SÄCHSISCHE STAATSKANZLE] Freistaat SACHSEN SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI 01095 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Chef der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten Durchwahl Telefon +49 351 564-1020 Telefax +49 351 564-1025 poststelle@ sk.sachsen.de Geschäftszeichen (bitte bei Antwort angeben) SK.31-0141.50/4/6 Dresden, ''f ^ . Mai 2015 Kleine Anfrage des Abgeordneten Volkmar Zschocke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs.-Nr.: 6/1369 Thema: Begründung des Abstimmungsverhaltens des Freistaates Sachsen in der 931. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2015 zur rezeptfreien Abgabe der „Pille danach“ Sehr geehrter Herr Präsident, namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Für Arzneimittel mit bestimmten Stoffen oder mit Zubereitungen aus bestimmten Stoffen, die besonders hohe Anwendungsrisiken haben, gilt die Verschreibungspflicht. Die Europäische Arzneimittelzulassungsbehörde (EMA) hat das Arzneimittel ellaOne® zugelassen. Die EU-Kommission hat im Januar 2015 die Verschreibungspflicht dieses Präparates aufgehoben. Nach § 48 des Arzneimittelgesetzes (AMG) war zur nationalen Umsetzung eine Änderung der Arzneimitteverschreibungsverordnung (AMW) notwendig, damit diese Änderung in Deutschland in Kraft treten kann. Die Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (BR-Drs. 28/15) sieht daher vor, das Notfallkontrazeptivum ellaOne® mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (UPA) aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Darüber hinaus wurden die Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) aus der Verschreibungspflicht entlassen. DIE KAMPAGNE DES FREISTAATES SACHSEN. Hausanschrift: Sächsische Staatskanziei Archivstraße 1 01097 Dresden Seite 1 von 3 www.sachsen.de SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI Freistaat SACHSEN Frage 1: Welche konkreten Bedenken gegen die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ macht die Sächsische Staatsregierung geltend und bestehen diesbezüglich Unterschiede in der Auffassung der Fachressorts? (Bitte erläutern) Die Arzneimittelrisiken der betreffenden Präparate und der Schutz der Gesundheit der Patientinnen sprachen gegen die Entlassung aus der Verschreibungspflicht. Aus fachlicher Sicht wird die Gefahr gesehen, der Wegfall der Verschreibungspflicht könnte eine unkritische, unkontrollierte und häufigere Anwendung dieser Präparate befördern. Diese Arzneimittel sind aber der seltenen, vereinzelten Anwendung Vorbehalten und verlangen wegen ihres Nebenwirkungsspektrums und ihrer Nebenwirkungsrate vor ihrer Anwendung eine eindeutige Indikationsstellung sowie die Beratung der Patientin. Dies hätte besser durch eine Belassung in der Verschreibungspflicht gewährleistet werden können. Auch als verschreibungspflichtiges Medikament war die „Pille danach“ in Deutschland als Arzneimittel verfügbar und eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht nicht erforderlich. Die „Pille danach“ ist nach der Entlassung aus der Verschreibungspflicht leichter verfügbar, weil alle anderen „Antibabypillen“ verschreibungspflichtig sind. Nach Abwägung dieser fachlichen Bedenken und den Interessen der Frauen an einer Schwangerschaftsverhütung wurde am Ende des Entscheidungsprozesses einvernehmlich die Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung nicht unterstützt. Frage 2: Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um eine Beratung in der Apotheke zu gewährleisten, so dass im konkreten Fall ein nicht erforderlicher Einsatz der „Pille danach“, z. B. aus Unsicherheit, vermieden werden kann? Nach dem Wegfall der Verschreibungspflicht steht die „Pille danach“ für die Selbstmedikation zur Verfügung. Die Information und Beratung über verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ist eine übliche pharmazeutische Tätigkeit i. S. d. § 1a Abs. 3 Nr. 4 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), für die das pharmazeutische Personal eine ausreichende Sachkenntnis besitzt. Darüber hinaus sind für die Beratung bei der rezeptfreien Abgabe von Notfallkontrazeptiva („Pille danach“) ausführliche Handlungsempfehlungen der Bundesapothekerkammer erarbeitet worden, die zur Beratung in den Apotheken herangezogen werden. Demzufolge ist die Beratung in den Apotheken auch zur nicht verschreibungspflichtigen „Pille danach“ gewährleistet. Aus Sicht der Staatsregierung sind deshalb keine Maßnahmen hinsichtlich der Beratung in Apotheken erforderlich. Frage 3: Welche Maßnahmen erachtet die Landesregierung für sinnvoll, um den Zugang zur „Pille danach“ für alle Menschen, unabhängig von ihrer finanziellen Situation und Wohnort, zu gewährleisten? Bis zum 20. Geburtstag übernehmen die Krankenkassen auch nach der Neuregelung die Kosten des Medikaments - jedoch nur, wenn es ein Arzt verschrieben hat (18- und 19-Jährige müssen lediglich die Rezeptgebühr selbst bezahlen). Damit werden im Wesentlichen die Frauen begünstigt, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation Seite 2 von 3 SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI Freistaat SACHSEN (insbesondere, weil sie sich noch in Ausbildung, Studium etc. befinden) am wenigsten in der Lage sind, die Kosten für die „Pille danach“ aufzubringen. Da es sich bei der Einnahme der „Pille danach“ um eine Ausnahme(„NotfaH“)Situation handeln sollte, bedarf die Frage der Kostenübernahme (für das Präparat PiDaNa® etwa 18 Euro, für das Präparat ellaOne® etwa 36 Euro) für weitere Personenkreise keiner gesonderten Regelung. Frage 4: Beabsichtigt die Landesregierung, sich im Sinne der „Kieler Resolution“ für eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln für Frauen und Männer unabhängig von ihrer finanziellen Situation einzusetzen und wenn ja, wie? Der Zugang zur „Pille danach“ ist auch nach Wegfall der Verschreibungspflicht für alle Menschen gewährleistet. Weitere Maßnahmen, die speziell den kostenfreien Zugang zur „Pille danach“ für alle Menschen schaffen sollen, sind nicht erforderlich. Die bisher geltende Verschreibungspflicht der „Pille danach“ sollte verhindern, dass Frauen die Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparats unterschätzen und es als reguläres Verhütungsmittel einsetzen. Dieses Ziel würde mit einer vollständigen Kostenfreiheit unabhängig von Alter und finanzieller Situation kaum noch erreicht. Die Versicherten haben nach § 27 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Rechtsprechung versteht unter Krankheit im Sinne der GKV einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Dem Grunde nach ist Schwangerschaftsverhütung demnach eine Angelegenheit der Familienplanung und keine Aufgabe der GKV, die dem Zweck dient, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Nach § 24a SGB V haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden. Danach sind für junge Frauen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Arzneimittel zur Empfängnisverhütung kostenlos. Ab dem 19. bis zum vollendeten 20. Lebensjahr haben Frauen für diese Arzneimittel nur die Rezeptgebühr zu leisten. Danach müssen Frauen diese Arzneimittel in vollem Umfang selbst bezahlen. Die Staatsregierung sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Kostenübernahme für ärztlich verordnete empfängnisverhütende Mittel bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), auch nicht durch die GKV. Mit freundlichen Grüßen Dr. Fritz Jaeckel Seite 3 von 3