nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zum automatischen Verlust des Schutzstatus. Gleiches gilt für Personen mit festgestelltem Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG. Frage 2: Inwiefern handelt die Ausländerbehörde Leipzig in Absprache mit der Staatsregierung , wenn sie als Flüchtling anerkannte Personen und subsidiär Schutzberechtigte zur Passbeschaffung auffordert, obwohl nach § 5 Absatz 3 Satz 1 Aufenthaltsgesetz für diesen Personenkreis von der Erfüllung der Passpflicht abzusehen ist? Unter Verweis auf die Antwort auf die Frage 1 wird darauf hingewiesen, dass die Ausländerbehörde Leipzig weder Asylberechtigte noch anerkannte Flüchtlinge nach § 3 AsylG zur Passbeschaffung auffordert. In Bezug auf die Aufforderung bei subsidiär Schutzberechtige nach § 4 AsylG vor Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer entspricht die Verfahrensweise der Ausländerbehörde Leipzig den Vorgaben des Bundesministerium des Innern im Schreiben vom 25. Oktober 2016, wonach dem subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 AsylG eine Vorsprache bei den nationalen Behörden des Herkunftsstaates zwecks Erlangung eines Passes nicht automatisch unzumutbar ist. Seite 2 von 3 STAATSM1N1STER11JM DES INNERN MI. AMOR = I ! Freistaat SACHSEN Frage 3: Inwiefern handelt die Ausländerbehörde Leipzig in Absprache mit der Staatsregierung , wenn sie abgelehnten Asylbewerber*innen bei Vorliegen eines Abschiebungshindernisses Duldungen nicht unabhängig von einem Antrag unverzüglich erteilt, obwohl sie hierzu nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (siehe BVerfG, Beschl. v. 06.03. 2003 - 2 Bv13 397/02 - An. 37, BVerwG, Urt. v. 25.09.1997 — 1 C 3/97 — Rn. 20.) verpflichtet ist? Entgegen der Darstellung in der Fragestellung entscheidet die Ausländerbehörde Leipzig grundsätzlich von Amts wegen, also nicht in Abhängigkeit eines Antrages über eine Duldung nach § 60a AufenthG. Das von der Ausländerbehörde Leipzig verwendete Formular dient der Dokumentation der entscheidungsrelevanten Duldungsgründe und der Rechtssicherheit des Ausländers. Durch die Angaben in einem solchen Formular kommt der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen des § 82 Abs. 1 AufenthG nach und kann damit nachweislich aktenkundig seine Belange und für ihn günstige Umstände geltend machen. Das Formular ist als Hilfsmittel für die Beurteilung der persönlichen Duldungsgründe jedes einzelnen Betroffenen zu werten, um eine für alle Beteiligten rechtssichere Entscheidung treffen zu können. Die Nichtverwendung dieses Formulars führt nicht zu einer Schlechterstellung der Ausländer bzw. zu einer Verweigerung der Duldungserteilung oder etwaigen Rechtsnachteilen. Frage 4: Welche Maßnahmen kann die Staatsregierung ergreifen, um die rechtswidrige Praxis einer unteren Ausländerbehörde zu beenden? Grundsätzlich stehen der Staatsregierung die Instrumente der Fachaufsicht zur Verfügung . Dies sind vor allem Informations- und Weisungsrechte. Die Fachaufsicht über die unteren Ausländerbehörden führt die Landesdirektion Sachsen. Das Sächsische Staatsministerium des Innern ist als Oberste Ausländerbehörde für die Fachaufsicht über die Landesdirektion zuständig. Frage 5: Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung im konkret geschilderten Fall? Keine, denn die Vorgehensweise der Ausländerbehörde Leipzig in Bezug auf den Fragegegenstand dieser Kleine Anfrage ist rechtskonform. Die Staatsregierung wird der Ausländerbehörde Leipzig allerdings empfehlen, das als „Antrag" bezeichnete Formular bei der Dokumentation von Duldungsgründen anders zu bezeichnen, um nicht den Anschein eines Antragserfordernisses zu erwecken. e i fr5undlichei n Grüßen df. Dr. Roland Wöller Seite 3 von 3 2018-03-21T09:20:40+0100 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes