SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER FINANZEN Postfach 100 948 1 01076 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden STAATSM1N1STER1UM DER FlNANZEN Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Bartl und Rico Gebhardt, Fraktion DIE LINKE Drs.-Nr.: 6/12887 Thema: Umgang des Freistaates Sachsen mit Grundstücken von Erben von Bodenreformland in Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Gleichwohl die Erben von im Grundbuch eingetragenen Bodenreformeigentümer auf der Grundlage des ,Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 16. März 1990, dem sog. Modrow-Gesetz, nach diesem für das Gebiet der ehemaligen DDR uneingeschränkt geltenden Recht vollwertige Eigentümer dieser Bodenreformgrundstücke geworden waren, wurden mit Inkrafttreten des 2. Vermögenrechtsänderungsgesetzes im Artikel 233 §§ 11-16 EGBGB und der darin entgegen der eindeutigen Bestimmungen des sog. Modrow-Gesetzes ,Nachzeichnungsregelungen' normiert, die eine entschädigungslose Enteignung der Erben von Bodenreformland bewirkten ." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 46-W2000/20/27 /176- 2018/16283 Dresden, J5. April 2018 Zertifikat seit 2013 audit berufundfamilie Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium der Finanzen Carolaplatz 1 01097 Dresden Telefon +49 351 564 4000 Telefax +49 351 564 4009 minister@smf.sachsen.de* www.smf.sachsen.de Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 7, 8 Haltestelle Carolaplatz Für Besucher mit Behinderungen befinden sich Parkplätze im Innenhof. Bitte beim Pförtnerdienst melden. "Kein Zugang für verschlüsselte elektronische Dokumente. Zugang für qualifiziert elektronisch signierte Dokumente nur unter den auf www.smf.sachsen.de/eSignatur.html vermerkten Voraussetzunoen. STAATSM1N1STER1UM DER FINANZEN Frage 1: In wie vielen Fällen, aus welchen konkreten Gründen und auf der Grundlage welcher konkreten gesetzlichen Regelungen sind mit dem Stand vom 1. März 2018 auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen Grundstücke von Begünstigten aus der Bodenreform nicht auf ihre Erben übertragen worden? (Bitte aufgeschlüsselt nach den jeweils maßgeblichen Gründen und der gesetzlichen Grundlage darstellen.) Die durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 in Art. 233 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eingefügten §§ 11 - 16 regeln die Zuteilung von Bodenreformgrundstücken. Dabei ging der bundesdeutsche Gesetzgeber davon aus, dass in der DDR die Vorschriften des Erbrechts für Bodenreformgrundstücke durch die Besitzwechselvorschriften überlagert waren, Bodenreformgrundstücke daher im Erbfall nicht in den Nachlass fielen. Danach hatte ein Erbe von Bodenreformeigentümern das Grundstück unentgeltlich an das zuständige Bundesland aufzulassen, sofern der Erbe nicht selbst „zuteilungsfähig" ist. Ist er nicht zuteilungsfähig , so erhält der Staat als ursprünglicher Eigentümer der Grundstücke aus der Bodenreform sein Eigentum zurück. „Zuteilungsfähig" ist, wer am 15. März 1990 im Beitrittsgebiet in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft tätig war oder dies zuvor mindestens zehn Jahre lang gewesen war und im Anschluss daran keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Vor diesem Hintergrund wurden von den auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen ermittelten 85.516 Bodenreformfällen dem Freistaat Sachsen in 5.276 Fällen auf der Grundlage von Art. 233 §§ 11 - 16 EGBGB das Eigentum übertragen. Frage 2: Auf welchen Gesamtbetrag beziffert sich die Gesamtfläche der in Frage 1 benannten Grundstücke im Eigentum des Freistaates Sachsen, die nicht auf die Erben der Begünstigten aus der Bodenreform übertragen worden sind? Frage 3: In wie vielen Fällen hat der Freistaat Sachsen mit Stand vom 1. März 2018 Grundstücke von Begünstigten aus der Bodenreform, die nicht auf deren Erben übertragen worden sind, aus welchen konkreten Gründen Seite 2 von 4 Freistaat SACHSEN STAATSM1N1STER1UM DER F1NANZEN S SACHsEN und auf welcher gesetzlichen Grundlage auf sich selbst übertragen bzw. zugunsten des Freistaates Sachsen aufgelassen? Frage 4: Auf welchen Betrag beziffert sich der Gesamtwert der in Frage 1 benannten Grundstücke im Eigentum des Freistaates Sachsen, die nicht auf die Erben der Begünstigten aus der Bodenreform übertragen worden sind? zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 - 4: Der Wert des gegenwärtig noch vorhandenen Bestands an ehemaligen Bodenreformflächen im Eigentum des Freistaates Sachsen (5.370 ha) kann auf der Basis einer Clusterbewertung auf 28.187.200 EUR geschätzt werden (vgl. Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage Drs. 6/12886). Veräußert hat der Freistaat Sachsen Bodenreformflächen im Umfang von 941 ha. Da in der Veräußerungsstatistik des Staatsbetriebs Zentrales Flächenmanagement (ZFM) (vormals Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Unternehmensbereich Finanzvermögen und Portfoliosteuerung) die „Herkunft" des Veräußerungsgegenstandes nicht erfasst wird, gibt es im Zusammenhang mit Bodenreformgrundstücken keine Auswertungsmöglichkeit hinsichtlich der Veräußerungserlöse. Von einer Beantwortung wird abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen Abgeordneten, sodass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht des Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt wird. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Seite 3 von 4 STAATSMlNlSTERlUM DER FlNANZEN Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. Sächs- VerfGH, Urteil vom 16. April 1998,Vf. 14-1-97). Im vorliegenden Fall wäre durch die vollständige Beantwortung in Bezug auf eine Aussage zu den Verkaufserlösen die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährdet. Die Analysebögen, in denen die Verkäufe erfasst werden, differenzieren nicht nach dem Kriterium Bodenreform. Zur Ermittlung müsste in den vorhandenen Akten manuell recherchiert werden. Bei der o. g. Angabe der Fläche von verkauften Bodenreformstücken kann von ca. 950 Verkaufsakten ausgegangen werden. Bei einem geschätzten Aufwand von 30 Minuten Recherche pro Akte wäre ein Bediensteter in Vollzeit über 11 Wochen nur mit dieser Aufgabe beschäftigt. Des Weiteren wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen. Frage 5: In wie vielen Fällen waren mit Stand vom 1. März 2018 gerichtliche Verfahren gegen den Freistaat Sachsen (Beklagter) oder des Freistaates Sachsen (Kläger) im Zusammenhang mit den in Fragen 1 und 3 genannten Fällen der Übertragung von Grundstücken von Begünstigten aus der Boden insgesamt rechtshängig und wie viele von diesen sind bis dato immer noch bei welchen Gerichten rechtshängig? Es wird auf die Kleine Anfrage Drs. 4/14566 verwiesen. Demnach waren 966 Verfahren anhängig. Mit Stand 1. März 2018 sind keine gerichtlichen Klagen gegen den Freistaat Sachsen (Beklagter) oder des Freistaates Sachsen (Kläger) in der angeführten Angelegenheit rechtshängig. Mit freundlichen Grüßen }~-~ 'JfJ Dr. Matthias Haß Seite 4 von 4 Freistaat SACHSEN 2018-04-26T11:14:25+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes