STAATSMINISTERIUIM DER JUSTIZ SACHSISCHES STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Hospitalstraße 7 101097 Dresden Präsidenten des Sächsischen Landtages Herrn Dr. Matthias Rößler Bern hard-von-Lindenau-Platz 1 01067 Dresden Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Kersten (fraktionslos) Drs.-Nr.: 6114062 Thema: Verurteilungen nach Jugendstrafrecht von minderjährigen Ausländern Sehr geehrter Herr Präsident, den Fragen sind folgende Ausführungen vorangestellt: ,,Voraussetzung für die Anwendung des Jugendstrafrechtes ist, dass der Beschuldigte/Angeklagte Jugendlicher oder Heranwachsender ist. Nach einem Bericht des MDR Sachsen vom 05. Januar 2018 https ://www. md r.de/sachsen/altersbesti mm ung-bei-f I uechtl i n gen- 100.html sind 80 Flüchtlinge auf ihr Alter untersucht wurden. ln jedem zweiten Fall wurde eine Volljährigkeit festgestellt." Namens und im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: ln wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2010 bis 2017 minderjährige Ausländer oder unbegleitete minderjährige Asylbewerber unter Anwendung der Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) strafrechtlich verurteilt und in wie vielen Fällen wurden Ermittlungsverfahren gemäß diesen Vorschriften eingestellt? (Bitte die Antwort nach Jahren getrennt aufschlüsseln) Freistaat SACHSEN Der Staatsminister Durchwahl Telefon +49 351 564 1500 ïelefax +49 351 564 1509 Staatsm¡nister@ smj.justiz.sachsen.de* Aktenzeichen (bitte bei Antwort angeben) 10408/13/1270 - KLR Dresden, I . Au}ustz}lS ÑEI\hlñs|w TOB MIT , o ' JUSTIZVOTTZUGSBEAMTE ì,IIWWJOB.MF.T.DE Hausanschrlft: Sächsisches Staatsministerium der Justlz Hospitalstraße 7 01097 Dresdon Briefpost über Deutsche Post 01095 Dresden www.justiz.sachsen.de/smj Verkehrsverbindung: Zu erreichen mit Straßenbahnlinien 3,6,7,8, 11 Parken und behindertengerechter Zugang über Einfahrt Hospitalstraße 7 *Zugang für elektron¡sch signierte sow¡e für verschlüsselte elektron¡sche Doku. mente nur über das Elektronische Gerichts- und VeMaltungspostfach; nåhere lnlormationen unter www.egvp.deSeite 1 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN w¡l w ln Sachsen kam es nach den Angaben des Statistischen Landesamtes in den Jahren 2010 bis 2017 zu folgenden Verurteilungen von ausländischen Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren: Jahr 2010:74 Jahr 201 1: 65 Jahr 2012: 69 Jahr 2013:55 Jahr 2014:37 Jahr 2015: 39 Jahr 2016: 75 Jahr 2017: 99 Eine Abfrage in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften bezüglich der eingestellten Verfahren gegen Jugendliche, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, hat folgendes Ergebnis ergeben: Jahr 2010:318 Jahr 201 1: 296 Jahr 201 2:302 Jahr 2013:583 Jahr 201 4:684 Jahr 2015:2.242 Jahr 2016: 3.064 Jahr 2017:2.276 Soweit eine Abfrage in den Datenbanken der sächsischen Staatsanwaltschaften erfolgte , ist darauf hinzuweisen, dass der Datenbestand permanenten Veränderungen unterliegt . So werden Datensätze im Wege einer automatisierten Datenteil- und Datenlöschung nach Maßgabe des g 489 Abs. 2 Salz 2 Nr. 1 und 3, Abs. 3, 6 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) bereinigt. Bereits gelöschte Daten können in eine Auswertung nicht mehr einbezogen werden. Seite 2 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSENlw Soweit die Abgeordnete darüber hinaus auch Auskunft darüber begehrt, in wie vielen Fällen in den Jahren 2010 bis 2017 unbegleitete minderjährige Asylbewerber unter Anwendung der Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) strafrechtlich verurteilt und in wie vielen Fällen Ermittlungsverfahren gegen unbegleitete minderjährige Asylbewerber gemäß diesen Vorschriften eingestellt wurden, wird von einer weitergehenden Beantwortung der Frage wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Die durch den Abgeordneten erfragten lnformationen liegen der Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Diese können auch nicht durch eine elektronische Recherche erlangt werden. ln den Datenbanken der Staatsanwaltschaften lässt sich - vor dem Hintergrund der Papieraktenführung im Strafverfahren - insbesondere keine Auskunft darüber gewinnen, ob ein Beschuldigter den Status eines unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbers hat. Eine vollständige Beantwortung der Frage wäre daher nur möglich, wenn man sämtliche Verfahrensakten zu Verurteilungen und Einstellungen zu Strafverfahren gegen minderjährige Ausländer danach auswerten würde, ob es sich bei dem vormals Beschuldigten bzw. Verurteilten um einen unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber handelt. Dies betrifft für den abgefragten Zeitraum insgesamt 10.278 Verfahrensakten. Eine solche Auswertung wäre nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand möglich, der ohne den Verlust der Funktionsfähigkeit der Staatsanwaltschaften in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Frist nicht zu leisten wäre. Es wären umfangreiche und zeitaufwendige Recherchen in den Aktenbeständen der sächsischen Staatsanwaltschaften erforderlich. Dabei ist der Zeitaufwand für das Ziehen der Akten aus den Geschäftsstellen und staatsanwaltschaftlichen Archiven, der Aufwand zur Beiziehung versendeter Akten, das Auswerten der Akten und die schriftliche Dokumentation des gefundenen Ergebnisses zu berücksichtigen. Für die entsprechende Auswertung der Akten ist daher von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich Seite 3 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ñal-\ffi w mindestens 30 Minuten je Akte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei den Staatsanwaltschaften für die händische Auswertung der Akten zu insgesamt 10.278 Vorgängen anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 642 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts erscheint der zur vollständigen Beantwortung der Frage erforderliche Aufwand nicht mehr verhältnismäßig und zumutbar. Eine vollständige Beantwortung der Frage würde in erheblichem Umfang eine größere Anzahl von Bediensteten in sächsischen Staatsanwaltschaften , die für laufende Arbeiten nicht mehr zur Verfügung stünden, binden. Die Staatsregierung kam bei der Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Behörden andererseits daher zu dem Ergebnis, dass eine vollständige Beantwortung der Frage unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege nicht zu leisten ist. Frage 2z ln wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2010 bis 2017 anlässlich der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens oder Strafverfahrens gegen minderjährige Ausländer oder unbegleitete minderjährige Asylbewerber eine Altersfeststellung durch eine medizinische Untersuchung durchgeführt? (Bitte die Antwort nach Jahren getrennt aufschlüsseln) Frage 3: ln wie vielen Fällen wurde dann eine Volljährigkeit festgestellt? (Bitte die Antwort nach Jahren getrennt aufschlüsseln) Frage 4: ln wie vielen Fällen war der Beschuldigte/Angeklagte Heranwachsender (18-21 Jahre)? (Bitte die Antwort nach Jahren getrennt aufschlüsseln) Seite 4 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN ruEL\41- w Zusammenfassende Antwort zu den Fragen 2 bis 4: Von einer vollständigen Beantwortung der Fragen wird ebenfalls wegen des hierfür unverhältnismäßigen Aufwandes abgesehen. Die durch die Abgeordnete erfragten lnformationen liegen der Staatsregierung nicht unmittelbar vor. Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen findet weder bei der sächsischen Polizei noch bei den sächsischen Staatsanwaltschaften statt. Die vollständige Beantwortung der Frage würde daher die Durchsicht und händische Auswertung aller Ermittlungsverfahren erfordern, in denen die Beschuldigten minderjährige (oder heranwachsende) Ausländer waren. Für den Zuständigkeitsbereich der Sächsischen Staatsanwaltschaften müssten - für eine vollständige Beantwortung der Frage - zumindest sämtliche Verfahrensakten zu Verurteilungen und Einstellungen zu Strafverfahren gegen minderjährige Ausländer danach auswerten werden, ob eine Altersfeststellung durch eine medizinische Untersuchung durchgeführt wurde. Dies betrifft - wie dargelegt - 10.278 Vorgänge. Für den Zuständigkeitsbereich der sächsischen Polizei wäre die Durchsicht und händische Auswertung aller im Zeitraum von 2010 bis 2017 aufgeklärten Fälle mit einem minderjährigen bzw. heranwachsenden nichtdeutschen Tatverdächtigen erforderlich. Dabei sind mindestens alle in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten aufgeklärten Fälle entsprechend der Fragestellung auszuwerten. Dies würde für den Zeitraum von 2010 bis 2017 eine Einzelfallauswertung von 53.047 Vorgängen erfordern. Für die entsprechende Auswertung ist von einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich mindestens 30 Minuten je Ermittlungsverfahren bzw. je Ermittlungsakte auszugehen. Dies zugrunde gelegt, wird der bei der Polizei für die Auswertung anfallende zeitliche Aufwand auf mindestens 3.315 Arbeitstage, der bei den Staatsanwaltschaften anfallende Aufwand auf mindestens 642 Arbeitstage für einen in Vollzeit tätigen Mitarbeiter geschätzt. Seite 5 von 6 STAATSMINISTERIUM DER JUSTIZ Freistaat SACHSEN FAt-Nfu w Die Staatsregierung kam daher, unter Berücksichtigung des oben dargestellten Maßstabes , bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht einerseits und der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Staatsregierung sowie der ihr nachgeordneten Ermittlungsbehörden andererseits zu dem Ergebnis, dass eine Beantwortung der Fragen auch unter Berücksichtigung des hohen Rangs des parlamentarischen Fragerechts unverhältnismäßig und ohne erhebliche Einschränkung der Strafrechtspflege und der Funktionsfähigkeit der Polizei nicht zu leisten ist. Ungeachtet dessen - und um dem parlamentarischen lnformationsinteresse so weit wie möglich zu entsprechen - wurden die Leitenden Oberstaatsanwälte der sächsischen Staatsanwaltschaften gebeten, zu den Fragen aus der Erinnerung heraus zu berichten. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Dresden hat hierzu berichtet, dass in drei Fällen ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben wurde. ln einem Verfahren hat sich hierbei herausgestellt, dass der Beschuldigte volljährig war, in den anderen zwei Verfahren waren die Beschuldigten jeweils Heranwachsende. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zwickau hat berichtet, dass in einem Verfahren eine solche Untersuchung durchgeführt wurde. Dabei stellte sich heraus , dass der Beschuldigte bereits volljährig war. Frage 5: Gibt es eine Regelung oder Anweisung an Justizbehörden, Gerichte oder Landratsämtern anlässlich eines Verfahrens nach Jugendstrafrecht, zumindest in Zweifelsfällen, eine medizinische Altersbestimmung durchzuführen? Derartige Regelungen oder Anweisungen existieren nicht. Mit freundlichen Grüßen Sebastian Gemkow Seite 6 von 6 2018-08-09T08:57:10+0200 GRP: Elektronisches Dokumentations- und Archivsystem Erstellung des Nachweisdokumentes