STAATSMINISTERIUIV! DER JUSTIZ ..... Freistaat |P SACHSEN Der Staatsminister SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Durchwahl Telefon +49 (0)351 564-1500 Telefax +49 (0)351 564-1509 staatsminister® smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E-LR-1026/15 Dresden, April 2015 Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel, Fraktion DIE LINKE, Drs.-Nr.: 6/1279 Thema: Strafverfolgung wegen unerlaubter Einreise/ unerlaubten Aufenthalts Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Spiegel online berichtet am 3. März 2015 von einem hohen Niveau illegaler Einreisen. Im Jahr 2014 sei vor allem die Zahl der von der Bundespolizei im grenznahen Raum festgestellten Verstöße wegen unerlaubte Einreise / Aufenthalt deutlich zugenommen. Nicht nur vor dem Hintergrund der steigenden Zahlen stellt sich die Frage ob eine Strafverfolgung von im Grenzgebiet aufgegriffenen Ausländern in jedem Fall legitim ist. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Weiter führt Satz 3 aus:” Im Falle der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) erwirbt der Ausländer die Aufenthaltsgestattung mit der Stellung eines Asylantrags." Auch Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention regelt, dass die vertragschließenden Staaten wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Justiz Hospitalstraße 7 01097 Dresden Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8,11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 Seite 1 von 4 •Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte elektronische Dokumente nur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach; nähere Informationen unter www.egvp.de STAÄTSM1 NI STER1U1VI DER JUSTIZ »Freistaat SACHSEN keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen werden, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2003 (2 BvR 397/02) scheidet die Strafbarkeit eines Ausländers nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 b) AufenthG aus, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Tatzeitraum gegeben waren.“ Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts wurden in den Jahren 2012,2013 und 2014 eingeleitet? Wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 1a, Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) sind in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften mit Stand 8. April 2015 folgende Einleitungen von Ermittlungsverfahren gegen bekannte Beschuldigte erfasst: Zeitraum Anzahl Beschuldigte 01.01.2012-31.12.2012 4.242 01.01.2013-31.12.2013 6.435 01.01.2014-31.12.2014 8.073 Gesamt 18.750 Frage 2: In wie vielen Fällen wurden die unter 1. nachgefragten Ermittlungsverfahren aus welchen Gründen eingestellt? Die Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 14.747 der zu Frage 1 angeführten Beschuldigten wurden eingestellt. Zu diesen Einstellungen kann aufgrund einer Auswertung der Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften Folgendes mitgeteilt werden: Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Staatsanwaltschaftliche Erledigung Anzahl Beschuldigte Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (Verfahrenshindernis oder kein hinreichender Tatverdacht) 3.091 Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO (unwesentliche Nebenstraftaten) 596 Einstellung nach § 154b Abs. 1 StPO (Auslieferung, Ausweisung, Zurückschiebung) 2.416 Einstellung nach § 154d StPO (Klärung einer zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Vorfrage) 3 Einstellung nach § 154f StPO (Abwesenheit des Beschuldigten; z.B. unbekannter Aufenthalt) 317 Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO (Erfüllung von Auflagen und Weisungen) 243 Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO (Geringfügigkeit) 7.258 Einstellung nach § 45 Abs. 1 JGG (Geringfügigkeit im Jugendstrafverfahren) 770 Einstellung nach § 45 Abs. 2 JGG (erzieherische Maßnahmen) 53 Einstellungen 14.747 Frage 3: Wie viele Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts wurden in den Jahren 2012, 2013 und 2014 eingeleitet? Insgesamt wurden die Ermittlungen gegen 1.430 der unter Frage 1 angeführten Beschuldigten von den sächsischen Staatsanwaltschaften durch Anklageerhebung oder durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgeschlossen. Im Einzelnen: Staatsanwaltschaftliche Erledigung Anzahl Beschuldigte Anklage vor dem Schöffengericht 1 Anklage vor dem Jugendschöffengericht 1 Anklage vor dem Strafrichter 105 Beschleunigtes Verfahren vor dem Strafrichter 3 Strafbefehlsantrag ohne Freiheitsstrafe 1.320 Gesamtergebnis 1.430 Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1U1VI DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN Frage 4: In wie vielen der unter 3. erfragten Fällen wurde von der Strafverfolgung bzw. der Verurteilung des Ausländers nach § 95 Abs. 2 Nr. 1 b AufenthG abgesehen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Tatzeitraum gegeben waren? Von den zu Frage 3 genannten Strafverfahren endete - soweit in den Datenbanken der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens erfasst und damit recherchierbar war - nur ein Verfahren mit einem Freispruch. Dieses betraf jedoch nicht den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 1b) AufenthG. Da allerdings im Einzelfall auch bei einer in der Datenbank erfassten Verurteilung oder Einstellung die in der Vorbemerkung genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2003 eine Rolle gespielt haben kann, weil zum Beispiel ein Teilfreispruch oder eine Teileinstellung ergangen sein könnte, wäre zur vollständigen Beantwortung der Frage eine händische Auswertung aller 1.430 gerichtsanhängig gewordenen Verfahren erforderlich und auf einen Bezug zu der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen. Dieser Aufwand ist jedoch unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege nicht zu leisten. Daher wird nach Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Behörder andererseits von einerweiteren Sachverhaltsermittlung abgesehen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4