STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMIN ISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresdên Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Juliane Nagel (DlE LINKE) Drs.-Nr.: 6/13675 Thema: Handhabung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Kollekt ¡vbele¡d¡gungen Frage 1: Wie viele Verfahren nach 5185 SIGB wurden wegen des Slogans ,'ACAB" in den Jahren 2014-2018 geführt? (Bitte nach Tatzeit, Tatort, Zahl der Beschuldigten , Zuordnung PMK wie Stand und Ausgang des Verfahrens aufschlüsseln)? Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 Telefax +49 351 564 1509 Staatsminister@ smj.justiz.sachsen.de* lhr Zelchen lhre Nachricht vom Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 1040E/13/1240 - KLR Dresden, ! .luti zote Sehr geehrter Herr Präsident, MIT den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Mit dem Beschluss vom 17. Mai 2016 hat das Bundesverfassungsger¡cht a die Kollektivbeleidigung mit dem Slogan ,,ACAB" als nicht strafbar nach 'rusrZVoLtzuGSBEAMrÊ $185 SIGB eingestuft (Vgl. 1 BvR 2150/14 - Rn. (l-23)). u i'wroB-MIr-t'DE Seit diesem Urteil kommt es gehäuft zu Ordnungswidrigkeitsverfahren Hausanschr¡n: Sächsisches Staatsm¡n¡ster¡um wegen des Slogans ,,AGAB" nach 5118 OW|G." å::J,i".ff.* , 01097 Dresden Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die åi8å?"åi:3;ji"utschePost Kleine Anfrage wie folgt: www.iusriz.sachsen.de/smj TOB Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8,11 Parken und behindertengerechter Zugang uber Einfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang für elektron¡sch signierte sowie f ür verschlüsselle eloktronische Dokumente nur i¡ber das Elektronische Gerichts- und Vemaltungspostfach; nàhêre lnformationen untgr M.egvp.de Seite 1 von 4 STAATSMINISTERIUI\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN FAn-\H w Frage 2: Wie viele Verfahren nach 5118 OW¡G wurden im Zusammenhang mit dem Slogan ,,ACAB" oder welcher anderen Kollektivbeleidigungen in den Jahren 2016,2017 und 2018 geführt? (Bitte nach Tatzeitn Tatort, Zahl der Beschuldigten, Zuordnung PMK wie Stand und Ausgang des Verfahrens aufschlüsseln)? Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 1 und 2: Von einer Beantwortung der Frage wird wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen findet weder bei der sächsischen Polizei noch bei den sächsischen Staatsanwaltschaften statt. Die vollständige Beantwortung der Frage würde daher die Durchsicht und händische Auswertung aller aufgrund des Tatvorwurfs in Betracht kommender Ermittlungsverfahren erfordern. Dabei sind mindestens alle in den Datenbanken als Verstoß gegen S 185 StGB eingetragenen Verfahren entsprechend der Fragestellung auszuwerten. Bei der Polizei müssten Sachakten zu rund 40.000 Beleidigungen und rd. 1.500 Ordnungswidrigkeiten manuell ausgewertet werden. Auch die sächsischen Staatsanwaltschaften haben wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung im Berichtszeitraum gegen 29.459 bekannte Beschuldigte und gegen 4362 unbekannte Beschuldigte ermittell. Zur Beantwortung müssten die Papierakten aller gegen diese Beschuldigten eingeleiteten Ermittlungsverfahren händisch durchgesehen und ausgewertet werden. Dies wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Seite 2 von 4 STAATSI\4 I N I STE RI U I\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN sBt-\ËJ w Für die entsprechende Auswertung ist von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Ermittlungsverfahren bzw. je Ermittlungsakte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei der Polizei für die Auswertung anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 2.594 Arbeitstage, der bei den Staatsanwaltschaften anfallende Aufwand auf mindestens 2.114 Arbeitstage für einen Mitarbeiter geschätzt. Die Staatsregierung kam daher, unter Berücksichtigung des oben dargestellten Maßstabes , bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Frage auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege und der Funktionsfähigkeit der Polizei nicht zu leisten ist. Frage 3: Wie tragen die Ermittlungsbehörden der oben benannten Grundsatzentscheidung des BVerfG in diesem Kontext Rechnung? Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass eine sogenannte Kollektivbeleidigung mit dem Slogan ,,ACAB" zwar nicht generell als strafbar gemäß S 185 StGB eingestuft werden kann, der genannte Slogan jedoch dann geeignet ist, eine Beleidigung im Sinne des $ 185 StGB darzustellen, wenn eine,,hinreichende lndividualisierung des negativen Werturteils" bzw. eine,,personalisierte Zuordnung" der Parole zu bestimmten Polizeibeamten im konkreten Einzelfall vorgenommen werden kann (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 13.6.2017, Aktenzeichen 1 BvR 2832115 und BVerfG, Beschluss vom 17.5.2016, Aktenzeichen 1 BvR 2150/14). Die Staatsanwaltschaften tragen im Rahmen der Bearbeitung der relevanten Fälle den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfange Rechnung und prüfen die Strafbarkeit anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls. Seite 3 von 4 STA ATSI\4 I N I STERI U I\4 DER JUSTIZ Freistaat SACHSENW Frage 4: Welche Argumentation führt die Ermittlungsbehörden zur der Einschätzung, dass eine eigentlich straflose Kollektivbeleidigung nach S11S OW¡G verfolgbar sei? Die Ordnungsbehörden führen im Hinblick auf eine Verfolgung nach dem OW|G stets eine Einzelfallprüfung des jeweiligen Sachverhalts durch. Eine Verfolgung des Verwendens des Slogans,,ACAB" nach S 118 OW|G erfolgt nur, wenn zureichendetatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Ordnungswidrigkeit vorliegen. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 4 von 4 2018-07-04T09:52:19+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes