STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drs.-Nr.: 6/13304 Thema: Entzug der Waffenbesitzkarten und Waffen von NPD- Mitgliedern und -Politikern — Aktualisierung der Drs. 6/8910 Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Vorbemerkung: In der Antwort auf die Kleine Anfrage Drs. 6/8910 führt die Staatsregierung aus, dass in Sachsen mehrfach waffenrechtliche Widerrufe, die sich auf NPD-Kader bezogen, gerichtlich aufgehoben wurden. Dies erfolgte teils unter Hinweis auf das Parteienprivileg, welches die Betrachtung des parteibezogenen Verhaltens überhaupt untersage, teils mit der Begründung, es fehle an dem Nachweis der eigenen, konkreten Aktivitäten des Betroffenen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 (Az.: 2 BvB 1/13) hat das Staatsministerium des Innern am 13. März 2017 einen Erlass an die Landesdirektion Sachsen (LDS) gerichtet , nach dem Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse, die als Anhänger oder Mitglieder der NPD deren Bestreben unterstützt haben, regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu gelten haben.Wie die Sächsische Zeitung am 26. April 2018 berichtete (https://www.sz-online.de/nachrichten/npd-politikersoll -seine-waffen-abaeben-3926093.html) folgte das Sächsische Oberverwaltungsgericht der im Erlass aufgeführten Einschätzung und entschied zu Gunsten des Landratsamtes des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, dass dem NPD-Politiker Michael Jakobi seine Waffenbesitzkarte entzogen und ihn aufgefordert hatte, seine zwei Waffen unbrauchbar zu machen oder sie an eine andere Person abzugeben , die diese aufbewahren darf." Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-1053/53/29 Dresden, 1. Juni 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm- Buck-Str. 2 oder 4 melden. STAATSM1N1STER11JM DES INNERN Vorbemerkung: Der Staatsregierung liegen zu der Kleinen Anfrage auch Erkenntnisse vor, deren Mitteilung überwiegende Belange des Geheimschutzes (Art. 51 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Sachsen [SächsVerf]) entgegenstehen. Es handelt sich dabei um Informationen , die gemäß Nummer 8 in Verbindung mit Nummer 3.3 der Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über die Behandlung von Verschlusssachen vom 4. Januar 2008 (SächsABI. Sonderdruck Jg. 2008) als Verschlusssache eingestuft wurden . Die Einstufung erfolgte zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen und zum Schutz nachrichtendienstlicher Zugänge . Die Informationen sind durch nachrichtendienstliche Mittel (§ 5 Abs. 1 Sächsisches Verfassungsschutzgesetz [SächsVSG]) erlangt worden. Die Weitergabe dieser Informationen würde die eingesetzten Methoden der Nachrichtenbeschaffung den im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zu beteiligenden Personen offenbaren oder Rückschlüsse auf die Art nachrichtendienstlicher Zugänge ermöglichen und somit die Arbeitsfähigkeit des LfV Sachsen gefährden. Im Falle des Einsatzes von Personen nach § 5 Abs. 1 SächsVSG stehen zudem Rechte Dritter im Sinne von Art. 51 Abs. 2 SächsVerf entgegen. Diese Personen wären bei einer Mitteilung in ihren Grundrechten auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit der Person gefährdet. Die Staatsregierung trifft eine Schutzpflicht gegenüber ihren nachrichtendienstlichen Quellen und sie hat insoweit jegliche Handlungen zu unterlassen , die zu einer Enttarnung der Quelle führen können. Darüber hinaus ist das Vertrauen in die Fähigkeit eines Nachrichtendienstes, die Identität seiner Quellen zu schützen, für seine Funktionstüchtigkeit essenziell. Die Mitteilung von Erkenntnissen im gewählten Verfahren, die Rückschlüsse auf nachrichtendienstliche Zugänge zulassen, würde sich nachhaltig negativ auf die Fähigkeiten des LfV Sachsen auswirken, solche Zugänge zu gewinnen bzw. solche Kontakte fortzuführen. Diese teils dauerhafte Beeinträchtigung von Rechtsgütern war mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten abzuwägen. Die Abwägung ergab, dass dem Geheimschutz und dem Schutz der Rechte Dritter Vorrang vor dem Informationsanspruch des Abgeordneten zukommt. Die Staatsregierung hat in die Abwägung einbezogen, ob andere Formen der Informationsvermittlung möglich sind, die das Informationsinteresse des Parlaments und Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung befriedigen. Im Blick auf den im Rahmen der Beantwortung zu beteiligenden Personenkreis kam die Staatsregierung zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Geheimschutz sowie der Schutz Dritter nur dann hinreichend gewährleistet ist, wenn die Informationsvermittlung unterbleibt. Es wird darauf hingewiesen, dass der Parlamentarischen Kontrollkommission auf deren Verlangen weitergehende Auskunft erteilt wird. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele NPD-Mitglieder, -Funktionsträger, -Mandatsträger und Personen, die Unterstützungshandlungen für die NPD getätigt haben, verfügen in Sachsen über eine waffenrechtliche Erlaubnis? (Bitte für jede Personengruppe gesondert angeben und zwischen der Art der Erlaubnis unterscheiden.) Frage 2: Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Anzahl sowie die Art der Waffen die sich im Besitz der unter 1. genannten Personengruppen befinden? (Bitte, sofern möglich, für jede Personengruppe gesondert angeben.) Frage 4: Für den Fall, dass nicht alle waffenrechtlichen Erlaubnisse von Personen nach Ziffer 1 widerrufen wurden: Aus welchen konkreten Gründen erfolgte dies (noch) nicht? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1, 2 und 4: Für den Vollzug des Waffengesetzes sind in Sachsen die Kreispolizeibehörden zuständig . Die rechtliche Verwertbarkeit von LfV-Mitteilungen hinsichtlich der Begründung einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit wird von diesen geprüft. Relevant für diese Überprüfungen sind Erkenntnisse zu Unterstützungsvorkommnissen aus den letzten fünf Jahren. Zum Stichtag 30. April 2018 konnten zu acht Personen, bei denen Hinweise zumindest auf Bezüge zur NPD vorliegen, die Zuverlässigkeitsprüfungen noch nicht förmlich abgeschlossen werden. In einem dieser acht Verfahren ergeht in Kürze ein Widerrufsbescheid . In vier weiteren Fällen bietet eine Umsetzung der bekannt gewordenen Erkenntnisse zum NPD-Bezug keine Aussicht auf Widerrufserfolg, da die Erkenntnisse Ereignisse betreffen, die mehr als fünf Jahre zurückliegen oder aus anderen Gründen unzureichend sind. Lediglich in drei weiteren Fällen konnte bislang keine Entzugsentscheidung getroffen werden, da nach dem Dafürhalten der Waffenbehörden die erforderliche Erkenntnislage nicht hinreichend belegt ist. Zum Stichtag 30. April 2018 verfügten von den oben genannten acht Personen vier Personen über einen sogenannten Kleinen Waffenschein ohne Erwerbs- und Besitzberechtigung erlaubnispflichtiger Schusswaffen. Die anderen vier Personen besaßen summarisch sechs Kurzwaffen und elf Langwaffen. Die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von personen- und sachbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, fallen in die Zuständigkeit des LfV Sachsen. Nach den dort vorliegenden Erkenntnissen verfügen 32 Personen mit Bezügen zur NPD über eine waffenrechtliche Erlaubnis. Darüber hinaus sind die Erkenntnisse des LfV Sachsen zu den Fragen 1 und 2 aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen der Geheimhaltung nicht mitteilbar. Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES 1NNERN Die Abweichung zum einleitend genannten Erkenntnisstand der Waffenbehörden ergibt sich daraus, dass • eine Erfassung durch das LfV Sachsen bereits bei Anhaltspunkten für die Zuordnung zu einschlägigen Bestrebungen zulässig ist (aber im Falle der NPD nur eine belegte Unterstützung über die reine Mitgliedschaft hinaus widerrufsrelevant ist), • sich Erfassungen des LfV Sachsen regelmäßig auf einen Erkenntnishorizont von zehn Jahren erstrecken können (aber nur Erkenntnisse aus den letzten fünf Jahren widerrufsrelevant sind), • die nachrichtendienstliche Informationsgewinnung nicht in jedem Fall und nicht hinsichtlich jeder Information eine Weitergabe an die Waffenbehörde zulässt. Frage 3: Wie viele waffenrechtliche Erlaubnisse wurden von den unter 1. genannten Personengruppen wann entzogen, wie viele gerichtliche Verfahren folgten auf den Entzug der Waffenbesitzkarten und wurden mit welchem Ergebnis abgeschlossen bzw. sind noch anhängig? (Bitte für jeden Landkreis gesondert angeben und zwischen der Art der Erlaubnis unterscheiden.) Frage 1 bezieht sich auf Personen, die (noch) über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen. Insofern müsste die Antwort „keine" lauten. Soweit die Frage sich auf Verfahren beziehen soll, die nach dem 13. März 2017 eingeleitet wurden (Aktualisierung der Kleinen Anfrage Drs.-Nr. 6/8910) gilt: Zum Zeitpunkt des Erlasses des Staatsministeriums des Innern vom 13. März 2017 waren zu 29 Personen LfV-Mitteilungen zum Teil älterer Erkenntnisse u. a. mit Bezügen zur NPD ergangen. Diese Personen wurden einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen. In vier Verfahren erfolgte ein Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse. Eines dieser Widerrufsverfahren ist noch nicht bestandskräftig, Widerspruch wurde eingelegt; die Frist zur Abgabe der Waffen an Berechtigte oder zur Unbrauchbarmachung ist noch nicht abgelaufen. Bei einer weiteren Person wurden Anträge auf waffenrechtliche Erlaubnisse abgelehnt. Eine Person verzichtete freiwillig auf die waffenrechtliche Erlaubnis . In weiteren 15 Verfahren führte das LfV Sachsen zwischenzeitlich aus, dass NPD- Mitgliedschaften oder -Unterstützungshandlungen aktuell nicht belegbar seien. Von einer Aufschlüsselung nach Landkreisen und Erlaubnisarten wird aus datenschutzrechtlichen Gründen abgesehen, weil durch eine Aufschlüsselung Rückschlüsse auf eine bestimmte oder bestimmbare Person möglich wären. Klagen wurden nach dem 13. März 2017 nicht erhoben. Nachrichtlich wird mitgeteilt, dass aus früheren Verfahren noch zwei Klagen anhängig sind. undlicheh Grüßen DCRoland Wöller Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2018-06-01T11:33:10+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes