STAATSMIN1STERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM DES INNERN 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard -von -Lindenau -Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Muster (fraktionslos) Drs.-Nr.: 6/13653 Thema: Grundstücke in Volkseigentum 2018 Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Grundstücke im Freistaat Sachsen befinden sich derzeit noch im Volkseigentum und wie und wofür werden sie derzeit genutzt? (Bitte die Antwort nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln ) Zur Beantwortung wird auf die in der Anlage beigefügte Tabelle verwiesen. Diese umfasst die Grundstücke, die noch im Grundbuch als Eigentum des Volkes eingetragen sind und bei denen der Freistaat Sachsen gemäß § 8 Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG) die Verfügungsbefugnis hat. Hinsichtlich der Grundstücke, die im Grundbuch als Eigentum des Volkes eingetragen sind und bei denen andere als der Freistaat Sachsen (z. B. Bund oder Kommunen) verfügungsbefugt sind, liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Diese Frage kann auch nicht durch eine Recherche im Grundbuch abgeklärt werden, weil die Staatsregierung zu einer solch allgemeinen Abfrage nicht berechtigt ist. Die Frage betrifft den Inhalt einzelner Eintragungen, nämlich die Rechtsverhältnisse in Bezug auf einzelne, noch nicht näher bestimmte Grundstücke. Für den Inhalt dieser Eintragungen — mithin für die Rechtsverhältnisse an diesen Liegenschaften selbst — ist die Staatsregierung nicht verantwortlich; die Grundbücher werden von den Gerichten geführt, die insoweit sachlich unabhängig von der Staatregierung sind. Die Staatsregierung kann sich auch nicht einfach durch Einsichtnahme in das Grundbuch Kenntnis von den dort erfassten Rechtsverhältnissen verschaffen, denn diese Möglichkeit steht ihr nicht in jedem Fall offen. Das Grundbuch ist kein allgemein zugäng- Der Staatsminister Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 23b-1053/42/167 Dresden, 4. Juli 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium des Innern Wilhelm-Buck-Str. 2 01097 Dresden Telefon +49 351 564-0 Telefax +49 351 564-3199 www.smi.sachsen.de Verkehrsanbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3, 6, 7, 8, 13 Besucherparkplätze: Bitte beim Empfang Wilhelm-Buck- Str. 2 oder 4 melden. STAATSMINISTERIUM DES INNERN liches Register. Es ist auch kein der Staatsregierung allgemein zum Zwecke der Durchführung der Gesetze in die Hand gegebenes Instrument. Vielmehr ist ihr die Einsichtnahme in das Grundbuch grundsätzlich nur unter denselben Voraussetzungen wie jedermann gestattet, nämlich wenn sie selbst dafür ein berechtigtes Interesse hat (§ 12 Grundbuchordnung [GBO]). Hierfür kommen zwar auch öffentliche Interessen in Betracht , wenn der Antragsteller zu deren Wahrnehmung befugt ist. Für die hier aufgeworfene Frage besteht dieses Interesse aber nicht, denn die Rechtsverhältnisse von Eigentümern oder sonst an Grundstücken dinglich Berechtigten werden nicht erfasst, damit die Staatsregierung allgemein für bestimmte Grundstückseigentümer zur allgemeinen Überwachung oder zum allgemeinen Erkenntnisgewinn statistische Abfragen vornehmen kann. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die Abfrage der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage dient. Die Pflicht zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage kann die Staatsregierung nicht dazu berechtigen, sich Informationen zu beschaffen, die sie sich ohne eine solche parlamentarische Anfrage nicht beschaffen dürfte. Das Fragerecht der Abgeordneten ermöglicht ihre Teilhabe an den Informationen, über die die Staatsregierung zur Bewältigung der Staatsaufgaben verfügt oder verfügen darf, und an den Mitteln der Staatsregierung, diese Informationen umfassend zu sammeln, zu sichten und aufzubereiten. Artikel 51 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen stellt einen Gleichstand des Informationsniveaus von Abgeordneten und Staatsregierung her, erweitert aber nicht die Möglichkeiten der Staatsregierung, sich oder der Abgeordneten Informationen zu verschaffen. Die bundesrechtlich bestimmten, verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür, dass die Staatsregierung sich die begehrten Informationen durch Einsichtnahme verschaffen könnte, sind nicht gegeben. Die Grundbücher werden bei den Amtsgerichten geführt, wobei über die Einsicht in das Grundbuch und in das Verzeichnis der Eigentümer nach § 12 und § 12a GBO gemäß § 12c Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GBO der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Grundbuchamtes in sachlicher Unabhängigkeit entscheidet. Er kann von der Staatsregierung nicht angewiesen werden. Zwar kann das Staatsministerium der Justiz daneben im Rahmen des automatisierten Abrufverfahrens nach § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO selbst Grundbuchabfragen vornehmen. Allerdings bedarf es auch dabei eines eigenen berechtigten Interesses im Sinne von § 12 GBO. Das Staatsministerium der Justiz ist als Behörde nach § 43 Verordnung zur Durchführung der Grundbuchverordnung lediglich davon befreit, sein berechtigtes Interesse darzulegen. Eine Nutzung der Abfragemöglichkeit durch die Staatsregierung wäre im vorliegenden Fall daher rechtswidrig. Eine Eigentümersuche für alle Grundstücke in Sachsen wäre für die Staatsregierung zudem mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Abgesehen davon ist mit der Abfrage kaum ein genaues Ergebnis erzielbar. Eine Recherche ist zunächst nur über das als Hilfsverzeichnis nach § 12a GBO von den Grundbuchämtern geführte Verzeichnis der Eigentümer möglich, das jedoch wegen der nach § 12a Abs. 1 Satz 2 GBO fehlenden Aktualisierungspflicht nicht notwendig den aktuellen Stand widerspiegelt. Mittels seiner Abfragemöglichkeit kann das Staatsministerium der Justiz selbst über den ihm zur Verfügung stehenden elektronischen Zugang in diesem Verzeichnis auch nicht gleichzeitig über alle 26 Grundbuch- Freistaat SACHSEN Seite 2 von 4 STAATSM1N1STER1UM DES INNERN Freistaat SACHSEN ämter in Sachsen hinweg recherchieren. Vielmehr ist jedes Grundbuchamt gesondert aufzurufen und über den Zugang des Staatsministeriums der Justiz jeder Grundbuchbezirk — im ganzen Freistaat sind dies 2.157 — gesondert zu recherchieren. In der Suchmaske ist sodann zwingend das Aktenzeichen des Vorgangs einzutragen, für den die Abfrage erfolgt. Eine gezielte Filterung nach bestimmten Eigentumsarten ist nicht möglich. Eine Suche nach Grundstücken im „Volkseigentum" ist nicht ohne Weiteres möglich, da die Schreibweisen im Grundbuch sehr unterschiedlich sein können (nur beispielhaft: Eigentum des Volkes; EdV; EDV; E.d.V; E.D.V; E d V; Stadt Dresden, EdV; Gemeinde X, Eigentum des Volkes). Sodann müsste die Trefferliste in jedem Einzelfall mit der Eintragung in Abteilung I des Grundbuchs abgeglichen werden. Setzt man einschließlich der Dokumentation der angezeigten Treffer pro Grundbuchbezirk auch nur fünf Minuten an, dann wäre eine Arbeitskraft ca. 180 Stunden gebunden. Hinzu käme der Aufwand, die Listen mit dem Grundbuchinhalt abzugleichen, der nochmals drei Minuten je Treffer verursachen würde. Dieser Aufwand und damit der Gesamtaufwand sind abhängig von der Trefferanzahl; er würde aber jedenfalls einen Sachbearbeiter deutlich mehr als eine Woche beschäftigen. Frage 2: Warum konnten bisher noch nicht alle volkseigenen Grundstücke im Freistaat Sachsen zugeordnet werden? Frage 3: Bis wann soll die Zuordnung der volkseigenen Grundstücke im Freistaat Sachsen abgeschlossen sein? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 und 3: Für die Zuordnung der noch offenen Vermögenszuordnungsanträge ist das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Cottbus zuständig. Aufgabe der Vermögenszuordnungsstelle ist es festzustellen, auf welches Rechtssubjekt das Eigentum an einem ehemals in „Volkseigentum" stehenden Vermögenswert nach der Wiedervereinigung übergegangen ist und demnach die neuen Eigentümer im Grundbuch einzutragen. Das Verfahren zur Zuordnung des ehemals volkseigenen Vermögens regelt das Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenen Vermögen i. V. m. Art. 21 und 22 Einigungsvertrag, Kommunalvermögensgesetz und Treuhandgesetz. Warum bisher noch nicht alle volkseigenen Grundstücke im Freistaat Sachsen zugeordnet werden konnten und bis wann deren Zuordnung abgeschlossen sein wird, entzieht sich der Kenntnis der Staatsregierung. Frage 4: Wer ist für die Bewirtschaftung dieser volkseigenen Grundstücke derzeit zuständig ? Frage 5: Was kostet die Bewirtschaftung dieser volkseigenen Grundstücke und mit welchen Mitteln werden die Bewirtschaftungskosten gedeckt? Seite 3 von 4 STAATSMINISTERIUM DES INNERN Freistaat SACHSEN Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 4 und 5: Bei den Grundstücken, über die der Freistaat Sachsen verfügungsbefugt ist, ist er grundsätzlich für die Bewirtschaftung zuständig. Die in der Tabelle angeführten Grundstücke sind aber entweder an Dritte überlassen, welche die Bewirtschaftungskosten tragen, oder es handelt sich um ungenutzte Grundstücke, so dass hier keine Kosten anfallen. Soweit Andere die Bewirtschaftungsbefugnis haben, liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Von einer Nachfrage, insbesondere bei den Kommunen, wurde abgesehen , denn eine Pflicht der Staatsregierung, sich die erfragten Daten zu verschaffen , besteht nicht. Die Staatsregierung ist dem Landtag nur für ihre Amtsführung verantwortlich . Sie ist daher nur in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Letzteres ist hier der Fall, denn soweit es vorliegend um die Kommunen geht, betrifft die Frage ausschließlich Sachverhalte, die von den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen werden. Die Kommunen sind insoweit keinen Weisungen unterworfen und unterliegen nur der Rechtsaufsicht. Im Zuständigkeitsbereich der Rechtsaufsicht können die Staatsregierung bzw. die hierfür zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vom Informationsrecht nach § 113 Sächsische Gemeindeordnung nur dann Gebrauch machen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine bevorstehende oder bereits erfolgte Rechtsverletzung vorliegen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben . Auch die vorliegende Kleine Anfrage enthält keine Hinweise darauf, dass in einem konkreten Einzelfall Rechtsverletzungen entweder bereits erfolgt sind oder bevorstehen . r i frelandliche Grüßen Prbf.tDr. Roland VVöller Anlage Seite 4 von 4 Anlage zu Drs.-Nr. 6/13653 Anzahl der Flurstücke im Eigentum des Volkes nach Nutzungsart und Landkreisen/Kreisfreien Städten Stand: 19. Juni 2018; Quelle: Com.LIVIS Kreisfreie Stadt/ Landkreis Flurstücke Gebäude- und Freiflächen öffentliche Zwecke Gebäude- und Freiflächen Gewerbe und Industrie Kleingarten - anlage Straße Weg Mischwald Fluss Gewässer Historische Anlage Unland Erzgebirgskreis 1 1 Dresden, Stadt 3 2 1 Bautzen 2 1 1 Görlitz 3 1 1 1 Leipzig 6 1 2 2 1 Meißen 5 1 3 1 Zwickau 3 1 2 Sächsische Schweiz- Osterzgebirge 2 2 2018-07-04T09:49:15+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes