SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS Postfach 10 09 10 1 01079 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bernhard-von-Lindenau-Piatz 1 01 067 Dresden STAATSMlNlSTERlUM FÜR KULTUS Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Zais (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drs.-Nr.: 6/14031 Thema: Erfüllung der Schulpflicht im Ausland Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: "Gemäß § 26 SächsSchuiG wird die Schulpflicht grundsätzlich durch den Besuch einer öffentlichen Schule oder einer genehmigten Ersatzschule erfüllt. Das Landesamt für Schule (LaSuB) und Bildung kann Ausnahmen zulassen." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Inwieweit und unter welchen Bedingungen oder Auflagen gilt die Schulpflicht durch den Besuch einer Schule im Ausland als erfüllt? Vorangestellt wird, dass gemäß § 26 Abs. 1 SächsSchuiG Schulpflicht besteht für alle Kinder und Jugendlichen, die im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben. Gemäß § 26 Abs. 3 SächsSchuiG wird die Schulpflicht grundsätzlich durch den Besuch einer Schule in öffentlicher Trägerschaft oder einer genehmigten Ersatzschule erfüllt. Im Falle eines genehmigten und nachgewiesenen Auslandsaufenthalts mit Schulbesuch im Ausland gemäß § 33 Abs. 1 Schulordnung Mittel- und Abendmittelschulen (SOMIA) - ab 1. August 2018 Schulordnung Ober- und Abendoberschulen (SOOSA), § 34 Abs. 1 Schulordnung Gymnasien Abiturprüfung (SOGYA), § 8 Abs. 2 Schulordnung Berufliche Gymnasien (BGySO), § 14 Abs. 5 Schulordnung Berufsschule (BSO) i. V. m. § 2 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG), § 18 Abs. 1 Schulordnung Fachschule (FSO) oder§ 9 Abs. 2 Schulordnung Berufsfachschule (BFSO) gilt die Schulpflicht durch den Besuch der Schule im Ausland als erfüllt. Seite 1 von 4 ~SACHsEN Der Staatsminister Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom 10. Juli 2018 Geschäftszeichen (bitte bei Antwort angeben) Z-1053/14/2 Dresden,ffi. August 2018 Hausanschrift: Sächsisches Staatsministerium für Kultus Carolaplatz 1 01097 Dresden www.smk.sachsen.de De-Maii-Zugang: poststelle@smk-sachsen.de-mail .de Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 3. 7. 8 STAATSMlNlSTERlUM FÜR KULTUS S SACHsEN Darüber hinaus besteht aufgrund der Regelung des § 26 Abs. 3 Satz 2 SächsSchuiG die Möglichkeit, die Schulpflicht durch den Besuch einer Schule im Ausland im Rahmen der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23.06.2009, Az. 2 D 28/09, zu erfüllen . Danach ist eine Ausnahme von der Schulpflicht nur gerechtfertigt, wenn wichtige Gründe vorliegen, die nach Abwägung aller Umstände der Durchsetzung der Schulpflicht an einer deutschen Schule vorgehen, und der Besuch eines anderweitigen , hinreichend gleichwertigen Unterrichts gewährleistet ist. Dies ist dann der Fall, wenn gewichtige Gründe im Einzelfall für den Besuch einer Schule im Ausland vorgetragen werden, zudem ein gesicherter Nachweis darüber vorliegt, dass der Schüler dort adäquat beschult wird, d. h. auch die zu besuchende Schule regelmäßig besucht (Vorlage des Schulvertrages), vergleichbare Lerninhalte vorliegen sowie Nachweise über die erzielten Leistungen durch eine Bestätigung der Schule (u. a. Zeugnisse, Bewertungen , Einschätzungen) erbracht werden. ln solchermaßen eng begrenzten Fällen ist dann im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Ausnahme von der Schulpflicht möglich, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, • deren Eltern beruflich im Ausland tätig sind und die ihren Wohnsitz nicht ins Ausland verlagern oder • wenn nachweislich Abschlüsse an ausländischen Schulen angeboten werden, die einen besseren Zugang zu einer ausländischen universitären Ausbildung gewährleisten , als dies mit einem deutschen Abschluss möglich wäre, oder • im Falle nachweislich nur vorübergehenden, also kurzen Aufenthaltes von Ausländern in Sachsen, wenn die Schulzeit bereits weitestgehend im Ausland verbracht wurde und ggf. dort auch noch schulische Abschlussprüfungen unmittelbar bevorstehen . An das Vorliegen von Ausnahmefällen von der Schulpflicht sind strenge Anforderungen zu stellen, da sonst die getroffene Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers für eine allgemeine Schulpflicht in Frage gestellt würde. Bei Kindern von Botschaftsangehörigen greift regelmäßig der Umstand, dass deren Status bereits umfassend durch völkerrechtliche Abkommen geregelt ist, was weitgehende Befreiungen von innerstaatlichen Pflichten beinhaltet. Frage 2: Inwieweit ist für die Erfüllung der Schulpflicht durch Besuch einer Schule im Ausland ein zwischenstaatliches Abkommen oder eine andere rechtliche Grundlage notwendig? Die rechtlichen Grundlagen für die Erfüllung der Schulpflicht im Ausland sind § 26 Abs. 3 Satz 2 SächsSchuiG, die in der Antwort zu Frage 1 genannten Bestimmungen der Schulordnungen und bei kurzfristigen Aufenthalten im Ausland § 4 Schulbesuchsordnung (SBO). Deshalb ist kein zwischenstaatliches Abkommen oder eine andere rechtliche Grundlage notwendig. Hinzu kommt: Für ein zwischenstaatliches Abkommen müssten die Voraussetzungen vorliegen. So wird der Abschluss von Staatsverträgen in Art. 65 Abs. 2 Sächsische Verfassung genannt. Staatsverträge sind Verträge i. S. d. Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz, die die politischen Beziehungen des Landes betreffen und mit anderen Bundesländern oder Seite 2 von 4 STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 5i SACHsEN auswärtigen Staaten geschlossen werden. Gemäß Art . 32 Abs. 1 Grundgesetz ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes. Der Gegenstand der Erfüllung der Schulpflicht durch Besuch einer Schule im Ausland müsste diesen Anforderungen gerecht werden . Dies ist nicht der Fall. Von den Staatsverträgen zu unterscheiden sind Verwaltungsabkommen, die Angelegenheiten der Exekutivgewalt ohne Bezug zu den auswärtigen politischen Beziehungen betreffen. Ein solches Verwaltungsabkommen kommt hier nicht in Betracht, denn es dürfte die Wirkung entgegengesetzter Regelungen zu bereits existierenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Regelungen entfalten, könnte diese insbesondere ersetzen und damit aushebeln. Die Pflicht zum Besuch einer deutschen Schule für schulpflichtige Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz in Sachsen ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich anerkannten staatlichen Erziehungsauftrag gemäß Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 102 Abs. 1, 2 und 5 Sächsische Verfassung i. V. m. § 26 Abs. 1 SächsSchuiG. Die damit von Verfassungsgeber und Gesetzgeber zu Gunsten der allgemeinen Schulpflicht getroffene Grundsatzentscheidung darf durch ein Verwaltungsabkommen der Exekutive, das zusätzliche generelle Ausnahmen von der Schulpflicht auf Verwaltungsebene schaffen würde, nicht unterlaufen werden. Die zwischenstaatlichen Abkommen zu den binationalen-bilingualen Gymnasien in Pirna und Görlitz (Friedrich-Schiller-Gymnasium und Augustum-Annen-Gymnasium) erfüllen die vorgenannten rechtlichen Voraussetzungen und verdeutlichen, dass die Staatsregierung bei der zu wählenden Rechtsform nicht frei ist. Frage 3: Welche konkreten Ausnahmetatbestände können von Schülerinnen und Schülern bzw. deren Sorgeberechtigten geltend gemacht werden, um von der Schulpflicht (zeitweise) entbunden zu werden? Eine Entbindung von der Schulpflicht ist nicht möglich. Im Rahmen der Regelung des § 29 SächsSchuiG ist ein Ruhen der Schulpflicht in den dort genannten Fallgestaltungen möglich. Daneben besteht die Möglichkeit der kurzfristigen Beurlaubung gemäß § 4 SBO. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Schließlich können Maßnahmen der Jugendhilfe Ausnahmen begründen. Frage 4: Wer entscheidet auf welcher Grundlage über entsprechende Anträge von Schülerinnen und Schülern bzw. deren Sorgeberechtigten? Die Zuständigkeit für die Ausnahmeentscheidung nach § 26 Abs. 3 Satz 2 Sächs- SchuiG liegt bei der Schulaufsichtsbehörde, dem Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) . Das LaSuB oder der Schulleiter entscheiden über Beurlaubungen gemäß den in der Antwort auf Frage 1 zitierten Regelungen in den jeweiligen Schulordnungen. Anträge gemäß § 4 SBO werden vom Klassenlehrer (bis zu zwei Tage) oder Schulleiter (bei mehr als zwei Tagen) entschieden. Frage 5: Wie viele entsprechende Anträge oder Anfragen wurden beim LaSuB (bzw. vormals bei der Sächsischen Bildungsagentur, SBA) in den vergangenen zehn Jahren gestellt und wie wurden die Anträge/Anfragen beschieden? Seite 3 von 4 STAATSMlNlSTERlUM FÜR KULTUS ~SACHsEN ln begründeten Einzelfällen wurden vom LaSuB in den zurückliegenden zehn Jahren Ausnahmen auf Grundlage der vorstehend dargestellten Rechtslage zugelassen. Eine statistische Erfassung zur Anzahl der Anträge/Anfragen und zu ihrer Verbescheidung wird nicht geführt. Das LaSuB hat dargestellt, dass für eine Recherche allein für die letzten zwei Jahre ca. 1.000 schülerbezogene Vorgänge unter dem Betreff "Schulpflicht " gesichtet werden müssten, um daraus die geschätzt wenigen Fälle zum Thema Schulbesuch im Ausland herauszufinden. Für die vergangenen zehn Jahre wäre danach von ca. 5.000 Vorgängen auszugehen. Bei einem Sichtungsaufwand je Vorgang von ca. zehn Minuten Arbeitszeit eines qualifizierten Sachbearbeiters wäre ein solcher vollbeschäftigter Mitarbeiter allein für diese Recherche mehr als 20 Arbeitswochen gebunden. Dieser Personaleinsatz würde die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Staatsregierung gefährden. Mit freundlichen Grüßen i:V Seite 4 von 4 2018-08-08T10:07:23+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes