STAATSM1N1STER1UM DES INNERN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage des Abgeordneten Enrico Stange (DIE LINKE) Drs.-Nr.: 6/13489 Thema: Unbestimmte Rechtsbegriffe im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: „Am 4.5.2018 wurde den Fraktionen des Landtags der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen zugeleitet, am 17. Mai den Mitgliedern des Innenausschusses als BIM-Nr. 518 zur Kenntnis gegeben." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie definiert die Sächsische Staatsregierung folgende Begriffe und Formulierungen, die im in Bezug genommenen Referentenentwurf enthalten sind: a) „Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten" (§ 2 Abs. 1 Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz — SächsPVDG), b) „eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat" (§ 20 Abs. 1 SächsPVDG), c) „eine ihrer Art nach konkretisierte Straftat von erheblicher Bedeutung" (§ 21 Abs. 1 SächsPVDG), d) „Annahme" (§ 21 Abs. 3 SächsPVDG) e) „erhebliche , die Gesundheit Dritter beeinträchtigende Störung" (§ 29 Abs. 3 SächsPVDG) f) „deutlich erhöhte Kriminalitätsbelastung" (§ 57 Abs. 3 SächsPVDG), g) „gegenwärtige erhebliche Gefahr" (§ 58 Abs. 3 SächsPVDG), h) „herausgehobene Bedeutung" (§ 59 Abs. 1 SächsPVDG), i) „in absehbarer Zeit" (§ 60 Abs. 2 SächsPVDG), j) „konkrete Wahrscheinlichkeit" (§ 60 Abs. 2 SächsPVDG), k) „in überschaubarer Zukunft" (§ 60 Abs. 2 SächsPVDG)? Frage 2: Welche Waffen und Einsatzmittel fallen nach dem in Bezug genommenen Referentenentwurf unter die Bezeichnungen „Besondere Waffen" und „Explosivmittel" (§ 46 SächsPVDG)? Freistaat SAC1-I SEN Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 36-1053/53/55 Dresden, 20. Juni 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6,7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSVIN1STER1UTVI DES INNERN Ir Frage 3: Unter welchen Voraussetzungen dürfen nach dem in Bezug genommenen Referentenentwurf „Explosivmittel" durch die sächsische Polizei eingesetzt werden und an welcher Stelle wird dies im Referentenentwurf geregelt? Frage 4: Welche Munition fällt nach dem in Bezug genommenen Referentenentwurf unter die Formulierung „besondere Formen von Munition [...] die darauf ausgerichtet sind, den Betroffenen zu überwältigen, ohne ihn dabei tödlich zu verletzen." (§ 40 Abs. 4 SächsPVDG)? Frage 5: Welche Mittel fallen nach dem in Bezug genommenen Referentenentwurf unter die Formulierung „sonstige für Observationen bestimmte besondere technische Mittel" (§ 63 Abs. 1 SächsPVDG)? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 bis 5: Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die Anfrage genügt nicht den formalen Anforderungen des § 56 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des 6. Sächsischen Landtags (GO). Die Kleine Anfrage enthält mehr als fünf Einzelfragestellungen. Die Fragestellungen sind zwar in fünf mit Ziffern versehene Abschnitte gegliedert, diese enthalten jedoch in der Summe mehr als fünf Fragestellungen , da bereits unter der arabischen Ziffer 1 elf Fragstellungen (gekennzeichnet als a) bis k)) zusammengeführt wurden. Die Zulässigkeit der Begrenzung des Fragerechtes einzelner Abgeordneter auf fünf Einzelfragen durch die Geschäftsordnung des Parlamentes findet seine verfassungsrechtliche Grundlage auch in dem Gedanken, dass das Parlament das Spannungsverhältnis zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten einerseits und deren Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung als Staatsorgan andererseits zu regeln befugt ist (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 290. April 2010 — Vf. 54-1-09—, juris Rdn 366). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geschäftsordnung die zulässige Anzahl Kleiner Anfragen eines Abgeordneten weder pro Tag noch binnen eines sonstigen Zeitraums begrenzt. Auch eine Einschränkung dahingehend, dass Fragen zu einem bestimmt bezeichneten Bereich in einem konkreten Zeitraum — etwa binnen eines Tages oder binnen vier Wochen — nur einmal eingereicht werden dürfen, ist der Geschäftsordnung nicht zu entnehmen (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 19. Juli 2012 — Vf. 21-1-12 juris Rdn 39). Insofern ist es allein die Beschränkung auf fünf Einzelfragestellungen, die die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung als Staatsorgan konkretisiert. Es gebietet sich daher, dass die Auslegung des zentralen Begriffs der „Einzelfragestellung" diesem einen objektiven Sinn belässt und nicht auf eine formale syntaktische oder semantische Aussage reduziert wird. Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Selbst ein großzügiges Verständnis der Begriffes „Einzelfragestellung" findet deshalb dort seine Grenzen, wo ein mit einem Fragezeichen endender Satz sich auf mehrere durch den Fragesteller bestimmte wesensverschiedene Objekte bezieht und daher mehrere Antworten verlangt. Dies trifft hier auf die Frageziffer 1 zu, durch die elf Antworten verlangt werden, nämlich von der Staatsregierung erfragte Definitionen und Erklärungen zu ausgewählten Tatbestandsfragmenten eines Referentenentwurfes. Die Staatsregierung kann die Beantwortung einer der Beschränkung des § 56 Abs. 2 Satz 2 GO nicht genügenden Anfrage ungeachtet dessen ablehnen, dass der Landtagspräsident diese nicht als unzulässig beanstandet hat. Eine derartige Anfrage unterfällt nicht dem Schutz des Art. 51 Abs. 1 Verfassung des Freistaates Sachsen (Sächs- Verf) (vgl. SächsVerfGH, a. a. 0.; NdsStGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 — StGH 1/07 —, juris Rn. 54) und löst damit eine Antwortpflicht der Staatsregierung nicht aus (VerfGH vom 19. Juli 2012, Vf. 21-1-12—, juris Rdn 40). Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass von einer Beantwortung auch aus inhaltlichen Erwägungen Abstand zu nehmen ist. In der Vorbemerkung zur Anfrage wird darauf hingewiesen, dass am 4. Mai 2018 den Fraktionen des Landtags der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen zugeleitet und am 17. Mai 2018 den Mitgliedern des Innenausschusses als BIM-Nr. 518 zur Kenntnis gegeben worden sei. Gemäß Art. 51 Abs. 2 SächsVerf kann die Staatsregierung die Beantwortung von Fragen ablehnen, wenn diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung schließt einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung ein. Hierzu gehören sämtliche internen Abstimnnungs- und VVillensbildungsprozesse sowie Planungen innerhalb der Staatsregierung, die der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dienen (SächsVerfGH, Urteil vom 23. April 2008, Vf. 87-1-06). Die Fragen berühren den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Mit den Fragen wird begehrt, den Inhalt eines noch nicht abgeschlossenen Beratungsprozesses der Staatsregierung näher in Erfahrung zu bringen. Die Entscheidung, eine Gesetzesvorlage einzubringen, obliegt dem Kabinett. Diese Kabinettsentscheidung bildet die Ermächtigung für die Staatsregierung zur Einbringung eines solchen Gesetzesvorhabens in den Landtag. Vor dieser Kabinettsentscheidung handelt es sich daher um interne Willensbildungsprozesse, die in den Kernbereich der Exekutive fallen. Dies gilt auch dann, wenn die Staatsregierung über einen laufenden Entscheidungsprozess informiert. Die Staatsregierung zeigt mit dieser Information schlicht an, dass ihr Wille so weit geht, einen noch nicht konsentierten Entwurf im Vorfeld der Landtagsbefassung bestimmten Institutionen zur Stellungnahme vorzulegen. Eine aktive parlamentarische Begleitung der verschiedenen Verfahrensstadien zur Vorbereitung der Kabinettsentscheidung könnte zu einem der Gewaltenteilung widersprechenden Mitregieren Dritter führen. Eine Informationspflicht in diesem Stadium Freistaat SACHSEN Seite 3 von 4 STAATS1VI1NISTER1UM DES INNERN besteht daher nicht (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. März 2004, Az.: 2 BvK 1/01). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel des parlamentarischen Fragerechtes das Verschaffen von Informationen ist, die die Abgeordneten zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Die hier gestellten Fragen sind darauf gerichtet, vom Fragesteller ausgewählte Tatbestandsfragmente eines Referentenentwurfes näher erläutert zu bekommen (wie definiert die Staatsregierung ..., was fällt unter ...). Eine „Definition" der Staatsregierung scheitert schon daran, dass die Staatsregierung zu dem Referentenentwurf noch keine abschließende Entscheidung getroffen hat (siehe Verfahrensstand). Es handelt sich auch nicht um an die Staatsregierung zu richtende Wissensfragen, denn eine inhaltliche Bestimmung von Tatbeständen folgt aus dem Gesetz selbst. Da sich deshalb die mögliche Beantwortung der Fragen allein aus den vom Fragesteller angesprochenen Unterlagen ergibt, dienen die Fragen ausschließlich dazu, die Lektüre des Entwurfes zu erleichtern. Das ist nicht Gegenstand des parlamentarischen Fragerechtes . Mit,r undliehen Grüßen J Pro7.157.1Roland'Wöller Freistaat SACHSEN Seite 4 von 4 2018-06-20T15:33:36+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes