STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/13194 Thema: Schüsse auf Geflüchteten in Torgau am 07. Juli 2017 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am 7. Juli 2017 wurde ein damals 21 -jähriger Geflüchteter aus Syrien auf dem Marktplatz in Torgau durch Schüsse verletzt. Das Opfer überlebte die Attacke nur dank einer Notoperation. Seit März 2018 wird die Straftat nun am Landgericht Leipzig verhandelt. Der 44 -jährige Kenneth E. muss sich wegen versuchten Mordes verantworten. Beim Täter wurden u.a. Nazi -Devotionalien gefunden. Der Vorsitzende Richter am Landgericht machte vor diesem Hintergrund bereits deutlich , dass ein rassistisches Tatmotiv geprüft werden würde. In den quartalsweisen Anfragen zu Straftaten gegen Geflüchtete (vgl. Drs 6/10906 und Drs 6/11639 ) wird die Tat vom 7. Juli 2017 nicht erfasst ." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie stellt sich aus Sicht der Staatsregierung der Ablauf des in Rede stehenden Abends des 7. Juli 2017 konkret dar, was ging den Schüssen voraus, welche Verletzungen erlitt der betroffene Geflüchtete konkret ? Laut Anklageschrift sei es am 7. Juli 2017 gegen 02:30 Uhr auf dem Marktplatz in Torgau zu einem zunächst verbal geführten Streit zwischen vier deutschen und drei ausländischen Staatsangehörigen gekommen. Der Angeklagte , der sich in unmittelbarer Nähe befunden habe, habe von der lautstarken Auseinandersetzung Kenntnis genommen und sich daraufhin mit einer geladenen Schusswaffe zu der Auseinandersetzung begeben. Anschließend habe dieser aus einer Entfernung von zirka einem Meter auf den Oberkörper des Geschädigten zwei gezielte Schüsse abgegeben. Der Ge- Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 33-1053/51/91 Dresden, 22. Mai 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER1UM DES INNERN schädigte habe einen Durchschuss im Oberkörper sowie einen Steckschuss in der Lunge erlitten und sei umgehend notfallmedizinisch versorgt und operiert worden. Frage 2: Welche Ermittlungs- und Strafverfahren werden im Hinblick auf die Situation vor den Schüssen (mutmaßlicher Streit zwischen verschiedenen Personengruppen) geführt? (bitte einzeln und unter Angabe der Zahl der Beschuldigten, des Tatvorwurfs , Deliktsgruppe, Zuordnung PMK und Verfahrensstand angeben)? Hinsichtlich der Auseinandersetzung vor den Schüssen wurde gegen einen Beschuldigten wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 224 Strafgesetzbuch ermittelt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich gemäß § 154 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Der sachbearbeitenden Polizeidienststelle liegen bislang keine Erkenntnisse zu einem politisch motivierten Tathintergrund vor. Frage 3: Welche Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchungen, Zeug*innenbefragungen, Beschlagnahmungen , Sicherstellungen etc.) und wie viele Festnahmen wurden in diesem Fall mit welchem Ergebnis vorgenommen? (bitte einzeln aufführen und mit Datum angeben) In dem zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren wurde eine Vielzahl von Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt. Es kam insbesondere zu fünf Festnahmen, neun Durchsuchungen , 29 Zeugenbefragungen und acht Sicherstellungen. Darüber hinaus wurden umfangreiche Spurensicherungen und Spurenauswertungen, kriminaltechnische Tatortund Vergleichsarbeit, DNA-Entnahmen, DNA-Gutachten, Betäubungsmittelgutachten, Waffen- und Schmauchuntersuchungen, Auslesungen von Mobiltelefonen und Verbindungsdaten geleistet und ein forensisches Gutachten erstellt. Von einer weitergehenden Beantwortung der Frage wird abgesehen. Gemäß Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen ist die Staatsregierung verpflichtet, Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ist jedes Verfassungsorgan verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Funktionsbereich zu respektieren, den die hierdurch mitbetroffenen Verfassungsorgane in eigener Verantwortung wahrzunehmen haben. Dieser Grundsatz gilt zwischen der Staatsregierung und dem Parlament sowie seinen einzelnen Abgeordneten, so dass das parlamentarische Fragerecht durch die Pflicht der Abgeordneten zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung begrenzt ist. Die Staatsregierung muss nur das mitteilen, was innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Weitergehende Erkenntnisse zu den abgefragten Einzelheiten liegen der Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Eine Auflistung aller Ermittlungsmaßnahmen und der zugehörigen Ergebnisse wäre nur durch eine Durchsicht sämtlicher Ermittlungsakten möglich . Im Anschluss daran müsste hierzu ein ausführlicher Aktenauszug erstellt werden, aus dem sich die abgefragten Informationen ergeben. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 3 STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Im Hinblick auf die Vielzahl der durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen und den Umfang der Strafakten — die insgesamt zehn Stehordner und vier weitere Aktenbände umfassen — wäre erfahrungsgemäß allein für die Erstellung eines solchen Aktenauszuges ein Zeitaufwand von mindestens sechs Arbeitstagen für einen Mitarbeiter erforderlich. Darüber hinaus müsste bei jeder einzelnen Ermittlungsmaßnahme und bei jedem einzelnen Ermittlungsergebnis zusätzlich geprüft werden, ob einer Preisgabe von Informationen Zwecke des noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens gemäß § 477 Absatz 2 Satz 1 StPO entgegenstehen. Hierdurch erhöht sich der dargestellte Aufwand noch erheblich. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Frage erforderliche Aufwand daher nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine Beantwortung würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten, die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege und der Funktionsfähigkeit der Polizei nicht zu leisten ist. Frage 4: Inwieweit ist der mutmaßliche Täter als Sympathisant, Angehöriger und/ oder Mitglied welcher Organisationen der extremen Rechten bekannt und ist bereits durch einschlägige Ordnungswidrigkeiten und/oder der PMK rechts zuzuordnende Straftaten aufgefallen? Frage 5: Warum wurde und wird die Straftat von der Polizei nicht als PMK rechts kategorisiert , obwohl augenscheinlich die Voraussetzungen des Definitionssystems PMK rechts (Bezüge zum Rassismus) erfüllt sind? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5: Der sachbearbeitenden Polizeidienststelle liegen bislang keine Erkenntnisse auf Bezüge zur Politisch motivierten Kriminalität -rechts- vor. Mirfra nd lichen Grüßen Prbf.11Dr. Noland V\1611er Freistaat SACHSEN Seite 3 von 3 2018-05-23T10:49:03+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes