Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Postfach 10 03 29 1 0 1073 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden STAATS MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR Kleine Anfrage des Abgeordneten Marco Böhme (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/13432 Thema: Stand der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen der ÖPNV-Strategiekommission: Barrierefreiheit Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Die ÖPNV-Strategiekommission Sachsen legte im Dezember 2017 ihren Abschlussbericht vor. Darin werden unter anderem die gemeinsam mit dem Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen erarbeiteten Ausbauziele für die Barrierefreiheit im ÖPNV und SPNV ausgehend vom status quo bis 2030 formuliert (Abschlussbericht ÖPNV-Strategiekommission Sachsen , S. 55)." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Auf welcher Datengrundlage wurden die status quo-Angaben zur Barrierefreiheit an ÖPNV-Haltestellen, Fahrzeugen sowie SPNV-Zugangsstellen ermittelt und wie viele und welche Halte - bzw. Zugangsstellen sind nach dieser Datengrundlage bereits barrierefrei erreichbar und welche sollen laut Ausbauzielen bis 2030 barrierefrei erreichbar sein? Eine allumfassende Primärerhebung war im Rahmen der Arbeit der ÖPNV- Strategiekommission nicht möglich. Die Erhebungen der ÖPNV-Strategiekommission zum Status quo der Barrierefreiheit an ÖPNV-Haltestellen und SPNV-Zugangsstellen beziehen sich auf die örtliche Barrierefreiheit. Nicht erfasst werden die barrierefreien Erreichbarkeiten der in Rede stehenden Anlagen, wenngleich die ÖPNV- Strategiekommission grundsätzlich auch diese Herausforderung aufzeigt. Seite 1 von 3 Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon : 0351 564-8001 Telefax: 0351 564-8024 Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 66-1053/42/45 Dresden, 1 4. JUNI 2018 r- Zertiflkat seit 2006 audlt bcrufundfamllie Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Wilhelm-Buck-Straße 2 01097 Dresden Außenstellen : Hoyerswerdaer Straße 1 01099 Dresden Glacisstraße 4 01099 Dresden www.smwa.sachsen .de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 7, 8 Haltestelle Carolaplatz Kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüssel te elektronische Dokumente. STAATSMlNlSTERlUM FÜR W1RTSCHAFT ARBElT UND VERKEHR Die Datengrundlage für die Status qua-Angaben sowie für die weiteren Ermittlungen der Bedarfe setzt sich zusammen aus: - den Angaben der Verkehrsunternehmen, die im Rahmen der Studie „Ermittlung des Investitionsbedarfs für Fahrzeuge und Anlagen des straßengebundenen ÖPNV im Freistaat Sachsen" gemacht wurden (ETC Transport Consultants GmbH, 2013, im Auftrag des VDV) sowie den Ergebnissen einer Datenabfrage, die im Rahmen von Interviews mit den Landkreisen und Kreisfreien Städten zu Beginn der Arbeit der ÖPNV- Strategiekommission von den Gutachtern ETC/KCW durchgeführt wurde. Da zwischen beiden Datensätzen teilweise Inkonsistenzen bestanden, waren weitere Interpolationen und ergänzende Recherchen durch die begleitenden Gutachter ETC/ KCW notwendig, um ein verwertbares Gesamtbild zu erzeugen . Die Erhebung ergab, dass zum Stand 2014 von den ca. 25.000 Bushaltestellen im Freistaat knapp 2.000 barrierefrei nutzbar waren . Bei den Straßenbahnhaltestellen ist der Ausrüstungsgrad deutlich höher: hier waren ca. 4 70 der 733 Haltestellen barrierefrei. Der Status quo wurde anschließend mit dem durch die ÖPNV-Strategiekommission entwickelten Zielzustand verknüpft (siehe Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission [http://www.verkehr.sachsen.de/14080.html], S.124 ). Frage 2: Welche (rechtlichen) Konsequenzen drohen dem Freistaat Sachsen, wenn der von der UN-Behindertenkonvention und durch die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes verlangten Barrierefreiheit im ÖPNV bis zum Jahr 2022 nicht eingehalten wird? Nach § 8 Absatz 3 Satz 3 Personenbeförderungsgesetz (PBefG), der in Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in das PBefG eingefügt wurde, hat der Nahverkehrsplan der kommunalen Aufgabenträger das Ziel einer „vollständigen Barrierefreiheit" zu verfolgen. Dieses ist bis zum 1. Januar 2022 zu erreichen. Diese Frist gilt gemäß § 8 Absatz 3 Satz 3 PBefG nicht, sofern im Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. In diesem Fall besteht für die kommunalen Aufgabenträger keine Rechtspflicht zur Herstellung der „vollständigen Barrierefreiheit". Anderenfalls ist der kommunale Aufgabenträger dazu verpflichtet, bis zum 1. Januar 2022 die geforderte Barrierefreiheit herzustellen . Frage 3: Welches Konzept und welche konkreten Maßnahmen liegen der Staatsregierung zur Erreichung der Ausbauziele zur Barrierefreiheit im ÖPNV und SPNV bis 2030 zugrunde bzw. wurden entwickelt? Frage 4: Für welche konkreten Maßnahmen sollen die im Bericht veranschlagten jährlichen Bedarfe von 29 Millionen Euro durch welche Akteure verwendet werden? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 und 4: Gemäß § 8 Absatz 3 Satz 3 PBefG liegt die Verantwortung zur Herstellung der Barrierefreiheit bei den ÖPNV-Aufgabenträgern. Dies sind in Sachsen die Landkreise und Kreisfreien sowie ehemals Kreisfreien Städte. Daneben sind gemäß § 2 Absatz 3 Eisenbahn -Bau- und Betriebsordnung die Eisenbahnen dafür zuständig, dass die Benut- Seite 2 von 3 Freistaat SACHSEN STAATSMlNlSTERlUM FÜR Wl RTSCHAFT ARBEIT UND VERKEHR zung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte Menschen und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis ermöglicht wird. Die Staatsregierung unterstützt die Verkehrsunternehmen und Kommunen bei der Herstellung der Barrierefreiheit im Rahmen der ÖPNV-lnvestitionsförderung auf Grundlage der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Gewährung von Fördermitteln im öffentlichen Personennahverkehr (RL- ÖPNV). Diese sieht die Herstellung der Barrierefreiheit als Fördervoraussetzung vor. Die der Staatsregierung zur Umsetzung der Barrierefreiheit vorliegenden Handlungsempfehlungen der ÖPNV-Strategiekommission, für deren Erarbeitung auch Vertreter der Behindertenverbände eingebunden wurden, führen u. a. aus, dass - um eine möglichst zeitnahe Wirkung zu erzielen, zunächst Maßnahmen priorisiert werden sollten, die zur Ertüchtigung insbesondere der ÖPNV-lnfrastruktur an zentralen Umsteigeknoten und wichtigen Fahrtzielen beitragen, - aufgrund der typischen Nutzungsdauer von Fahrzeugen (z. B. Linienbusse ca. acht bis zehn Jahre) diese in wenigen Jahren vollständig barrierefrei sein sollten, - durch die Zweckverbände, Kommunen und Verkehrsunternehmen eine Umrüststrategie bis zum Zielzustand im Jahr 2030 entwickelt werden soll und - die explizite Umsetzung der Barrierefreiheit z. B. auch bei Verkehrsausschreibungen beachtet werden soll. Frage 5: In welchen nach der Richtlinie ÖPNV geförderten Maßnahmen wurde vom Grundsatz der Herstellung der Barrierefreiheit seit dem Jahr 2000 abgewichen und mit welcher Begründung? Nach RL-ÖPNV ist wie folgt vorzugehen: ,,Förderfähig sind Vorhaben, die der Verbesserung des ÖPNV dienen, insbesondere Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge. Dabei können jedoch grundsätzlich nur solche Vorhaben gefördert werden, die den Anforderungen der Barrierefreiheit [ ... ] entsprechen. Nach Anhörung der zuständigen Behindertenbeauftragten oder der zuständigen Behindertenbeiräte können im Einzelfall auch Fahrzeuge ohne barrierefreie Ausstattung gefördert werden. Verfügt eine Gebietskörperschaft nicht über Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, sind stattdessen die Verbände, die nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind, anzuhören." Die zuständige Bewilligungsbehörde (LASuV) setzt vorgenannten Grundsatz in ihrem praktischen Handeln um. Da die örtlichen Gegebenheiten nicht in jedem Fall umfassend barrierefreie Lösungen zulassen, wird nach Anhörung und in Abtimmung mit den zuständigen Behindertenbeauftragten in Ausnahmefällen die Zielstellung einer „möglichst weitreichenden Barrierefreiheit" verfolgt. Eine gesonderte Erfassung dieser Maßnahmen im Sinne der Fragestellung liegt der Staatsregierung nicht vor. Mit freundlichen Grüßen Martin Dulig Seite 3 von 3 Freistaat SACHSEN 2018-06-14T12:40:04+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes