SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS Postfach 10 09 10 1 01079 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01 067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Wilke (AfD) Drs.-Nr.: 6/13185 Thema: Dienstaufsichtsbeschwerde in Freiberg Sehr geehrter Herr Präsident, STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Herr Prof. Dr. Heiko Hessenkemper, MdB legte mit Schreiben vom 11.12.2017 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Lehrkräfte des o.e. beim Leiter der Regionalstelle Chemnitz ein und den Schulleiter, Im Vorfeld der Beschwerde bot Herr Prof. Dr. Hessenkernper dem - eine finanziell unterstützte Reise nach Berlin an, um mit den Schülern den Deutschen Bundestag zu besuchen. Das Angebot wurde abgelehnt . Herr Prof. Dr. Hessenkernper sprach daraufhin einen Lehrer der Schule auf die Gründe der Absage an. Der Lehrer teilte mit, die Fachleiterin habe gesagt, die AfD vertrete ein Frauenbild, das nicht dem ihren entspräche. Zudem habe die AfD eine merkwürdige Einstellung zu den Themen Klima, Gender, Inklusion, Migration, Toleranz und Abtreibung. Schule und AfD würden nicht zusammenpassen. Der Schulleiter, soll gesagt haben, die AfD habe keine klaren Konturen in Bezug auf Demokratie. Beide Personen sollen zudem kritisiert haben, Herr Prof. Dr. Hessenkernper sei, wie die AfD insgesamt , politisch unerfahren. Daher würden Klassenfahrten künftig nur noch zu erfahrenen Regierungsparteien unternommen werden." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wurde mittlerweile die Beschwerde beschieden, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wie haben sich die Beschwerd~gegner eingelassen , wurde der Beschwerdeführer über den Stand der Beschwerde informiert ? Frage 2: Inwiefern stimmt die Staatsregierung der Auffassung zu, dass sich die Beschwerdegegner, so sie die Äußerungen wie angegeben getätigt haben, nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokrati- Seite 1 von 3 Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Geschäftszeichen (bitte bei Antwort angeben) Z-1053/13/29 Dresden ,/{~ . Mai 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Kultus Carolaplatz 1 01 097 Dresden www.smk.sachsen.de De-Maii-Zugang: poststelle@smk-sachsen.de-mail.de Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 7. 8 STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS sehen Grundordnung bewegen, wenn sie persönliche Wertungen zur Grundlage ihrer dienstlichen Entscheidungen machen? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Dem Beschwerdeführer hat das Landesamt für Schule und Bildung, Standort Chemnitz, nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts mit Schreiben vom 12. April 2018 geantwortet . Im Ergebnis der Prüfung wurde festgestellt, dass die vorgetragenen Beschwerdepunkte sowohl einzeln betrachtet als auch in ihrer Gesamtschau keinen Anlass für dienstrechtliche Maßnahmen bieten; ein Fehlverhalten der beiden Beschäftigten konnte nicht festgestellt werden. Die Prüfung der Dienstaufsichtsbeschwerde hat ferner ergeben, dass eine Entscheidung bezüglich einer Klassenfahrt zum Bundestag nach Berlin im Dezember 2017 an der Schule nicht getroffen wurde, da ein Antrag auf Durchführung einer solchen Klassenfahrt gar nicht gestellt worden ist. Frage 3: Inwiefern stimmt die Staatsregierung der Auffassung zu, dass das mutmaßliche Verhalten der Beschwerdegegner den Geboten des Beutelsbacher Konsenses widerspricht; und ist dieses mutmaßliche Verhalten Grundlage politischer Bildung in Sachsens Schulen? Dem Beutelsbacher Konsens zufolge soll ja das Gebot der Kontroversität den Schülern ermöglichen, einen eigenen politischen Standpunkt zu entwickeln, sowie die Sc hülerorientierung dazu beitragen, dass Schüler u.a. die politische Situation erfassen und sich am politischen Geschehen beteiligen können. ln jedem Fall darf die eigene politische Meinung der Lehrer kein Teil des Unterrichts sein. Entsprechend den Grundsätzen der politischen Bildung an Schulen nach dem sog. Beutelsbacher Konsens, die auch in Sachsen Anwendung finden, dürfen Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler durch das Vorbringen ihrer persönlichen Meinung oder einer bestimmten anderen Meinung nicht daran hindern, sich selbst ein Urteil zu bilden. Vielmehr ist der Unterricht so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, eine eigene Meinung unter kritischer Abwägung unterschiedlicher Standpunkte zu entwickeln (Überwältigungsverbot) . Dabei besteht insbesondere kein Verbot, eigene politische Meinungen selbst im Unterricht vorzutragen; diese müssen jedoch als solche genau gekennzeichnet werden. Die hier in Rede stehenden Äußerungen der beiden Beschäftigten fielen weder im Unterricht , noch waren sie als dienstliche Äußerungen zu werten, sie erfolgten vielmehr im Rahmen eines kollegialen Gesprächs auf informeller Ebene, stellten also persönliche Meinungen der Gesprächsteilnehmer dar. Frage 4: Ist es im Sinne des Beutelsbacher Konsenses, wenn Lehrer allein über den Besuch einer im Deutschen Bundestag vertretenen Partei bestimmen, oder sollte es die Entscheidung der Schüler sein? Zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule gehört es, den Schülern politisches Verantwortungsbewusstsein, Achtung vor der Überzeugung des anderen und eine freiheitliche demokratische Haltung zu vermitteln. Dazu kann beitragen, wenn bei geeigneten Anlässen Abgeordnete oder andere Persönlichkeiten des politischen Lebens in den Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS Unterricht mit einbezogen werden . Der Schulleiter hat darauf zu achten, dass die jeweiligen demokratischen Parteien, Institutionen und Organisationen entsprechend der Pluralität unseres Gemeinwesens ausgewogen vertreten sind. Laut "Erlass zur Durchführung von Veranstaltungen mit Politikern an öffentlichen Schulen " (Az.: 33-6499.1 0/142/2) vom 24. Februar 2016 sind "Schülerbesuche einer Volksvertretung , insbesondere der Besuch des Sächsischen Landtags oder des Deutschen Bundestags, einschließlich der damit einhergehenden Gespräche mit deren Mitgliedern , ( ... ) als schulische Veranstaltung jederzeit möglich und zu fördern . ( ... ) Die Veranstaltungen sind nach anerkannten Grundsätzen der politischen Bildung (Beutelsbacher Konsens) vor- und nachzubereiten." Laut § 40 Absatz 2 des Sächsischen Schulgesetzes trägt der Lehrer "die unmittelbare pädagogische Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Schüler im Rahmen der im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung , in der Verfassung des Freistaates Sachsen in der jeweils geltenden Fassung und der in diesem Gesetz niedergelegten Erziehungs- und Bildungsziele, Bildungsstandards , Lehrpläne sowie der übrigen für ihn geltenden Vorschriften und Anordnungen." Schülerinnen und Schüler haben ein Anhörungs- und Vorschlagsrecht. Im Rahmen der Schülermitwirkung gemäß §51 des Sächsischen Schulgesetzes können sie Wünsche und Anregungen an Lehrer oder an die Schulleitung richten. Frage 5: Mit welchen Maßnahmen reagiert die Staatsregierung auf erkennbar antidemokratische Tendenzen und Einstellungen von Lehrern? Soweit mit den angefragten Maßnahmen auf arbeitsrechtliche Reaktionen auf "erkennbare antidemokratische Tendenzen und Einstellungen von Lehrern" abgehoben wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung dieser Frage von den Umständen des Einzelfalles, der Schwere einer möglichen arbeitnehmerseitigen Pflichtverletzung, der bisherigen Vertragstreue des Beschäftigten, der Gefahr weiterer Pflichtverletzungen sowie einer umfassenden lnteressenabwägung abhängig ist. Unter Zugrundelegung der ständigen Spruchpraxis der Arbeitsgerichte ist schematischen Lösungen eine Absage zu erteilen. Bei einem erstmaligen Fehlverhalten wird dabei i. d. R. ein nachdrücklicher Hinweis auf die Einhaltung der Pflicht zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (vgl. § 3 Abs. 1 TV-L) , die engen Grenzen politischer Betätigung innerhalb des Dienstes und die Notwendigkeit einer ausgewogenen Behandlung politischer Sachverhalte im Unterricht ausreichen. Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN 2018-05-15T12:41:18+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes